Ansichten eines Clowns
Glanz und Glitzer, Sägespäne, fantastische Kostüme und bunte Wohnwagen, Tiere, Tricks und Attraktionen – Zirkus, der Zauber früher Kindertage. Untrennbar verbunden mit dieser farbenfrohen großen Welt, die immer nur kurz in unserer kleinen zu Gast ist, sind seit jeher ihre komischen und manchmal auch melancholischen Helden: die Clowns.
Auch Martha Laschkolnig, eine junge österreichische Clownin, die für ihr Programm „Die Martha im Koffer“ im vergangenen Jahr den renommierten internationalen „Stella Award“ verliehen bekam, konnte sich dieser Faszination nicht entziehen. „Obwohl ich eigentlich Luftakrobatin werden wollte“, sagt sie und lacht. Wieso sie dann doch ein Clown geworden ist? Das hat sich nach und nach ergeben. Schon als Kind, das sich oft zu wenig ernst genommen fühlte, begann sie, wichtige Wahrheiten, die sie vermitteln wollte, in einen schrägen Rahmen zu verpacken. So diente ihr früh das Ungewöhnliche, Skurrile, oft auch Komische, als Verkleidung für die ernste Botschaft. „Das ist es doch, worum es in unserem Beruf geht: Ernsthaftigkeit“, sagt Laschkolnig und fügt hinzu: „Ich glaube auch, dass man einen Clown nicht ,spielen’ kann wie ein Schauspieler. Man muss ein Clown sein.“
Und es ist genau diese „verkleidete Wahrheit“,die schon der antike römische Centunculus, den viele als den Urvater aller Clowns sehen, seinen Mitbürgern, aber auch der strengen Obrigkeit, wie einen Zerrspiegel vorhielt. So wie der im Mittelalter in prachtvollen Schlössern und Burgen unvermeidliche Hofnarr.Als Begründer der neuzeitlichen Clownerie gilt gemeinhin der britische Komödiant und Tanzmeister Joseph Grimaldi. Mit weiß geschminktem Gesicht und grellrot bemalten Lippen begeisterte er vor 200 Jahren die Besucher in Londoner Theatern. Seine Vorbilder fand er in der italienischen Commedia dell’Arte. Vor allem in der grellen Figur des Arlecchino, der auch, gemeinsam mit dem blassen Pierrot, das Clown-Gespann inspirierte, das unser Bild vom Zirkus-Clown noch heute prägt: den tollpatschigen „dummen August“ und seinen eitlen, mitunter auch etwas melancholischen Gegenspieler, den „Weißclown“ (siehe „Lachende Legenden“). Der Spanier Charlie Rivel, vielleicht der berühmteste Clown des 20. Jahrhunderts, benötigte allerdings keine Partner mehr. Seine Gestalt in dem langen roten Schlauchkleid vereinte das Tollpatschige mit der Grazie, das Scheitern mit der Poesie, das Komische mit dem Tragischen. Tragisch war allerdings auch die Fehleinschätzung des Charlie-Chaplin-Freundes, was die Situation im Deutschland der 1930er-Jahren betraf. Wie sein kaum weniger bekannter Schweizer Kollege Grock blieb Rivel lange Zeit ein großer Bewunderer Adolf Hitlers ...
Bleibt für Clowns heute, in einer Welt der Jackass-Videos und schlüpfrigen Comedians, die mit Wirtshaus-Witzen ganze Hallen füllen, überhaupt noch Platz? Artisten wie Martha Laschkolnig oder Laura Herts, Gromic und der mittlerweile bereits legendäre Jango Edwards (siehe „Clown in der Kulisse“) lassen durchaus hoffen, dass auch außerhalb der immer weniger werdenden Zirkusse etwas von dem Zauber erhalten bleibt. Zu hoffen wäre es, denn was die Clowns für uns tun, begleitet uns seit Jahrtausenden, vielleicht ist es überhaupt so alt wie die Menschheit – es verändert nur seine Form. Sie stellen unverrückbar geglaubte Regeln auf den Kopf, zeigen uns ein scheinbar verzerrtes, anarchisches Bild der Wirklichkeit, das, um Schminke, skurrile Requisiten und übertriebene Theatralik reduziert, oft gar nicht so weit von unserer Realität entfernt ist. Gerade durch ihr Scheitern bringen sie uns zum Lachen. Und sollten uns hin und wieder auch zumNachdenken bringen. „Das Scheitern ist immanent. Und selbst wenn wir schließlich Erfolg haben, so sind es doch so kleine und scheinbar völlig unwichtige Dinge, die wir unter großen Mühen erreichen“, erklärt die österreichische Clownin Martha Laschkolnig. Sie hat Malerei studiert, entwirft Kostüme und Requisiten ausnahmslos selbst, ihr Künstlername heißt Martha Labil. Ihre Szenen entwickelt sie aus der Beobachtung kleiner, scheinbar nebensächlicher Dinge, die für sie zu Bildern werden – keine Geste ist Selbstzweck oder Show, jede noch so merkwürdige oder eben „komische“ Bewegung entsteht aus einer situationsbedingten Notwendigkeit. So werden Laschkolnigs poetischen Performances zu Recht oft mit den großen Stummfilmhelden Charlie Chaplin und Buster Keaton verglichen. Die gelten in den USA übrigens ganz offiziell als Clowns – nur dass sie sich eben ein anderes Medium als Bühne suchten. Auch Oleg Popov, den berühmtesten noch aktiven Clown der alten Garde, galt und gilt Charlie Chaplin als größtes Vorbild. Und wie alle guten Komiker schien auch die beiden stets etwas zu bedrücken. „Charlie Chaplin war immer schon ein Clown. Unschuldig. Poetisch. Von großer Ernsthaftigkeit“, sagt Laschkolnig.Vielleicht ist es ja diese von ihr betonte Ernsthaftigkeit, die die wirklich großen unter den Clowns immer ein wenig melancholisch wirken lässt. Weil sie wissen, dass nur sehr wenige der lachenden, kreischenden und klatschenden Menschen im Publikum sie erkennen werden. Und vielleicht ist es gerade diese Last, trotz der sie Luftsprünge machen, Kapriolen schlagen und immer wieder aufstehen, nachdem sie auf die Nase gefallen sind, ein Teil ihrer Magie.
Stanley Ted Edwards – muss man ihn überhaupt noch vorstellen? Als Jango Edwards revolutionierte der Mann aus Detroit vor 35 Jahren die gesamte Clown-Szene. Ein Rockstar unter den Clowns, köperbetont, mit viel Musik und einem anarchisch-dadaistischen Redeschwall. Mittlerweile auch schon 63 – aber kein bisschen leise. Weitere Highlights im dichten, zehntägigen Programm sind der Belgier Gromic, mit seinem Programm zwischen Poesie und Hinterlist, die spanische femme fatal Cristi Garbo, und die amerikanische Parade-Komikerin Laura Herts. Das gesamte Programm finden Sie unter www.kulisse.at
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