"Auf der Bühne bin ich ein Strolch"
Herr Havener, Sie tragen Blumenkrawatte. Man merkt, der Frühling kommt.
Die hab’ ich schon lange. Interessant, auf die werde ich, wenn ich sie anhabe, tatsächlich oft angesprochen. Das ist halt die, die mir heute morgen am besten gefallen hat.
Sie haben auch einen schicken Anzug an. Wie wichtig ist das Aussehen für einen Zauberer, Hellseher – oder soll ich Sie lieber Magier nennen?
Magier ist mir eigentlich am liebsten. Und Aussehen ist mir wichtig, weil das alles kleine Bausteine sind, die das Publikum sehr wohl wahrnimmt. Wie wirke ich auf andere, was ziehe ich an, wie gebe ich mich? Für mich persönlich geht das aber alles ein bisschen verloren.
Sie meinen, Stil steht nicht mehr auf der Tagesordnung?
Genau. Privat renne ich auch in Jeans und T-Shirt rum, klar. Aber viele Menschen machen sich gar keine Gedanken mehr, was sie anziehen sollen. Ich war kürzlich in Las Vegas, wo Drei Viertel der Besucher in Shorts und Jogging-Hosen bei einer Abendveranstaltung saßen. Der Glamour, den wir in den 1920er- und 1930er-Jahren extrem hatten, auch in den 1950ern, fehlt mir.
Wie im Film „Der Große Gatsby“.
Oder „Mad Men“, wo der Stil der 1950er noch mal etabliert wurde. Ich wollte durch mein Äußeres auch zeigen, dass ich das, was ich mache, sehr, sehr ernst nehme. Nur mich selbst nehme ich nicht ganz ernst. Man könnte sagen, ich nehme alles ernst, außer mich.
Humor als wichtige Eigenschaft eines Magiers? Wo bleibt die Mystik? Ihr Bart geht zumindest in diese Richtung.
Das hat mehr damit zu tun, dass ich mich einfach mal verändern wollte. Ich glaube, dass das Bild des dunklen Magiers für mich einfach nicht funktioniert. Ich bin nun mal kein dunkler, mystischer Typ und es hat überhaupt keinen Sinn, auf einer Bühne vorzugeben, etwas zu sein, was man nicht ist.
Ist es nicht Ihr Job, etwas vorzugeben, was es eigentlich nicht gibt?
Aber als Mensch kann ich mich nicht verstellen. Was den Rest betrifft wäre es blöd, den Leuten zu erzählen, es gäbe bei dem, was ich mache, keine Tricks. Natürlich gibt es die, ich sage nur nicht, wann ich was mache. Ein Freund sagt immer: „Du bist ein Strolch!“ Das trifft es ziemlich genau. Auf der Bühne bin ich ein Strolch.
Stimmt es, dass Sie mit der Zauberei begonnen haben, weil Sie im Nachlass Ihres Bruders, der mit einem Fallschirm verunglückt ist, Zauberutensilien gefunden haben?
Das war die Initialzündung. Wenn ich das damals nicht entdeckt hätte, wäre vielleicht alles anders verlaufen. Das war 1986. In diesem Sommer bin ich dann nach Wien gefahren, weil es dort in der Barichgasse ein Geschäft namens „Vienna Magic“ gab. Ich war von zehn Uhr morgens bis 18 Uhr abends dort. Die haben mir dort jeden Trick gezeigt. Ich meine, ich war damals 13 Jahre alt, aber ich glaube, sie haben gemerkt, dass in mir ein Feuer brennt. Ich habe dann 350 Mark ausgegeben. Mein komplettes Erspartes.
Ihre Karriere hat in Wien begonnen?
Genau, hier sind meine Zauber-Wurzeln. Ich habe in den Jahren 06, 07 und 08 auch nur in Österreich gespielt und war hier bekannter als in Deutschland. Man mag mich hier und ich hatte auch nie Probleme mit dem Deutschen-Image.
Angeblich haben Sie auch Ihre Frau, mit der Sie drei Kinder haben, bei einem Zauberkongress kennengelernt. Was ist der Trick Ihrer 21 Jahre langen Ehe?
Darüber haben wir uns erst kürzlich Gedanken gemacht. Ich bin 43, da sind 21 Jahre, die man mit einem Menschen verbringt, schon sehr lange. Wenn man die ersten Jahre, die man ja praktisch vergisst und in denen man geprägt wird, abzieht, ist das mehr als mein halbes Leben. Abgesehen davon, dass ich großes Glück hatte, den Menschen, mit dem ich auch heute noch glücklich zusammenlebe, so früh kennenzulernen, ist ein Grund für unsere lange Ehe tatsächlich, dass sich meine Frau in der Zauberei auskennt.
Weil Sie beide sich austauschen können?
Das auch, aber wissen Sie, es ist nicht immer einfach. Als Zauberkünstler wird man ständig gefragt: „Wie machst du das?“ Das Problem ist aber, dass man nichts erzählen darf und das Spannendste, die Technik, wie die Dinge funktionieren, zurückhalten muss. Viele finden das ja doof und sagen: „Ach, du Geheimniskrämer. Das finde ich blöd, dass du das nicht erzählst.“ Aber wenn man jemanden trifft, der das versteht und dieselben Geheimnisse hat wie du, verbindet das unglaublich. Ich glaube, das ist unser Trick. Wir teilen unsere Geheimnisse.
Haben Sie damals Ihre Frau verzaubert oder war es umgekehrt?
Es war beidseitig. Ab dem ersten Blick gab es keine Fragen mehr.
Das klingt magisch. Sie hatten mit der Zauberei Erfolg auf allen Linien. Hätten Sie sich das je gedacht?
Solche Gedanken hatte ich eigentlich nie. Ich halte viel davon, ein Ziel zu haben, aber das ist immer nur ’ne Marschrichtung. Man darf nicht alles davon abhängig machen. Ich habe mich nicht hingehockt und gesagt, „ich werde Zauberer und Unterhalter im Bereich Körpersprache und ordne dem alles andere unter“. Es hat mich einfach selbst gereizt.
Und deshalb funktioniert es.
Ich habe mal ein Interview mit dem Musiker Sting gelesen, indem er gefragt wurde, warum bei ihm jede Platte anders klingt, aber man dennoch seine Handschrift heraushört und er erfolgreich ist. Er wusste keine Antwort, außer, dass man davon ausgehen könne, dass das, was einen selbst begeistert, auch anderen gefällt. Ich denke, bei mir ist es auch so.
Trotzdem haben Sie sich 2001 mehr der Körpersprach- als der Zauberkunst zugewandt. Weil der Beruf aus der Mode gekommen ist?
Leider ist er aus der Mode gekommen. Es gibt einen berühmten Mentalisten namens Max Maven und ich hatte das große Vergnügen, mit ihm in Tokio zeitgleich bei einer TV-Show eingeladen zu sein. In Mentalistenkreisen ist er eine ganz große Nummer. Ich war total glücklich, mich hinter der Bühne mit ihm auszutauschen. Da haben wir auch besprochen, warum Zauberei und Mentalmagie ein bissl in Verruf gekommen sind.
Zu welchem Ergebnis kamen Sie?
Ein Beispiel. Kürzlich habe ich die Serie „Big Bang Theorie“ gesehen, die ich sehr gerne mag. Da zaubert einer der Charaktere und wird immer auf die Schippe genommen. Auch in „How I Met Your Mother“. Derjenige, der zaubert, fragt seine Freunde, ob sie einen Trick sehen wollen. Und alle schreien: „Nein!“ ...
Lesen Sie bitte in der freizeit: Was der TV-Magier über seine Tricks verrät, wie er Körpersprache deutet und was er ijn Zukunft machen möchte. Ab heute im Kurier am Samstag in Ihrer Trafik.
Thorsten Havener, 43, wurde 1972 in Saarbrücken geboren. Als 13-Jähriger entdeckte er nach dem Tod seines Bruders, der bei einem Fallschirmunglück ums Leben gekommen war, in dessen Nachlass Zauberutensilien und begann, sich für Magie zu interessieren. Nach seinem Diplom-Übersetzer-Studium für Französisch und Englisch widmete er sich immer mehr der Zauberei und später der Deutung von Körpersprache. Seine Karriere im TV startete Havener bei SAT.1 mit der Sendung „Der Gedankenleser“. Er hatte auch eine Abendshow bei RTL und tritt mit seinen Bühnenshows weltweit auf. Havener ist auch Bestsellerautor und hat vier Bücher veröffentlicht. Er ist seit 21 Jahren verheiratet und hat drei Kinder. Seine Frau hat er bei einem Zauberkongress kennengelernt.
Kommentare