Träume sind Scheune

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Zug um Zug haben PAVA Architects den einstigen Tabakscheunen des Kaomai Estate ein neues, nikotinfreies Leben eingehaucht. Sie beherbergen ein Boutique-Hotel – und seit neuestem auch ein Museum samt Teestube.

Einst blühte in Chiang Mai die Tabakindustrie. Mitte der 1960er-Jahre zählte die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in Thailands Norden mehr als 50 Familien, die mit dem Tabak-Anbau und -Handel zu Millionären wurden. Inzwischen sind es nur noch eine Handvoll Betriebe, die am Stadtrand den Preiskampf mit den Anbietern aus Südchina aufnehmen. Und: mit der nachlassenden Nachfrage. Denn trotz eines Anstiegs der Weltbevölkerung sinkt die Zahl der Tabaknutzerinnen und -nutzer laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kontinuierlich. Rauchten im Jahr 2020 weltweit noch 1,3 Milliarden der Über-15-Jährigen, rechnen die Experten mit einem Rückgang auf 1,27 Milliarden bis 2025. Rauchen scheint langsam aus der Mode zu kommen.

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Einst prägten sie das Bild von Chiang Mai: Ziegelbauten, in denen Tabakblätter trockneten und lagerten.

Wo einst der Tabak wohnte …

Heute ist Chiang Mai daher eher für seine landschaftlich schöne Lage und die verbliebenen buddhistischen Klöster im Lanna-Stil bekannt. Nach wie vor lässt sich aber auch die glorreiche Tabak-Vergangenheit der Stadt noch entdecken. Vielerorts sind die charakteristischen Ziegelbauten, in denen früher die Tabakblätter getrocknet und verarbeitet wurden, zwar Plantagen und Neubauten gewichen. Doch einige hat man gerettet und einer neuen, zeitgemäßen Nutzung zugeführt. Besonders schön gelungen ist dies im Kaomai Lanna Hotel & Resort, einer Boutique-Unterkunft an der Strecke von Chiang Mai zum Doi Inthanon, dem höchsten Berg Thailands.

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18 ehemalige Tabakscheunen sind auf dem Gelände von Kaomai Estate 1955 erhalten geblieben und werden neu genutzt.

... und heute Touristen schlafen

Umgeben vom üppigen Grün eines tropischen Gartens beherbergen die behutsam adaptierten Scheunen jetzt auf jeweils sechs mal sechs Metern Grundfläche und unter restaurierten Giebeldächern Touristen aus aller Welt. Neben 36 stilvollen, mit antiken Teakholzmöbeln im Kolonialstil eingerichteten Boutique-Zimmern und -Suiten finden Gäste auch Eventräume und ein Spa mit Außenpool. Und selbstverständlich gibt es mit dem „Poliang“ auch ein Restaurant, das die lokale Küche des Nordens serviert. Gemüse und Kräuter stammen zum Großteil aus dem Garten des Kaomai Estate.

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Das Erd-Amphitheater ermöglicht Besuchern einen 360-Grad-Blick auf das Kaomai Estate, das jetzt ein Boutique-Hotel ist.

Architektonisches Kulturerbe

Der Dank für das Kleinod gebührt den Eigentümern der über 70 Jahre alten Tabakverarbeitungsanlage Kaomai Estate 1955, die das Resort beherbergt. Sie hatten die Bedeutung des architektonischen Kulturerbes erkannt und beschlossen, es zu bewahren. Behutsam ließen sie 18 Scheunen von lokalen Handwerkern wieder herstellen und griffen dabei auch auf das Wissen der ehemaligen Arbeiter der Tabakfabrik zurück. So wurden unter anderem die Wände mit der ursprünglichen Bambusflechttechnik und Mörtelrezeptur restauriert. Wo größere Lücken klafften, kamen historische Ziegelsteine zum Einsatz. Und auch die Holzstangen, an denen der Tabak zum Trocknen aufgehängt war, wurden wiederverwertet – etwa bei der Möblierung der Zimmer.

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Auch das Restaurant ist in eine Scheune integriert.
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Träumen statt Tabak: eines der 36 Boutique-Zimmer.

Histo-Öko-Tourismus

Verantwortlich für die Umgestaltung des knapp sieben Hektar großen Areals waren PAVA Architects. Das Büro für Umweltdesign mit Sitz in Bangkok ist bekannt dafür, dass es Herausforderungen wie dem Klimawandel oder der Verstädterung disziplinübergreifend und mit architektonisch nachhaltigen Lösungen begegnet. Ihr Konzept für das Kaomai-Estate-Projekt bringen die Planer mit dem Begriff „Histo-Öko-Tourismus“ auf den Punkt. Denn sie haben nicht nur den industriellen Bestand aus den 1950er-Jahren erhalten, sondern auch einen städtischen Naturraum bewahrt.

Dafür ließen die Architekten das Gelände analysieren, Böden und Fauna untersuchen, Tiere und Vögel zählen. Die alten, schattenspendenden Bäume wurden durch angewandte Baumpflegetechniken erhalten. Das Ziel: eine ausbalancierte Koexistenz zwischen den historischen Tabakscheunen, der umgebenden Natur und der neuen Nutzungen. Nur so konnte das Erbe der Gemeinde wirtschaftlich und ökologisch respektvoll weitergegeben werden.

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Umbau mit Bedacht: Kein Baum fiel der Revitalisierung der Scheunen zum Opfer.

Masterplan mit Museum

Zum Masterplan der Architekten gehörte auch, auf dem Gelände des Kaomai Estate Kultur- und Freizeitmöglichkeiten zu bieten – und zwar nicht nur für die Touristen. Nach der Fertigstellung der Boutique-Unterkünfte machten sie sich daher daran, zwei der noch nicht in Stand gesetzten Scheunen in ein Museum zu verwandeln. Es soll künftig Einheimischen das Erbe der Tabak-Region näherbringen und mit der besonderen Atmosphäre eines historischen Ortes Veranstaltungen der lokalen Gemeinde bereichern.

Viel braucht es dafür nicht. Das erste Museumsgebäude wurde nur durch ein neues, versetztes Fundament und eine Stahlkonstruktion verstärkt, wobei die subtile Assimilation durch die dunkelgraue Farbe beibehalten wurde. Im Inneren findet sich lediglich eine stählerne Zeitleiste, die als Einführung in das Anwesen dient, und einige Lichtspots, die die authentischen Ziegeloberflächen in Szene setzen. Der poröse Kiesboden – geschaffen, um in der Regenzeit überschüssiges Wasser zu absorbieren – trägt zum rustikalen Charakter bei.

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Die Wege sind mit durchlässigen Materialien gepflastert.
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Sie führen durch einen üppigen Garten.

Von der Geschichtsstunde ...

Das zweite Museumsgebäude für das Kaomai Estate ist quasi selbst ein Ausstellungsstück: Die Scheune wurde repariert und in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Für die Geschichtsstunde im Halbdunkel wurden jene Elemente wieder eingebaut, die es einst zur Tabakproduktion brauchte. Etwa die alten Öfen oder die Trockenstangen. Hier lässt sich erleben, wie die Arbeiter aus der Großeltern-Generation ihrem Broterwerb nachkamen. Auch ohne viel Fantasie wird ihr Alltag lebendig. Denn der Geruch der trocknenden Tabakblätter hängt noch immer in der Luft.

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Das erste Museumsgebäude führt über eine Zeitstrahl-Skulptur in die Geschichte des Anwesens ein.
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Die zweite Scheune zeigt die Stangen-Konstruktionen, auf denen vor 70 Jahren Tabak trocknete.

... zur Tea-Time

Seit kurzem ist das Kaomai Estate noch um ein weiteres Kulturangebot reicher: PAVA Architects schufen eine neue Teestube mit 210 Quadratmetern Fläche. Der dafür nötige Umbau einer Scheune bedeutete den bislang wohl größten Eingriff in das historische Ensemble. Für das Wassermanagement wurden eine Stützmauer und ein Kiesboden hinzugefügt. Außerdem erweiterten die Architekten das größte der alten Tabaklager um einen tieferliegenden Hof. In ihm befindet sich auch das Erdgeschoss mit der Bar. Er ist zusätzlich mit einer Stahlkonstruktion überspannt, der im Freien sitzenden Gästen Schatten spendet.

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Die Teestube hat einen überdachten Hof. Nun kann man im Schatten die Aufgusszeremonie genießen.
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Wo früher die Tabakstangen in den Wänden steckten, fügten die Planer kleine Fenster ein.

Kleine Fenster, gläserne Wände

Bis auf eine eingezogene Plattform lässt sich im Inneren nach wie vor die gesamte Höhe der Scheune erfahren. Dort, wo früher die Tabakstangen in den Wänden steckten, fügten die Planer kleine Fenster ein. Eine zusätzliche Verbindung zur Natur schafft eine großzügige Fensterfront in der darüberliegenden Etage, die sich über die gesamte Längsseite erstreckt.

Für den Bau der Theke im Zentrum der Teestube wurden alte Ziegelsteine wiederverwendet. Das Highlight ist aber eine neue, reflektierende Granitplatte, die die Teezeremonie in Szene setzt. Nichts stiehlt ihr die Show. Denn die eigentliche Küche befindet sich in einer benachbarten Scheune, die auch das Restaurant des Resorts versorgt.

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Der tiefergelegte Hof führt in den Barbereich.
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Die Bar ist aus alten Ziegeln vom Gelände gemauert.

Ausgezeichnet vom Weltarchitekturfestival

Bei PAVA ist man stolz auf die jüngsten Mitglieder, die man in die Kaomai-Estate-Familie integrieren durfte: „Die Museen und die Teescheune schenken den Gebäuden ein zweites Dasein. Sie bewahren dabei den Geist des Ortes auf respektvolle Weise und geben ihn an die nächsten Generationen weiter“. Das sah auch das Weltarchitekturfestivals (WAF) so. In der Kategorie „Kreative Wiederverwendung“ gingen die drei Gebäude 2023 als Gewinner hervor. Dabei ist die Konkurrenz gerade im Bereich umgenutzter Produktionanlagen groß, wo in Ex-Zuckerfabriken Hotels entstehen oder aufgelassene Poststationen zu Gourmettempeln werden.

Eine Scheune auf dem Gelände ist derzeit noch nicht revitalisiert. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch ihr neues Leben eingehaucht wird. Selbstverständlich rauchfrei.

Text: Daniela Schuster Bilder: Spaceshift Studio; Kaomai Lanna Hotel & Resort

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