In Stein gemeißelt

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Auf der griechischen Insel Santorin soll ein Haus mit zwei Wohneinheiten in den dort vorherrschenden Vulkanstein gehauen werden. Logisch: Dieses Vorhaben wirbelt Staub auf.

Es ist ein extrem heißer Sommertag. Die griechische Sonne brennt erbarmungslos auf den braungrauen Steinhang über der kleinen Ortschaft Vourvoulos an der Südwestküste von Santorin.

Felssturz auf Santorin

Plötzlich übertönt ein tiefes Grollen das monotone Zirpen der Zikaden. Der Lärm schwillt an, geht in ein sandiges Knirschen über und plötzlich ist klar: Der Hang rutscht! Ein gigantisches Stück Vulkangestein löst sich wie in Zeitlupe vom Berg. Schlittert langsam Richtung Tal. Doch die Erde darunter gibt plötzlich nach und mit einem satten Rumms kommen vielen hundert Tonnen Gestein nur wenige Meter später wieder zum Stillstand. Glück gehabt.

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Diese Geschichte hat sich zwar garantiert schon so oder so ähnlich in Griechenland und vielleicht auch auf Santorin abgespielt – in diesem Fall ist sie jedoch erfunden. Und zwar von den Kreativen des Studios Kapsimalis Architects. Ihnen dient eben diese fiktive Episode als Grundstein für das Ideekonstrukt eines ganz außergewöhnlichen Wohnhauses: Sie möchten zwei zusammengehörige Wohneinheiten in das Vulkangestein der griechischen Urlaubsinsel Santorin hauen.

Vor dem Felsrutsch

Aber spulen wir die Zeit kurz zurück. An die Tage vor dem Felsrutsch-Märchen, als ein Auftraggeber den Kapsimalis-Architekten ein Grundstück über der Küste zeigte. Inmitten von vulkanischem Geröll, sonnenerprobter Pflanzen und mit einem sagenhafter Blick auf das Ägäische Meer gesegnet, präsentierte sich das bis dato unbebaute Areal. Hier sollten zwei aneinander angrenzende Häuser errichtet werden, lautete der bald erteilte Auftrag.

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In Anbetracht der Gesamtsituation entwickelten die Architekten im Anschluss ein Konzept, das mit der vorherrschenden natürlichen Erosion des porösen Vulkangesteins spielt. In eben jenes Steinstück, das in ihrer Story aus dem Berg gebrochen einige Meter ins Tal gerutscht ist, würden sie die Wohneinheiten buchstäblich in Stein meißeln. So die Idee.

Wohnen im Felsen

Aber machen wir uns einfach anhand der vorliegenden Fakten und Renderings zum geplanten Steinhaus auf, um dieses gedanklich zu erkunden: Im Gegensatz zum surrealen Steinhauskonzept von Amey Kandalgaonkar besteht die Außenfassade teilweise aus echtem Fels, teilweise aus dem Gestein nachempfundenen Fassadenteilen.

Künstliche Erosionsrisse wurden bewusst integriert, um die Assoziation zur Einleitungs-Geschichte so offensichtlich wie möglich zu machen. So richtig imposant wird es jedoch, sobald man sich dem Eingangsbereich nähert. Er befindet sich direkt unter dem gigantischen Felsstück, das bei seinem Rutsch eine Art Hohlraum unter sich geschaffen hat.

Höhlenartiger Innenraum

Von diesem führt eine Treppe in das Innere. Kaum wird man vom höhlenartigen Innenraum verschluckt, meint man tatsächlich einen Felsen betreten zu haben. Genau so wie die Aussenfassade wurde auch hier mit erdigem Ton und beschichtetem Beton gearbeitet, der den Schichten von vulkanischem Gestein verblüffend ähnelt. Die Böden bestehen aus rauem Zementputz und vermitteln mit jedem Schritt steinig-knirschendes Innenleben.

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Erst der Blick auf Fenster und Möbel erinnert daran, dass dieser Fels bloß ein geschicktes Imitat ist: Fensterrahmen und Kommoden sind aus warmen Hölzern der Region gezimmert, oxidiertes Blech wurde für die Schränke verwendet. Andere, kleinere Möbelstücke hingegen bestehen aus staubig wirkendem Stein und runden die unterirdische Atmosphäre sanft ab.

Im Keller wird Regenwasser gebunkert

Aufgeteilt sind die beiden, im selben Kunstfels versteckten, Lebensräume übrigens gleich: Ein Wohn- und Esszimmer, Küche, WC, Hauptschlafzimmer mit Garderobe und Bad. Im Dachgeschoss findet sich noch ein weiteres Schlafzimmer samt kleinem Bad. Das Untergeschoss beherbergt Lagerräume, Maschinenräume und ein Regenwassersammelbecken, um Teile der Wasserversorgung über natürliche Ressourcen abdecken zu können.

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Auf der Rückseite jedes Hauses landet man in eben jener kleinen Schlucht, die der fiktive Felsrutsch auf der Hangseite zwangsläufig verursacht haben muss. Hier befindet sich eine versenkte Sitzecke samt Kamin. Auf der gegenüberliegenden Front hingegen weitet sich der Blick auf das Meer. Ein flacher Pool und ein Sonnendeck lassen Bewohner und Gäste schlagartig vergessen, dass sie eigentlich in einem Felsen leben.

Staubt statt Genehmigungen

Aber kommen wir wieder zurück ins Jetzt: Denn das Objekt ist zwar geplant, aber keineswegs gebaut. Vielmehr ist es so gewagt, dass sich derzeit noch die Behörden zieren, die nötigen Genehmigungen zu erteilen. Kurzum, es wird um Rechte, Gesetze, Eigentum, Sicherheit und Umweltverträglichkeit gestritten.

Wohl ganz nach dem Motto: Auch ein fiktiver Erdrutsch muss zumindest in irgendeiner Form Staub aufwirbeln.

Text: Johannes StühlingerBilder: Kapsimalis Architects; Sugarvisuals

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