Wahrlich historisch
Es ist schon ein paar Jahre her, dass Çatalhöyük eine Metropole seiner Zeit war. Die neolithische Siedlung, in der in ihrer Blütezeit bis zu 8.000 Menschen lebten, bestand etwa von 7.500 bis 6.000 v. Chr. und gilt als eine der ältesten dauerhaft bewohnten Orte der Welt. Die Ruinen der Großsiedlung, 1958 entdeckt, befinden sich rund 50 Kilometer außerhalb der türkischen Stadt Konya. Seit 2009 UNESCO-Weltkulturerbe, kommen Jahr für Jahr zahlreiche Besucher hierher, um einen Eindruck von Jahrtausende alter Kunst und Kultur, von steinzeitlichem Lebensstil, Wirtschaft und gesellschaftlichen Aspekten zu erhalten.
Nun hat Çatalhöyük einen adäquaten Rahmen erhalten. Ein neues Informations- und Besucherzentrum, entworfen von Teğet mit Sitz in Istanbul, bietet ab sofort auf einer Fläche von 28.500 Quadratmetern einen umfassenden Einblick in die historische Stätte. Das Zentrum ist ein "symbolisches Tor zu einer Welt voller archäologischer Wunder und kultureller Bedeutung", wie es offiziell heißt. Ein nachhaltiges Tor, möchte man ergänzen, wurde es doch großteils aus Holz gebaut. Es stellt damit das bis dato bedeutendste öffentliche Holz-Bauprojekt der Türkei dar.
Drei-Eck
Das Besucherzentrum besteht aus drei Holzgebäuden, die um einen dreieckigen Vorplatz angeordnet wurden. Laut dem Architekturbüro spiegelt diese Form die Anordnung der alten Siedlung wider. "Der zentrale Platz ist das Herzstück des Projekts. Er verbindet die drei Häuser miteinander", so Teğet.
Über das größte Gebäude betreten Besucher das Zentrum. Das Design der U-förmigen Ausstellungshalle, in der sich zudem Büros, Shops und die Verwaltung befinden, wurde an das Ausgrabungshaus der Archäologen angepasst, das gegenüber des Besucherzentrums liegt.
Haus Nummer zwei ist ein Multifunktionsgebäude mit Platz für 100 Personen, in dem nationale und internationale Vorträge, Veranstaltungen und Workshops stattfinden können. Am östlichen Ende des Platzes schließlich befindet sich ein Café inklusive Terrasse. Über diesem erhebt sich ein 22 Meter hoher Holzturm, der den Besuchern einen Blick auf die beiden archäologischen Hügel der antiken Siedlung und die angrenzenden Ebenen ermöglicht.
Mit Leichtigkeit
Großflächige, raumhohe Fachwerkfenster ermöglichen natürliches Licht im Inneren der Gebäude. Fenster, die sich fast über die gesamte Länge der Fassaden erstrecken. Überhängende Dächer sorgen für Beschattung – auch auf den rundum sowie am Vorplatz verlaufenden Terrassen. Zwei davon führen an den Gebäuden vorbei und werden in weiterer Folge zu Brücken, die Besucher zu den Ausgrabungsstätten auf den beiden Hügeln von Çatalhöyük bringen.
Um Schäden auf dem Boden der historischen Stätte so gering wie möglich zu halten, wurde das Informations- und Besucherzentrum auf einer Reihe von Betonpfeilern errichtet. Im Zusammenspiel mit der Holzbauweise verleiht dies dem Projekt eine Leichtigkeit, die das Architekturbüro als bewussten Gegensatz zum kulturellen Gewicht von Çatalhöyük implementieren wollte.
Auch harmoniere das Holz mit der Weite und Ruhe der anatolischen Landschaft, hebe sich jedoch gleichzeitig von den Gebäuden der antiken Siedlung ab, so Teğet. "In einer Gegend, in der lokale Materialien Lehmziegel sind, konkurrieren Struktur und Material nicht mit dem Vorhandenen. Sie ahmen es auch nicht nach. Stattdessen bilden sie einen subtilen Kontrast zur Umgebung."
Für die Terrassen, Gärten, Brücken und den zentralen Innenhof wurden ebenfalls Materialien, Texturen und Pflanzen ausgewählt, die in Harmonie mit der Umgebung stehen. Dementsprechend fällt das Fazit von Teğet über das Projekt aus: "Während die Struktur im Norden einen kraftvollen Eindruck beim Eintritt hinterlässt, erwächst Richtung Süden eine zarte, leise Beziehung zwischen den Besuchern und dem antiken Gefüge von Çatalhöyük."
Text: Michi Reichelt Bilder: Egemen Karakaya
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