Mini-Häuser für alle Wetter
Der Traum vom freien Leben ohne Ballast greift um sich. Und er befeuert die Nachfrage nach Tiny Houses, die ihn erfüllbar machen sollen. Kein Wunder also, dass immer neue Modelle solcher Mini-Häuser entwickelt und dargeboten werden. Wer aber meint, das Thema wäre inzwischen ausgereizt, hat nicht mit Christophe Benichou gerechnet. Denn der französische Architekt wartet stets mit Überraschungen auf, die auch Branchenkenner staunen lassen. Aktueller Beweis dafür sind zwei Projekte, die Tiny House Fans mit besonderen Wünschen neue, extravagante Möglichkeiten bieten.
Mit „Lumishell“ hat Benichou eine Art behaglichen Kokon geschaffen, der sich in jede Wildnis pflanzen lässt. Das Design des außergewöhnlichen Mini-Hauses zielt darauf ab, die Grenzen zwischen drinnen und draußen zu verwischen. Und zwar so, dass innerer Komfort und Outdoor-Erlebnis optimal vereinbar werden. Erreicht wird dies durch Benichous Kooperation mit Lumicene – einem auf die Entwicklung gebogener, reversibler Schiebefenster spezialisierten Unternehmen.
Das spezielle Fenstersystem macht das Mini-Haus „Lumishell“ im wahrsten Sinn zur hellen Freude. Sowohl Wohn- als auch Schlafzimmer sind mit so genannten „Lumicenes“ ausgestattet. Dadurch bieten beide Räume famosen Panoramablick.
Mini-Häuser mit Outdoor-Feeling
Die Fensterbögen können jedoch auch jederzeit komplett nach außen hin geöffnet werden. Dann werden „Lumishells“ Wohnräume zu Freiluftzonen. Und damit nicht genug: Verschiedene, klug gesetzte Spiegel reflektieren die Landschaft draußen und holen sie quasi hinein ins gemütliche Domizil.
„Lumishell“ wirkt wie eine hübsche, bohnenförmige Muschel, die Geborgenheit bietet. Böden und Möbel sind aus Holz gefertigt. Die runden Räume sind durch Vorhänge abteilbar, wenn mehr Privatsphäre gewünscht ist.
Geborgenheit zu jeder Jahreszeit
Egal, ob ringsum scheinbar grenzenlose Wildnis wartet: Das von einer recyclebaren, schützenden Aluminiumhaut umhüllte Mini-Haus ist als wohlige, bequeme Zuflucht konzipiert. Im Winter sorgen die geschwungenen Fensterflächen für Helligkeit, im Sommer bewahren horizontale Jalousien vor zu viel Sonnenhitze.
Das Häuschen hat alles, was man braucht: Wohn- und Schlafraum, eine schmale Küche und ein Bad. Natürliche Belüftung und die Möglichkeit, Sonnenkollektoren aufs Dach des „Lumishell“ zu setzen, machen das Mini-Haus energieeffizient. Auch Anlagen zur Rückgewinnung von Regenwasser und Trockentoiletten können installiert werden.
Fertigung steht noch aus
Wer sich mit diesem innovativen Tiny House in die Natur zurückziehen will, braucht nicht mehr als einen ebenen Standort, der das Gewicht des flexiblen Mini-Hauses tragen kann. Und etwas Geduld wird wohl noch nötig sein, weil die ersten „Lumishells“ derzeit noch der Fertigung harren.
Während „Lumishell“ bereits auf Interessenten wartet, existiert ein anderes, spannendes Novum aus Christophe Benichous Ideenwerkstatt vorerst noch nur in Renderings und Plänen. Wer Eis und Schnee liebt, wird der Umsetzung dieses ausgefallenen Konzepts aber vermutlich geradezu entgegenfiebern: „The Sliding Shelter“ ist als isolierte Zuflucht in frostiger Umgebung gedacht. Das – salopp übersetzt – „Rutschschutz“ genannte Projekt soll behaglichen Komfort auf abgelegenen Pisten und Hängen ermöglichen.
Durch seinen schrägen Aufbau passt sich „The Sliding Shelter“ auch steiler Hanglage an. Das rechteckige Konstrukt hebt sich optisch stark von seinem Umfeld ab.
Ein Mini-Haus „am Abgrund“ und im Eis
Darin zu logieren ist vermutlich gewöhnungsbedürftig. Denn das kleine Bauwerk wirkt von außen, als würde es abwärts rutschen. Und auch beim Blick aus dem Mini-Haus nach draußen wähnt man sich den Mächten von Schwerkraft und Natur aufs Erste fast erschreckend nah.
Wenn Bewohner seiner Tiny Houses extreme Emotionen spüren, ist dies durchaus im Sinn des Architekten. Schließlich will Christophe Benichou echtes Naturgefühl vermitteln und Mensch und Wildnis einander näher bringen.
Ein Umstand, der spätestens durch sein Aufsehen erregendes Projekt „Tip Box“ deutlich wurde: Der gleichnamige Metall-Würfel soll Wanderern eine Ruheoase in schwindelnder Höhe schaffen.
„Cliffhanger“ für Gipfelstürmer
Auf gerade Betonsockel gesetzt, soll die „Tip Box“ an Felskanten „hängen“. Bequeme Sitzbänke in ihrem Inneren laden zum Verweilen ein. Von dort aus können Besucher unterm schützenden Dach atemberaubende Aussicht in die Tiefe genießen. Nichts für Menschen mit Höhenangst, also. Geeichte Gipfelstürmer und Bergfexe hingegen dürfte die Idee begeistern.Wann und wo sie realisiert werden wird, ist allerdings noch offen.
„Meine Entwürfe stellen den Platz des Menschen in der Natur und die Zukunft dieses Zusammenlebens in Frage“, erklärt Visionär Benichou. Wobei: Verglichen mit der offenen Raststation „Tip Box“ mutet „The Sliding Shelter“ sehr gemütlich an.
Thermische Schleuse schützt vor Kälte
Ins schwierige Gelände eingebettet, verfügt das Mini-Haus über mehrere Räume. Diese sind über eine Treppe verbunden. Als Entree fungiert eine thermische Luftschleuse, die auch als gemäßigter Lagerraum dient. Wie ein Gewächshaus heizt dieser Bereich den Rest des Gebäudes vor.
Das Innere des „Sliding Shelter“ ist als offener Raum angelegt. Dieser wird durch eine Reihe von Plattformen unterteilt. Die Etagen folgen dem Gefälle des Hanges, auf dem das Mini-Haus ruht. Und sie definieren die unterschiedlichen Bereiche des Hauses.
Fernblick aus jedem Raum
Das Plus der durchdachten Terrassenform: Das Panoramafenster am unteren Ende ist von allen Ebenen aus zu sehen. Und es eröffnet freien Blick auf die Landschaft vor und unterhalb der ungewöhnlichen Behausung.
Naturnäher als mit „Lumishell“ und „Sliding Shelter“ geht’s kaum. Christophe Benichous Mini-Häuser sind für extreme Bedingungen konzipiert. Wer gewohntem Stadtleben also ernsthaft gen Wildnis entfliehen will, wird die schrägen Ideen des Architekten zu schätzen wissen.
Text: Elisabeth SchneyderBilder: Christophe Benichou, Thibaut Miossec
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