Wie viel Zins kann sich eine hoch verschuldete Welt leisten?

Bernhard Tollay, Geschäftsführer der Metis Invest GmbH, ein Unternehmen der Merkur Gruppe
Der „neutrale Zins“ ist jener Zinssatz, bei dem die Geldpolitik die Wirtschaftsaktivität weder stimuliert noch bremst.

Nachdem in den letzten Jahren eher der Null- bzw. Negativzins dominierte und sich die Notenbanken mal mehr, mal weniger im Krisenmodus eher über die Ausweitung von Ankaufprogrammen den Kopf zerbrochen haben, tauchen wir gerade mit großen Schritten in eine neue, für viele unbekannte Phase ein. Kaum jemand hatte eine Zinsnormalisierung vor 1-2 Jahren noch auf der Agenda, bis dahin galt das „Japan“-Szenario mit Zinsraten von maximal 0 %.

Mit stetig steigenden Inflationsraten, die nun in Europa wie auch in den USA die 8 % erreicht haben und wo selbst die Kernrate in Europa mit 3,8 % deutlich über der langfristigen Zielinflation der EZB liegt, stellt sich für die Notenbanken die Frage des neutralen langfristigen Zins. Wie viel Zins können sich Staaten eigentlich leisten? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, brachten doch die Lockdowns mit den notwendigen Hilfsmaßnahmen die bereits hoch verschuldeten Länder abermals unter Druck, ihre Staatsbudgets auszuweiten. Aus diesem Grund sind stark ansteigende Zinsen schwer vorstellbar.

Andererseits hat sich der niedrige Zinssatz in den Staatsbudgets verankert. Die Eurozone hatte trotz Rekordverschuldung noch nie so niedrige Zinszahlungen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Und so mancher fragt sich, warum dieses vorteilhafte Zinsumfeld der letzten Jahre, in dem Investoren den Ländern und Regierungen mit negativen Verzinsungen Geld schenkten oder sogar für das geborgte Geld noch zahlten, nicht besser genutzt wurde. Denn eines ist sicher: das Null- und Negativzinsumfeld wird so schnell nicht mehr wiederkommen.

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