Als Kurz noch Staatssekretär war: "Der Wähler soll entscheiden"

Als Kurz noch Staatssekretär war:  "Der Wähler soll entscheiden"
Schon 2013 kannte Sebastian Kurz die Höhen und Tiefen seines Berufs: Der Jung-Politiker im privaten Interview.

Sie sind seit 21. April 2011 Staatssekretär für Integration. Haben Sie sich daran gewöhnt, mit Herr Staatssekretär angesprochen zu werden?

Am liebsten ist es mir immer noch, wenn ich mit meinem Vornamen angesprochen werde. Und das tun auch die meisten.

Sie waren damals 25, viele haben Ihnen den Job nicht zugetraut. Was ist Ihnen aus dieser schwierigen Zeit besonders stark in Erinnerung geblieben?

Als ich einige Wochen im Amt war, gab es immer wieder Anfragen nach Meinungsumfragen über die neuen Regierungsmitglieder. Mein Büro hat das immer verneint, aber ich habe dann in der  Zeitung eine Meinungsumfrage gesehen. Danach wusste ich, warum mir niemand davon erzählt hatte. Es gab einige Minister mit einem kleinen Balken im Plus, manche standen auf der Nulllinie, dann kamen die mit einem Minusbalken. Minister Darabos, der damals noch im Amt war, hatte einen langen Balken nach unten. Rechts davon war ich mit einem noch längeren Balken, der einen Pfeil dazwischen hatte. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, bis mir klar wurde, dass der Pfeil eine Unterbrechung war. Die Seite der Zeitung war nicht lange genug, um den Negativausschlag zu zeigen.

Was hat Ihnen damals geholfen?

Ein guter Freund hat mich in der Zeit der medialen Vernichtung angerufen und hat gesagt: „Schau nicht zu viel auf die Berichterstattung. Wichtig ist, dass du machst, was du für richtig erachtest.“ Als ich dann in den Rankings erstmals gut abgeschnitten habe, rief er wieder an und meinte: „Was ich dir damals gesagt habe, gilt nach wie vor.“ Das hat es ziemlich gut auf den Punkt gebracht.

Mittlerweile sind Sie zur Nachwuchshoffnung der ÖVP aufgestiegen. Setzt Sie das nicht unter Druck?

Ich halte nicht viel von solchen Begrifflichkeiten. Ich verstehe, dass die Medien das schreiben müssen, aber das ist ein bisschen ein gekünstelter Drang. Wenn jemand, was falsch macht, gilt er gleich als Versager und rücktrittsreif. Sobald jemand halbwegs was zusammenbringt, ist er gleich ein Star und großartig. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Ich habe mich am Anfang nicht als Idiot gesehen, fühle mich jetzt aber auch nicht als großartig.

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Der damalige Integrations-Staatssekretär Sebastian Kurz, 26, im Gespräch mit Barbara Reiter

Sie haben immer eine gute Antwort parat und werden als guter Rhetoriker gelobt. Von wem haben Sie das gelernt?

Von niemandem. Ich habe Reden nie als Selbstzweck empfunden und habe einfach früh begonnen, mich in einer politischen Jugendorganisation zu engagieren. Mein Ziel war es, mich vom Zeitungsleser-Politikkonsumenten zu jemandem zu entwickeln, der mitreden und vielleicht mitgestalten kann. Ich war auf vielen Veranstaltungen und habe viele Diskussionen miterlebt. So hat sich das ergeben.

Hat sich Ihr rhetorisches Talent schon in der Kindheit bemerkbar gemacht?

Ich weiß ja gar nicht, ob ich da überhaupt eine spezielle Begabung habe. In der Schule habe ich mir Gott sei Dank immer leicht getan und ich habe mich schon früh für Politik interessiert. Aber es war nicht so wie bei Alfred Gusenbauer, dass ich schon in der Sandkiste den Wunsch gehabt hätte, Bundeskanzler zu werden.

Sie wurden als Teenager politisch aktiv.  Wie hat alles begonnen?

Ich habe mit 16 den Obmann der jungen ÖVP in meinem Heimatbezirk angerufen. Der war sehr überrascht, dass sich da überhaupt jemand meldet. Man muss dazu sagen, dass Meidling eher ein Arbeiterbezirk ist, in dem die ÖVP sehr schwach ist und keine große Struktur hat. Der Obmann meinte, eine Mitarbeit sei wegen der seltenen Treffen sehr schwierig. Außerdem sei die Gruppe klein und alle seien älter als ich. Ich solle mich in einigen Jahren wieder melden. Damals dachte ich mir: „Das ist ein komischer Verein. Die Politik ist doch nichts für mich“, und habe mich wieder auf die Schule, lustige Abende und Tennisspielen fokussiert.

Wie ging es weiter?

Ich habe mir ein halbes Jahr später einen anderen Bezirk angeschaut und bin dort hängen geblieben. Seit damals kämpfe ich für die Öffnung des politischen Systems, weil es für mich nicht ganz leicht war, Fuß zu fassen. Man erbt das Parteibuch heute nicht mehr von den Eltern. Die Möglichkeiten mitzumachen, müssen vielfältig sein. Ich bin mir sicher, dann interessieren sich auch wieder mehr Menschen für Politik.

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Am 29. September sind Nationalratswahlen. In einem Interview mit der "Zeit" haben Sie gesagt, dass sie nicht wüssten, was Sie im Herbst machen würden. Stehen Sie zu der Aussage?

Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe viel Respekt vor dem Wähler. Er soll entscheiden, dann wird man sehen, welche Koalition es in Österreich gibt. Es ist sehr erfüllend im politischen Bereich zu arbeiten. Mir würde es aber auch Freude machen, etwas Privatwirtschaftliches zu machen oder nach Amerika zu gehen.

Steht das Bild des Flatiron Buildings in New York , das hinter Ihnen an der Wand hängt, für diesen Wunsch?

Die Wände waren sehr weiß, als wir ins Büro gekommen sind. Dann mussten wir uns schnell für das ein oder andere Bild entscheiden. Bei Ikea waren damals New York und London im Angebot. Deshalb hängen die Bilder hier.

Viele Politiker haben in ihren Büros Werke bekannter Künstler hängen. Warten Sie da noch zu?

Wir sind eine junge Truppe. Da passt Ikea ganz gut. Mir ist das aber generell nicht so wichtig. Ich brauche einen großen Tisch, an dem ich mit vielen Leuten zusammen sitzen und unsere Themen diskutieren kann. Der ist da. Somit bin ich wunschlos glücklich.

Weil Sie gerade vom Diskutieren sprechen: Stört es Sie, dass in der Öffentlichkeit nicht nur Ihre politische Arbeit, sondern auch Ihr Aussehen wie zum Beispiel Ihre Frisur besprochen wird?

Ich nehme es zur Kenntnis. Ob jemand meine Haare kommentiert, kann ich nicht beeinflussen. Freude habe ich keine damit. Der Job eines Politikers ist auch nicht die „High Society“. Er soll einfach seinen Job machen und das möglichst gut. Wenn mich jemand inhaltlich gut findet, soll er mich unterstützen und sonst nicht. Das ist eigentlich der Grundgedanke der Demokratie.

 

Hinweis: Das Interview wurde im Sommer 2013 für den Freizeit-Kurier geführt.

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