Auf der Suche nach Hexenkugeln und Knabenkraut im Burgenland
Das Naturschutzgebiet Thenau ist die größte pannonische Blumenwiese. Wer dort geht, wird neue Pflanzen entdecken.
10.03.21, 05:00
Von Manfred Horvath (Text und Bild)
Wenn wir mit dem Blumenfreund aus Leidenschaft Ludwig Fingerhut so wie jedes Jahr durch die Thenau gehen, riecht es schon nach Frühling. „Schaut euch das schöne Frauenhaar an“, sagt er und streift mit seinen Riesenpranken von Händen sachte durch das weiche wollige Gras, das sich im Wind wiegt. Wie ein Tangotänzer schlurft er mit seinen Schuhen ganz unten am Bodenansatz der Halme und teilt die weichen Strähnen entzwei, um nur ja keinen Halm des Haar-Pfriemengrases zu knicken. „Bin schon neugierig, ob die Adonisröschen und Zwergschwertlilien bereits explodiert sind und mein Blütenteppich schon fertig ist“, meint er und streicht sich durch seinen graumelierten Rauschebart.
Unsere Schienbeine sind bis zu den Knien durch den Morgentau nass geworden. Der Dunst hat sich durch die aufgehende Sonne verzogen, und wir sehen den sanft abfallenden Südhang des Leithagebirges hinunter zum See. Da hinten, in der Mulde, hinter dem weiß herausleuchtenden Kalkfelsen muss die Kirche von Breitenbrunn sein.
Ein verborgener Platz
„Jetzt bin ich schon so oft in der Thenau gewesen, aber diesen Platz habe ich noch nie gesehen“, sagt Ludwig Fingerhut und deutet auf eine Miniaturwiese von Knabenkraut, das zwischen einer Weingartenzeile und dem Hohlweg weiß-rosa herausblitzt. Es ist eine Orchidee und wird auch Satyrion genannt. Der Mittelschullehrer kennt sich aus mit Flora und Fauna, ein Hobby auf Lebenszeit. Die Stirn in Falten gelegt geht er eine Runde um die leuchtenden Orchideen. Erst als er ein winziges Rinnsal über dem Knabenkraut-Beet entdeckt, ist er zufrieden, denn diese Pflanzen haben gerne feuchten Boden.
So wie auch der Frauenschuh, eine weitere Orchidee, die hier in der Gegend vorkommt. Die Pflanze überlebt den Winter mit ihrer Knollenwurzel, zum Existieren braucht sie auch den Wurzelpilz Mykorrhiza, mit dem sie in Symbiose lebt und mit dessen Hilfe sich die Orchidee in ihrer Jugend ernährt. Bienen werden von den Blüten zwar angezogen, bestäubt werden sie aber durch Käfer und Hautflügler. Mehr als 1.080 Schmetterlinge unterschiedlicher Provenienz wurden hier gezählt.
Kulturlandschaft
Das Spezielle an der Thenau ist der Trockenrasen. Dieser magere Weiderasen, der durch das jahrhundertelange Beweiden mit Vieh eine eigene Kulturlandschaft hervorgebracht hat, zeigt uns Das Spezielle an der Thenau ist der Trockenrasen. Dieser magere Weiderasen, der durch das jahrhundertelange Beweiden mit Vieh eine eigene Kulturlandschaft hervorgebracht hat, zeigt uns eine Artenvielfalt, welche im Burgenland einzigartig ist.
Zu dieser Gegend zählen neben dem Thenau-Riegel auch die Purbacher Hutweide, das Windener Tal mit dem Zeilerberg und die beiden Vorhügel des Leithagebirges, der Jungenberg bei Jois und der Hackelsberg bei Winden. Mit einer Ausdehnung von etwa 50 Hektar ist die Thenau das größte dieser Schutzgebiete. Gesteinsgrundlage ist der basische Leithakalk mit einer Auflage an Feinerde. Der Naturschutz treibt großen Aufwand, um den Trockenrasen durch Beweiden mit Rindern und Schafen zu erhalten, nur dadurch kann der traditionelle Landschaftstyp erhalten werden.
Es ist nicht leicht, Landwirte als Vertragspartner zu finden, weil das Gebiet so extensiv ist, und es an Trinkwasser für das Vieh mangelt. Nur durch die Beweidung kann die Verbuschung und darauffolgende Verwaldung verhindert und so das sensible Ökosystem erhalten werden.
Wie bei Winnetou
Ludwig Fingerhut zeigt zum Schneeberg nach Westen und sagt: „Das Schöne an der Thenau ist, dass du hier noch die Alpen siehst, und eigentlich schon in der südosteuropäischen Steppe bist. Das Bild einer Rolldistel, die der Wind vor sich hertreibt und immer wieder auf dem Gras aufpeppelt, als wäre sie einem Winnetouwestern entsprungen, taucht vor dem geistigen Auge auf. Sie ist bei einer Naturparkführung vor vielen Jahren an einer Gruppe staunender Teilnehmer hier oben am Thenau-Riegel vorbeigekollert.
Mit dem botanischen Namen Feld-Mannstreu, den der Botanikführer damals genannt hat, konnten wir sie dann in der „Onlineflora des Burgenlandes“ (www.burgenlandflora.at) finden. Es ist ein in Europa selten vorkommender Doldenblütler, der auch noch die Namen Donnerdistel, Elend, Unruhe oder Hexenkugel trägt. Eine andere, lokale Bezeichnung für die Weinberg-Traubenhyazinthe, die hier wahre tiefblaue Bodendecker bilden kann, würde man sicher in keinem Nachschlagewerk finden: Die Burgenländer aus Purbach nennen sie auch Tilwumpasgeigei.
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