Der große Prinz
War es Sabotage? Eine technische Panne? Oder wurde der aus alter französischer Adelsfamilie stammende Flugpionier Antoine de Saint-Exupéry in den Morgenstunden des 31. Juli 1944 gar hinterhältig abgeschossen? Zahlreiche Legenden und Rätsel ranken sich um den letzten Flug jenes Literaten, der wie kaum ein anderer einzig wegen eines Textes Unsterblichkeit erlangt hat – als Vater einer blonden, strubbeligen Fantasiefigur. „Der kleine Prinz“, das Plädoyer für mehr Menschlichkeit und Sensibilität, weckt Assoziationen, die an einen Märchenonkel erinnern. Dabei hat der am 29. Juni 1900 in Lyon geborene Mann mit dem biederen Äußeren nie verleugnet, dass in ihm das Herz eines Hasardeurs schlägt. „Ich habe in diesem Abenteuer mein Leben aufs Spiel gesetzt, Leib und Leben“, schrieb „Saint-Ex“, wie ihn Freunde und Kollegen nannten, 1942 in seinem autobiografischen Roman „Flug nach Arras“. Und weiter: „Ich habe alles gesetzt, in diesem Spiel, in dem man nur verlieren kann. Ich habe alles gegeben, was mir im Rahmen der Spielregeln möglich war.“ Spielregeln? An die wollte sich der Herr der Lüfte nie halten. Nicht, als er Mitte der 1930er-Jahre nach einer Amerikaüberquerung samt Flugrekord und finaler Bruchlandung eigentlich schon fast ein Fall für den Friedhof war. Auch nicht, als er ein paar Jahre zuvor in Buenos Aires mit Consuelo Suncin Sandoval de Gómez eine verführerisch schöne Malerin und Bildhauerin aus El Salvador mit an Bord nahm. „Wir flogen über Ebenen und Wasser. Mein Magen protestierte. Plötzlich stellte er den Motor ab“, schrieb die Künstlerin Jahrzehnte später in „Die Rose des kleinen Prinzen – Erinnerungen an eine unsterbliche Liebe“. Er forderte: „Küssen Sie mich oder ich lasse die Maschine abstürzen.“
Gegen Antoine de Saint-Exupérys außergewöhnliche Liebesavancen erwies sich auch die Tochter eines Kaffeeplantagen-Besitzers machtlos. Zum Glück. Denn offenbar war es Consuelo, die das Raubein zu seinem posthumen Bestseller „Der kleine Prinz“ angeregt hat. Zuvor hatte er sich lediglich durch philosophische Abenteuerberichte über seine Erlebnisse als Berufspilot in Afrika, Europa und Südamerika einen Namen gemacht. Manche Beobachter fantasierten sogar einen Freitod herbei, als der Held nach seinem letzten Start am 31. Juli 1944 lange als verschollen galt. Und es dauerte auch mehr als ein halbes Jahrhundert, bis einigermaßen geklärt werden sollte, was nun wirklich für den Absturz des von ihm gesteuerten Aufklärungsfluges mit einer Lockheed F-5 verantwortlich gewesen war. Erst im Jahr 2000 wurden Überreste seines Flugzeugs nahe Marseille am Grund des Mittelmeeres geortet. Und erst vor sechs Jahren wurde bekannt, dass es mit Horst Rippert ein späterer ZDF-Sportreporter – und der Bruder des Sängers Ivan Rebroff – gewesen sein soll, der an jenem verhängnisvollen Tag als deutscher Jagdflieger über der Küste Südfrankreichs den Schriftsteller abgeschossen hat.
Rechtzeitig zum 70. Todestag von Antoine de Saint-Exupéry wurde in Anwesenheit seiner Großneffen Mitte Juli nahe der deutsch-französischen Grenze, im Elsass, eine Pilgerstätte für Fans des Autors eröffnet: Der „Parc du Petit Prince“, der erste Themenpark zum „Kleinen Prinzen“. Auf dem 24 Hektar großen Gelände, etwa 15 Kilometer von Mulhouse und Colmar entfernt, hofft man für dieses Jahr noch auf 80.000 Besucher. Später sollen es sogar 150.00 Gäste pro Jahr werden. Die können auf den Spuren des furchtlosen Autors Fesselballons besteigen und sich Höhenflüge über der Landschaft der Vogesen und der Rheinebene genehmigen. Ebenfalls aus Anlass des nahenden Todestages der Legende ist ein Prachtband mit Zeitdokumenten aus dem Archiv der 1979 verstorbenen Witwe Consuelo de Saint-Exupéry erschienen. Neben Manuskriptseiten, privaten Fotos und Zeitungsausschnitten findet sich in „Antoine de Saint Exupéry. In Bildern & Dokumenten“ ein Bild von Consuelos Ehering mit der eingravierten Widmung „Antoine á Consuelo 1931“. Was man darin allerdings vergeblich sucht, ist der einzige persönliche Fund, der an der Absturzstelle der Lockheed F-5 vor der Küste von Marseille gemacht wurde: Ein schlichtes silbernes Armband mit der Gravur „Consuelo Suncin Sandoval de Gomez“.
• 1975 wurde der Asteroid 2578 nach Saint-Exupéry benannt.
• Seit 2000 trägt der Flughafen von Lyon den Namen des bekanntesten Sohnes der Stadt: „Aéroport Antoine de Saint-Exupéry“.
• In der letzten Banknotenserie des Franc vor der Euro-Einführung war ihm die 50-Francs-Note gewidmet.
• Am 12. Juli dieses Jahres wurde im Elsass der erste Themenpark zum „Kleinen Prinzen“ eröffnet, der „Parc du Petit Prince“ mit Fesselballons als Hauptattraktion.
• „Der kleine Prinz“ wurde bis heute in über 180 Sprachen und Dialekte übersetzt.
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