Neue Schule für nachhaltiges Denken
Das Institut Mines-Télécom bringt seine Mission knackig auf den Punkt: „Wir wollen gemeinsam eine nachhaltige Zukunft erdenken und die dafür nötigen Akteure ausbilden". Für Präsidentin Odile Gauthier geht es nicht nur darum, das Erbe früherer Schulen weiterzutragen, die zu großen technischen Entwicklungen beigetragen haben: „Heute muss jeder seinen Beitrag leisten, um die Herausforderungen des industriellen, digitalen und ökologischen Wandels zu meistern.“
Das Ende des Monopols
Die staatliche Ingenieursschule wurde 1996 als Grandé ecole, also als spezialisierte Hochschule, gegründet. Und zwar als direkte Reaktion auf das Ende des Monopols auf Telekommunikationstechnik der France Télécom (die unter dem Namen Orange immer noch das größte Telekommunikationsunternehmen Frankreichs ist). Heute betreibt das Institut Mines-Télécom (IMT) Schulen an mehreren Standorten in Frankreich, aber auch in Afrika.
2021 übersiedelte ein Teil des IMT in einen Neubau auf dem Campus der Universität Paris-Saclay in Palaiseau. Hier, im Süden der französischen Hauptstadt, hat das irische Architekturbüro Grafton Architects auf 46.200 Quadratmetern ein Gebäude errichtet, das im Wesentlichen aus sechs Bereichen besteht.
Institut Mines-Télécom – Eine Brücke des Wissens
Das „soziale Herz“, wie es in der Beschreibung der Architekten heißt, bildet – neben dem Garten und den vier Außenhöfen – die sogenannte „Rue intérieure“. Diese „innere Straße“ verbindet die einzelnen Teile des Instituts: „Zwischen der komprimierten westlichen Gebäudehälfte und dem offenen Garten spannt sich eine ‚Bibliotheksbrücke‘, welche die Gemeinschaft von Wissenschaftlern, Professoren und Mitarbeitern mit einer Reihe von ineinandergreifenden Vortragsräumen, Lesesälen und Loggien verbindet.“
Das Gebäude verfügt über mehrere große Forschungslabors, ein Restaurant mit rund 1.000 Sitzplätzen, aber auch über ein eigenes Amphitheater. „Im Erdgeschoss wurde die Struktur so offen wie möglich gehalten, sodass der öffentliche Raum und der Garten zu einer durchgehenden Stadtlandschaft zusammenfließen können“, heißt es bei Grafton Architects.
Von der Uni auf die Uni
Grafton Architects wurde 1978 von Yvonne Farrell und Shelly McNamara in Dublin gegründet. Vier Jahre zuvor hatten sie noch gemeinsam das University College in der irischen Hauptstadt erfolgreich abgeschlossen, bis 2002 unterrichteten sie dort selbst nebenbei an der „School of Architects“. 2018 waren Farrell und McNamara Kuratoren der Architektur-Biennale in Venedig.
Der Masterplan sieht Straßen, Plätze und Boulevards mit einer poetischen Integration von Landschaft und Ökologie vor.
Grafton Architects
Im Lauf der Jahre hat das Architekturbüro große Erfahrung im Bereich von Schulen, Universitäten und den angeschlossenen Campus-Gebäuden gesammelt. Zu den realisierten Projekten zählen unter anderem die Universita Luigi Bocconi in Mailand (2008), ein neuer Campus der UTEC im peruanischen Lima (2015) oder auch das 2022 eröffnete „Paul Marshall Building“ der Londoner School of Economics. Für Letzteres wurden sie 2021 mit dem prestigeträchtigen Riba Sterling Prize für das beste neue Gebäude Großbritanniens ausgezeichnet.
Traditionelle Vorbilder
Kein Wunder, dass Grafton Architects (in Zusammenarbeit mit den beiden lokalen Architekten Philippe Vigneu und Serge Zilio) bei der Planung der gesamten Anlage Anleihe bei bekannten Universitäten genommen haben: „Der Masterplan sieht Straßen, Plätze und Boulevards mit einer poetischen Integration von Landschaft und Ökologie vor. Er bezieht sich auf das Erbe der großen Tradition von Bildungseinrichtungen wie Oxford, Cambridge und Harvard mit ihren Rasenflächen, Klöstern und Höfen.“
Das Gebäude selbst sehen sie als „Neuinterpretation unseres architektonischen Erbes“ und verweisen auf historische Vorbilder wie das Palais Royale in Paris, das Trinity College in Dublin und das Ospedale Maggiore in Mailand – aber auch die antike Stoa des Attelos in Athen. „Wir haben uns dieses neue Gebäude als einen Kessel von Ideen vorgestellt, in dem gemeinsame Elemente fest auf dem Boden stehen und privater Raum in den Himmel ragt.“
Fassade mit Rhythmus
Ziel dieser Philosophie war es, ein ausgeprägtes Gefühl für den Ort zu erzeugen. „Wir wollten eine Einfriedung ohne harte Grenzen zu schaffen. Wir wollten eine ‚musikalische‘ Fassade mit ihrem ganz eigenen Rhyhtmus errichten, die Gärten, Höfe und Säle umschließt. Und wir wollten gemeinsame Räume kreieren, um die Forschungsgemeinschaft zusammenzuführen.“
Die Fassade wird dominiert von satt ockerfarbenen Betonlamellen, deren Tiefe je nach Ausrichtung und Höhe variiert. Dadurch entsteht eine lebendige Oberfläche aus Licht und Schatten, die Überhitzung und Blendung verhindern soll. Ein „Miroir d’Eau“ (ein „Wasserspiegel“) dient, umgeben von Bäumen, als Regenwassersammelbecken – und als optischer Blickfang mit beruhigender Wirkung.
Hohe Umweltqualität
Das neue Gebäude des Instituts Mines-Télécom ist HQE-zertifiziert. „Haute Qualité Environnementale“, also „hohe Umweltqualität“, definiert in Frankreich den Standard für „grünes“ Bauen. Und dazu zählen die harmonische Beziehung eines Gebäudes zu seiner unmittelbaren Umgebung ebenso wie die Minimierung des Wasser- und des Energieverbrauchs wie auch die Minimierung von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten.
Wichtig war den Auftraggebern aber auch, dass alle Fenster zu öffnen sind, um eine natürliche Belüftung zu ermöglichen. Denn Frischluft hilft immer noch am besten beim Nachdenken, wie wir die Zukunft nachhaltig gestalten können.
Text: Hannes Kropik Fotos: Philippe Ruault, Dennis Gilbert
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