Beten 2.0

Beten 2.0
Immer mehr Menschen nutzen das Internet, um ihren Glauben zu leben. Sie gründen Gebetskreise auf Facebook, senden Gebetsanliegen per E-Mail oder beauftragen „Prayer Agents“, die für einen beten.

In der Mailbox für Gebetsanliegen gibt es einen neuen Posteingang. „Ich bitte euch um das Gebet: Bis zum Monatsende weiß ich nicht, wie ich Essen und alles andere für meine Familie und mich bezahlen soll.“ Schwester Bernadette druckt die E-Mail aus und legt sie zu den anderen. „Bitte betet für mich“, heißt es in einer weiteren E-Mail. „Ich schreibe die Aufnahmeprüfung für meinen Wunschstudiengang, es ist der zweite Anlauf.“ Oder: „Ich bitte Sie um Ihr Gebet, dass es zur Versöhnung kommt zwischen meinem Mann und mir.“ Sie wird alle Anliegen bei der Donnerstagsmesse vorlesen, um gemeinsam mit den Ordensschwestern für die Menschen zu beten. Ein Service für Gottes Lohn.

Schwester Bernadette gehört zu den Marienschwestern vom Karmel in Linz, die bereits seit zehn Jahren den Dienst auf ihrer Webseite anbieten, für Menschen und ihre Anliegen zu beten. Jede Woche zählt sie rund vierzehn Schreiben. „Die Menschen suchen und bitten um das Gebet, wir sehen das als unseren Dienst.“ Manchmal wird eine E-Mail beantwortet, wenn jemand Hilfe braucht, die meisten Menschen schreiben anonym. Bereits 2002 bezeichnete die katholische Kirche das Internet als „ein neues Forum zur Verkündigung des Evangeliums“. Kein Wunder, dass Online-Beten weltweit Anhänger unterschiedlicher Religionen hat. Facebook-Gebetskreise, YouTube-Messen, Webcams bei Pilgerstätten – Gott ist überall.

Die Universität Warwick in Coventry veröffentlichte dazu eine Studie: Laut dieser beten Christen im Netz vor allem für sich selbst. Der Weltfrieden hingegen sei selten Thema. Warum das so ist? Gebetswebseiten seien – vor allem in Zeiten persönlicher Not – leichter zu erreichen als eine Kirche.Und da das Internet bekanntlich nicht nur Gutes bringt, bleibt ein Wildwuchs an Angeboten nicht aus: So wird auf der amerikanischen Homepage der „Western Wall Prayers“ mit einem besonderen Dienst geworben: Für die dringlichen Wünsche und Nöte des Lebens kann man „Prayer Agents“, also Bet-Beauftragte, für sich beten lassen. Und zwar vierzig Tage lang. Aber nicht irgendwo, sondern an einer der wichtigsten Pilgerstätten der Welt: der Klagemauer in Jerusalem. Ein Service, den etwa Ella aus Mexiko, Lisa aus New York und Tom aus Holland genutzt haben. Ella wollte heiraten, Lisa ein Kind auf die Welt bringen und Tom einen sicheren Job. Ihnen allen wurde geholfen. Zumindest schreiben sie das auf der Webseite. Hunderte „success storys“ zählt man dort. Erfolgsgeschichten, bei denen sogar ein Lottogewinn dabei ist. Je höher die Investition, desto intensiver wird für die Auftraggeber gebetet. Die Kosten beginnen bei „Standard Prayers“ für 95 Dollar und gehen bis zu 3.600 Dollar für „Choice Prayers“. Mal teilt man sich den Bet-Beauftragten mit anderen, mal nehmen sich gleich zehn Betende der Anliegen an. Wenn das nicht hilft, was dann? Doch es gibt auch die Möglichkeit, seine Wünsche an der Klagemauer, dem wichtigsten heiligen Ort der Juden, zu hinterlassen, ohne Geld dafür ausgeben zu müssen.

Den direkten Internetdraht nach Jerusalem gibt es nämlich für alle. „Send a note to the Kotel“, heißt es auf der offiziellen Homepage des Rabbinats der Klagemauer. Sie bietet den weltweiten Service per Internet bereits seit bald sieben Jahren. „Schreiben Sie hier Ihren Brief. Wir drucken ihn aus und legen ihn zwischen die Steine der Mauer“, lautet das Angebot. Rabbiner machen sich dann mit den bedruckten Röllchen auf den Weg, um sie an der Mauer neben Millionen anderen Zettelbotschaften in den Ritzen zu befestigen. Aber auch jene, die nichts mit Internet, E-Mail oder Apps anfangen können, haben eine Chance, für ihre Nöte, Sorgen und Anliegen beten zu lassen. In Wien zum Beispiel, im Stephansdom. Dort steht die pinkfarbene Fürbittbox, in der Menschen aus aller Welt ihre Wünsche persönlich hinterlassen können. Bis zu 600 Bitt-Briefe sind es pro Monat. Ehrenamtliche Mitarbeiter entfalten die Zettel, um sie bei der Messe für „Leidende und Kranke“ auf den Altar zu legen. Alle Briefe, auch wenn sie etwa als chinesische Schriftzeichen daherkommen, werden dann ins Gebet aufgenommen. Erfolgsgeschichten gibt es übrigens auch.

Der Klick zum Glauben

Die Marienschwestern vom Karmel beten für Menschen, die Gebetsanliegen schicken. www.marienschwestern.at

Einen „Prayer Agent“, der für einen betet, kann man hier beauftragen. www.westernwallprayers.org

„Send a note to the Kotel“ heißt es auf der offiziellen Homepage des Rabbinats der Klagemauer www.thekotel.org

Webcam am Petersplatz www.vaticanstate.va

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Webcam an der Hagia Sophia www.earthcam.com

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Homepage Papst Vatikan
Der Papst im Web

Unterwegs mit dem Papst: Übersicht über alle bisherigen Päpste, Bilder der aktuellen Papstreisen, Videos mit seinen Ansprachen, Apostolische Briefe zum Runterladen etc. Papst-Anhänger und -Kritiker können sich hier virtuell austoben.

Die nächste Liveübertragung des Adventgottestdienstes in Hartberg findet am So. 15.12.2013 um 10 Uhr statt

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