Viel Holz und Vielfalt bei den Prix Versailles 2020

Luftaufnahme des Salesforce Transit Center Parks in San Francisco.
Die Konzepte, Designs und architektonischen Umsetzungen bei den Preisträgern der Prix Versailles 2020 könnten gar nicht unterschiedlicher sein. Aber es gibt ein dominierendes Thema: Holz. Die Award-Liste enthält Projekte unter anderem von Snøhetta, Kengo Kuma, BIG, Cobe, Bertil Harström oder Fox Browne Creative.

Der Andrang war, wie schon letztes Jahr enorm: lediglich etwa ein Prozent der Projekte, die gesichtet wurden, blieben im Finale des renommierten Prix Versailles 2020 über, nämlich 94. Diese verteilen sich auf 38 Nationen, aus denen die Architekturbüros stammen und/oder die Vorhaben stehen.

Ebenso international ist die Jury zusammengesetzt: Ihr gehörten für die Prix Versailles 2020 der ehemalige stellvertretende UNESCO-Generaldirektor für Kultur, Francesco Bandarin, an sowie David Adjaye, der mit seinem Abrahamic Family House zum Weltfrieden beitragen will. Daneben Regisseur Baltasar Kormákur und die Ballettänzerin Alina Cojocaru. Als weitere Architekten Lu Wenyu und Thom Mayne sowie die Haubenköchin Anne-Sophie Pic und Drehbuchautor Trần Anh Hùng.

Luftaufnahme des sternförmigen Terminals des Flughafens Peking-Daxing.
Wurde Ende 2019 eröffnet: Der Daxing Airport nahe bei Peking. Hier aus der Vogelperspektive.

Prix Versailles 2020: Nachhaltigkeit ist Trumpf

Jérôme Gouadain, Generalsekretär des Prix Versailles, betonte bei der Bekanntgabe der globalen Architektur- sowie Innen- und Außen-Design-„Champions”, dass alle prämierten Projekte sich der Nachhaltigkeit verschrieben hätten.

Die Kategorien des Prix Versailles reichen von Flughäfen und Personenbahnhöfe über Campus und Sportstätten, Geschäfte & Läden sowie Einkaufszentren und Hotels plus Restaurants. „Auch alltägliche Orte und sogar Infrastruktur-Bauten können Quellen der Wertschöpfung sein, im Sinne einer Orientierung an sozialen, kulturellen und ökologischen Standards”, betont Gouadain. Basierend darauf wolle man stilistische Exzellenz und Vielfalt fördern.

Krake oder Phönix?

Hier stellen wir einige der frisch gekürten Projekte vor. In der Kategorie Flughäfen war der klare Favorit der Peking Daxing Airport von Zaha Hadid Architekten. Ob der Riesen-Flughafen von oben betrachtet eher einer Krake oder einem Phönix gleicht – darüber scheiden sich die Geister.

Die Form ist jedenfalls in erster Linie funktional. Sie soll gewährleisten, dass kein Passagier auf seinem Weg zum Abheben mehr als 600 Meter zurücklegen muss. Der Flughafen soll aber nicht nur der Beförderung von Fluggästen dienen, sondern vor allem auch als Umschlagplatz für Fracht in der Größenordnung von bis zu vier Millionen Tonnen pro Jahr.

Die Fassade eines modernen Bürogebäudes mit vertikalen, perforierten Elementen.
Außen spielte das Hassell Studio mit verschiedenen Texturen.
Das Life Sciences Gebäude von Hassell, umgeben von Bäumen und Grünflächen.
Die Naturnähe – mit dem riesengroßen Garten – setzt sich im Inneren fort.

Naturnähe am Campus

In der Kategorie Campus entschied die Jury eindeutig für das „Life Sciences Building" an der Universität Melbourne in Australien des Hassell Studio. Neu ist, dass die Fakultäten der Unis für Veterinär- und Agrarwissenschaften, Medizin, Zahnmedizin und Gesundheits- sowie Naturwissenschaften die Nass- und Trockenlabore sowie weitere Lernbereiche gemeinsam nutzen.

Dem historischen Systemgarten wurde größere Bedeutung beigemessen. Viele seiner Gartenbeete wurden restauriert. Im Inneren setzt sich das Thema mit einem warmen, naturnahen Design fort. Dies zeigt sich unter anderem an den holzverkleideten Wänden und der geschwungenen, zentralen Holztreppe.

Das Isenberg School of Management Gebäude in Amherst, Massachusetts, USA, zeichnet sich durch seine markante Architektur aus.
Unverkennbare Handschrift von Bjarke Ingels: Der Erweiterungsbau der Isenberg School of Management in Massachusetts.

Umfallende Dominosteine

Den Spezialpreis Exterior Design in der Kategorie Campus heimsten das Büro Goody Clancy in Kooperation mit der Bjarke Ingels Group (BIG) ein: Für die Isenberg School of Management / Business Innovation Hub der Universität of Massachusetts Amherst.

Luftaufnahme der Isenberg School of Management in Amherst, Massachusetts, USA.
Das Gesamt-Ensemble des Business Innovation Hub der Universität of Massachusetts Amherst.

BIG hat dabei den Erweiterungsbau fertiggestellt. Dessen schräg abfallende Wände erinnern an umfallende Dominosteine. Das Bostoner Büro Goody Clancy hat den Erweiterungsbau entworfen. Der 6.503 Quadratmeter große Business Innovation Hub ergänzt das ursprüngliche Isenberg-Gebäude aus dem Jahre 1964.

Das Salesforce Transit Center in San Francisco mit seiner markanten Fassade und einem Bus davor.
Salesforce Transit Center: 5,4 Hektar große öffentliche Parkfläche auf dem Dach.
Fußgänger überqueren eine Straße unter dem Salesforce Transit Center in San Francisco.
Das Gebäude ist im Inneren extrem lichtdurchflutet.

Ein schlauer Schlauch

Das Salesforce Transit Center in San Francisco vereint als länglicher Personen-Verkehrsknotenpunkt lokale, regionale und nationale Verkehrsnetze. Aber nicht irgendwie: Herzstück der langgezogenen Fläche ist der 5,4 Hektar große öffentliche Park auf dem Dach. Üppig bepflanzt bietet er Versammlungsräume, Ruheoasen, eine weitläufige Rasenfläche plus ein natürliches Amphitheater für 800 Personen. Mit mehr als 600 Bäumen und 16.000 Pflanzen bindet das Ökosystem jährlich 12 Tonnen Kohlenstoff.

Innen ist das von Pelli Clarke Pelli Architects designte Gebäude lichtdurchflutet. Kein Wunder: Herzstück der Grand Hall ist eine „Lichtsäule”, die sowohl das Gebäude trägt, als auch Tageslicht hineinbringt.

Die Koge Nord Brücke von Cobe Architekten in der Abenddämmerung.
Nett anzusehen und gleichzeitig verbindend ...
Die Koge Nord Station in Dänemark mit Rolltreppen und einem röhrenförmigen Gebäude.
... und stabil: Køge Nord Tran Station.

Belastbar: Das elliptische Bahnhofs-Rohr

Die Spezialauszeichnung für Exterior Design von Passagier-Bahnhöfen erging an die Køge Nord Train Station in Dänemark. Das dänische Büro Cobe entwarf einen Stahltunnel, der außen mit Aluminium verkleidet ist und innen mit Holz. Er scheint über den Gleisen der Bahnhöfe und der Autobahn zu schweben.

Den Schnellbahnhof Køge trennte die Autobahn Køge Bugt von der nahe gelegenen Stadtbahnhaltestelle. Der Bahnhof bedient sie nun beide. Die Rohrform mit elliptischem Querschnitt hält den hohen Belastungen durch Wind und Verkehr gut stand.

Das Anoeta-Stadion von Real Sociedad mit Laufbahn und umliegenden Bäumen.
Das erneuerte Estadio Anoeta in San Sebastián am Golf von Biskaya in Nord-Spanien.

Sportlich ohne Leichtathletikbahnen

Im Bereich Sport wurde das umgestaltete Stadium Anoeta in der spanischen Stadt San Sebastián (Estadio Anoeta) des baskischen Star-Architekten Ízaskun Larzabal prämiert. Es kommt ohne Leichtathletikbahnen aus, das Spielfeld ist daher nicht von den Tribünen getrennt. Eine räumliche Netzstruktur verleiht dem Stadion auch außen ein neues Bild.

Der Geschenkeladen des Nationalmuseums von Katar zeichnet sich durch seine gewölbte Holzarchitektur aus.

Souvenirshop in Doha galt als unrealisierbar

Das Shop-Konzept im National Museum von Katar in Doha (Koichi Takada Architects) hat es den Juroren (Kategorie Shops & Stores) angetan: Es schien schier unrealisierbar. Aber modernste 3D-Modellierungssoftware und ein beseeltes Team von Handwerkern ermöglichten die Umsetzung des Konzepts. Zahllose handgefertigte Holzteile erzeugen ein einzigartiges Raumgefühl und revolutionieren die Art und Weise, wie Besucher mit Raum interagieren.

Das „The Exchange“-Gebäude, entworfen von Kengo Kuma, in einer städtischen Umgebung.

Holz, dynamisch drapiert

Aber auch ganze Shopping Malls wurden geehrt. Kengo Kuma & Associates setzte ebenfalls auf viel Holz bei der Realisierung von „The Exchange” in Sydney. Es ist das erste Gebäude des japanischen Stararchitekten Kuma in Australien.

Das sechsstöckige Zentrum zeichnet sich durch eine spiralige Form aus, um die sich Holzbänder wickeln. Konkret wurden 20.000 Meter helles Holz „dynamisch” drapiert. So können die Passanten Einblick in die Aktivitäten im Inneren haben. Nachhaltigkeit und viel Holz sind auch Thema bei Kumas „Red Sea Project”, das er mit Foster + Partners realisiert.

Das Innere eines modernen Einkaufszentrums mit mehreren Etagen und einer großen Glaskuppel.

„Silicon Valley of Culture”

Die prämierte Mall K11 Musea in Hong Kong als Vertreter der asiatischen Welt ist ein Fall für sich: Man kann hier auch shoppen. Aber Einzelhandel steht hier nicht im Fokus: Die Mall wird dem Kunden als „Silicon Valley of Culture” präsentiert – ein Mix aus experimenteller Kunst und Kunsthandwerk plus Einkaufserlebnis. Von LAAB gestaltet stellt der öffentliche Raum im gesamten K11 Musea Kunsthandwerk vom Boden bis zum Dach zur Schau. Mit digitaler Anmutung genauso wie von der Natur inspirierte Geometrien und Materialien.

Luftaufnahme des Arctic Bath Hotels, teilweise im gefrorenen Fluss gelegen.
Das fast frei flottierende Arctic Bath im hohen Norden.
Das Aman Kyoto Hotel mit seiner dunklen Holzfassade inmitten eines grünen Waldes.
Das Aman Kyoto Hotel lockt Gäste mit seinem „geheimen” Garten.

Spektakuläres Resort in der namibischen Wüste

Bei der Kategorie „Hotel” hätte man als architekturaffiner Mensch gleich erahnen können, auf welches Projekt die Wahl der Jury für den Spezialpreis Exterior Design fiel: Auf das Arctic Bath von Bertil Harström in Schweden.

Luftaufnahme eines Hauses mit Solarpaneelen und Pool in der Sossusvlei-Wüste.
Auch in Afrika gibt es spektakuläre Projekte.
Luxuriöse Lodges in der Sossusvlei-Wüste bei Sonnenuntergang.
Zum Beispiel die &Beyond Sossusvlei Desert Lodge in Namibia.

Die Gesamtnote 1 erhielt das Aman Kyoto Hotel in Japan von Kerry Hill Architects. Den Spezialpreis für Interior Design in Afrika erhielt die &Beyond Sossusvlei Desert Lodge in Namibia.

Das Little Shelter Hotel in Thailand zeichnet sich durch seine Fassade aus Holzschindeln aus.
Kleines Obdach – in Chiang Mai in Thailand.

Sehr ansprechend – im thailändischen Dschungel gelegen – ist auch das Little Shelter (Chiang Mai). Die traditionelle Architektur wird durch eine Holzstruktur mit Schindeldach nachempfunden. Das klassische Walmdach wurde mit einer asymmetrischen Form neu interpretiert. An einer Seite ist es teilweise zur Dachterrasse ausgehöhlt. So können die Gäste bei Sonnenuntergang den Panoramablick auf den Fluss genießen.

Text: Linda Benkö Fotos/Renderings: Getty Images; Zaha Hadid Architects; Earl Carter; Steelblue; Ízaskun Larzabal; Max Touhey; Laurian Ghinitoiu; Rasmus Hjortshoij; Tom Ferguson, Oscar Rialubin and Koichi Takada Architects; Martin Mischkulnig; Daniel Holmgren, Johan Jansson, Anders Blomqvist; Kerry Hill Architects; fox browne creative; NWD; W Workspace Company Limited.

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