Wilde Pferde
Es kann so einfach gehen. Kurzes Heck, lange Haube, fetter Motorblock – fertig ist der Hit. Gut, Ford gab sich bescheiden, als der Mustang 1964 aus dem Stall gelassen wurde: Nur 100.00 Exemplare wollte man im ersten Produktionsjahr verkaufen. Der Herdentrieb der Asphaltcowboys war stärker, es wurden fast eine halbe Million – ohne Fuchsschwanz, Spoiler oder ähnlichen Zierrat. Das Objekt der Begierde hob sich mit seinen klaren Linien auffällig vom opulenten Straßenkreuzer-Style der frühen 1960er-Jahre ab. Aber ausgeprägt maskulin gab sich das „Pony Car“ erst in der GT-Version mit Steve McQueen als „Bullitt“. Dabei reizte das wilde Gerät auch viele Frauen. Die heute 71-jährige Gail Wise etwa war die allererste Person, die sich damals anschickte, einen Mustang auf vier Rädern zu zähmen. Offenbar hatte sie dabei ein gutes Händchen, ihr Mustang Cabrio in Eisblau, erstanden am 15. April 1964 bei Johnson Ford in Chicago, ist nach wie vor gut in Schuss.
Mit Basispreisen ab 2.400 US-Dollar (damals umgerechnet etwa 70.000 Schilling) gab sich der viersitzige Sportler stets sehr volksnah. Besonders begehrt – und auch zukunftsweisend – war der Publikumsliebling ebenso wegen der Seiten langen Aufpreisliste: „Ford Mustang was designed to be designed by you“, lautete ein Slogan für das Sechs-Zylinder-Coupé („Der Ford Mustang wurde entworfen, damit du ihn entwirfst“). Auf unseren Straßen blieb das begehrteste klassische Europas dennoch stets ein Exot. Immerhin hätte es ohne ihn als Vorbild nie einen Ford Capri oder auch einen Opel Manta gegeben. Im Jubiläumsjahr 2014 kommt die nächste Generation des Mustang ganz offiziell auch auf den europäischen Markt. Ab dann kann man das Muscle-Car beim ganz normalen Ford-Händler ums Eck Probe fahren und bestellen. Vroooom!
Er war der erste des Baujahres 1971, der damals in Wien verkauft wurde. Silberfarben und mit Sechs-Zylinder- Motor. „Das war ein Jugendtraum und gleichzeitig eine Jugendsünde von mir“, erinnert sich Günther Wessig, langjähriger Chefredakteur des KURIER, der seinen Mustang damals nagelneu erwarb.Generationen von KURIER-Redakteuren erinnern sich an das Schlachtschiff, das in einer Ecke des Parkplatzes in der Seidengasse stand. So eingezwängt, dass es nur dann herausmanövriert werden konnte, wenn die Nachbarparkplätze frei waren. Das machte aber nichts. „Ich bin ihn ja fast nie gefahren, höchstens ein paar Mal im Sommer“, sagt Wessig. „Und das mit Grund.“ Das gute Stück war heikel. Dauernd war irgendetwas kaputt. Einen guten Mechaniker zu finden, war auch nicht leicht. Selbst Hand anlegen konnte man schon gar nicht. Und nach der ersten Euphorie des erfüllten Jugendtraums war Wessig geheilt: „In einem amerikanischen Auto segeln Sie dahin wie in einem Schiff. Europäische Autos sind viel bequemer, kein Vergleich. Aus dem ersten Glück wurde eine Hassliebe. Wessig investierte in den Mustang. „Ich hab’ ihn dann sanieren und auf Rot umspritzen lassen.“ Gefahren wurde er trotzdem nicht öfter. So war es vermutlich eine Fügung des Schicksals, dass das Grundstück, auf dem sich der Parkplatz samt Mustang befand, verbaut wurde und das Auto wegmusste. „Ich hab’ ihn um ein Butterbrot verkauft, beinahe verschenkt“, sagt Wessig. An einen burgenländischen Mustang-Spezialisten. Günther Wessig ist seit vielen Jahren in Pension. Und der Mustang – fährt immer noch.
Kommentare