Baubranche: Außerhalb der Norm

Baubranche: Außerhalb der Norm
Ein aktuelles Forschungsprojekt zeigt, dass Bauen mit Hausverstand und durch sinnvolles Abweichen von Normen einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Baukosten liefern kann. Wie das gelingt.

Normen sorgen für Standards im Bauwesen und für sichere Gebäude. In den letzten Jahren haben diese aber zahlenmäßig derart zugenommen, dass sich das auch auf die Baukosten ausgewirkt hat. Zudem werden durch übertriebene Normenzwänge Innovationen am Bau erschwert. Prinzipiell gibt es ja genug technischen Spielraum für Innovationen oder verschiedene Möglichkeiten, ein Gebäude zu bauen. In der Regel halten Planer und Baufirmen aber in der Praxis an – teilweise auch veralteten – Lösungen fest, bloß um der Norm zu entsprechen und sich damit gegen eventuelle spätere Haftungsansprüche abzusichern. Denn sollte letztlich ein Schaden entstehen und Normen wurden nicht eingehalten, macht man sich rechtlich angreifbarer. Gleichwertige, innovative und sogar kostengünstigere Ausführungsalternativen können dadurch erst gar nicht in Betracht gezogen werden.

Wir müssen anfangen, den Weg für Innovationen auf zubereiten und das Wissen aus der Baupraxis für unsere Auftraggeber nutzbar zu machen.

von Anton Rieder, Initiator des Forschungsprojektes

Neue Wege

Um dem entgegenzuwirken, wurde in einem Forschungsprojekt im Auftrag des österreichischen Baugewerbes untersucht, inwieweit von kostenintensiven und innovationshemmenden Vorschriften abgewichen werden und dabei gleichzeitig eine vergleichbare Qualität in der Umsetzung von Bauprojekten erreicht werden kann. Weiters wurde analysiert, welche gesetzlichen Maßnahmen hierzu notwendig wären. Ziel dieses Projektes war es, einen Rahmen zu schaffen, damit Bauunternehmen und Planende nach innovativen Lösungen suchen und diese auch ohne überproportionales Risiko umsetzen können. 

Vorbild für diesen Rahmen ist der sogenannte Gebäudetyp E, der in Deutschland bereits gelebte Praxis ist und entsprechende Freiräume für Bauherrn und Bauschaffende öffnet. „Wir müssen anfangen, den Weg für Innovationen aufzubereiten und das Wissen aus der Baupraxis für unsere Auftraggeber nutzbar zu machen“, so Anton Rieder, Bundesinnungsmeister-Stellvertreter und Initiator des Forschungsprojektes. „Die aktuelle Rechtslage erweist sich allerdings als Bremser und verhindert kostengünstigere Lösungen. Wir wollen den Bauherren motivieren, neue Wege zu gehen und ihm den rechtlichen Rahmen geben, die technischen Möglichkeiten der ausführenden Bauwirtschaft auszuschöpfen.“ 

Baubranche: Außerhalb der Norm

Fordern Gebäudetyp E wie in Deutschland (v. l. n. r.): Bmstr. DI Dr. Daniel Deutschmann (Heid&Partner
Rechtsanwälte), Bmstr. DI Anton Rieder (Bundesinnungsmeister-Stellvertreter und Initiator des
Forschungsprojektes), Arch. DI Guido Strohecker (Kammer der Ziviltechniker*innen), Ass. Prof. Bmstr. DI Dr. Georg
Fröch (Universität Innsbruck; Arbeitsbereich Baumanagement, Baubetrieb und Tunnelbau)

Bei der Ausarbeitung hat sich gezeigt, dass Kosteneinsparungen relativ leicht möglich sind, ohne dabei das übliche Sicherheitsniveau für die Nutzer zu beeinträchtigen.

von Georg Fröch, Assistenz-Professor an der Universität Innsbruck

Georg Fröch, Assistenz-Professor an der Universität Innsbruck, hat im Zuge des Projektes mehrere Beispiele ausgearbeitet, die aufzeigen, wie man durch sinnvolles Abweichen von Normen eine ausreichende Qualität, aber mit geringeren Kosten als mit den Standard-Anforderungen, erreichen kann. Fröchs Resümee: „Bei der Ausarbeitung der Beispiele hat sich gezeigt, dass bei relevanten Abweichungen von normativen Anforderungen Kosteneinsparungen relativ leicht möglich sind, ohne dabei das übliche Sicherheitsniveau für die Nutzer zu beeinträchtigen. Es geht um die Nutzung von Sicherheitspuffern, die Fokussierung auf den Zweck eines Bauteiles bzw. um die Rücknahme von Komfortstandards auf Wunsch des Bauherrn. Dabei können Kosten eingespart werden, ohne gleichzeitig die geltenden Sicherheitsstandards zu verlassen.“ Praxisbeispiele zeigen das Einsparpotenzial sowohl bei den Kosten als auch beim CO2-Verbrauch.

Startschuss

Zivilrechtlich wird für das ABGB und andere Gesetze, die für Verträge über Gebäude oder Gebäudeteile gelten (Bauwerkverträge, Kaufverträge, Mietverträge, etc), folgende Bestimmung empfohlen: „Eine Vereinbarung, dass bei Gebäuden oder Gebäudeteilen bautechnische Normen oder Richtlinien nicht eingehalten sein müssen, ist mit der Einschränkung gültig, dass zumindest die zwingenden baurechtlichen Bestimmungen und behördlichen Anordnungen eingehalten sein müssen.“ 

Anton Rieder abschließend: „Wir wollen als Unternehmer wieder mutig sein, Eigenverantwortung fördern und gemeinsam mit den Bauherrn neue Wege in der Bauausführung gehen. Dazu brauchen wir aber die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen. In Summe sollen unsere Bemühungen dazu führen, die Baukosten nachhaltig zu senken, damit einen Beitrag in Richtung leistbares Wohnen und Arbeiten zu leisten und darüber hinaus den CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Wir fordern – in Anlehnung an den neuen Gebäudetyp E in Deutschland – einen Gebäudetyp E3, der für mögliche Normenabweichungen in Österreich stehen soll.“ Insgesamt ist dieses Projekt der Startschuss von weiteren Projekten des Baugewerbes, die zeigen sollen, dass Bauen mit Hausverstand ohne unnötige Normenzwänge einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Baukosten liefern kann. Diese Projekte sind in Ausarbeitung und deren Ergebnisse werden in den nächsten Monaten präsentiert.

zukunft-bau.at