Hier macht Frauenpower Schule

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Die amerikanische Architektin Diana Kellogg baut mit dem GYAAN Center in Indien eine Schule, die allein aus architektonischer Sicht jungen Mädchen Kraft fürs Leben geben soll.

Klar, man kann Indien nicht mit Österreich vergleichen. Anderer Kulturkreis. Andere Bedingungen, Probleme. Andere Sonnen- und Schattenseiten. Aber eine Sache lässt sich über den gesamten Erdball für alle Menschen sagen: Jeder und vor allem jede ist gleich viel Wert. Leider verhallt diese Aussage selbst in Österreich viel zu oft und bleibt bloß ideale Weltanschauung. Aber im Vergleich zu Indien gibt es zumindest Licht am Ende des Tunnels.

Nur jedes dritte Mädchen darf lesen lernen

In Indien sind Millionen Mädchen schon vom Tag ihrer Geburt an benachteiligt. Es ist das Ergebnis eines nur schwer zu durchbrechenden Teufelskreises. Die Eltern kämpfen oft ums tägliche Überleben, können im Haus und auf dem Feld jede helfende Hand gebrauchen und versuchen deshalb ihre Töchter möglichst schnell zu verheiraten. Das heißt: Mädchen wird schlichtweg keine Schulbildung zuteil. Und, dass fehlende Bildung nicht unbedingt zur Selbständigkeit führt, ist eine Tatsache, die in jedem Land dieser Welt Gültigkeit hat.

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Dieser Missstand führt aktuell etwa in der indischen Thar-Wüstenregion von Jaisalmer in Rajasthan zu einer Alphabetisierungsrate bei Frauen, die gerade einmal 32 % beträgt. Es kann also nur jede dritte Frau lesen und schreiben. Eben genau hier errichtet nun das Architekturbüro Diana Kellogg gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation CITTA Foundation eine ganz besondere Schule mit dem Namen GYAAN Center: Hier wird nicht nur ob der dahinterliegenden Finanzierungsmodelle 400 Mädchen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, Schulbildung ermöglicht. Das gesamte Bauwerk wurde von Architektin Diana Kellogg von vornherein so konzipiert, dass es die weiblichen Facetten hervorstreicht und stärkt.

Der Kreis als weibliches Ursymbol

Laut Vision der Architektin soll das Haus selbst an möglichst vielen Stellen das Selbstbewusstsein der darin lernenden Mädchen stärken. Diana Kellogg dazu: „Das GYAAN Center wird Frauen zu einem selbstbestimmten Leben befähigen und ausbilden. Es wird ihnen helfen, wirtschaftliche Unabhängigkeit für sich selbst, ihre Familien und ihre Gemeinden aufzubauen." Da das GYAAN Center von ihr als Frau für Frauen entworfen wurde, betrachtete sie weibliche Symbole in verschiedenen Kulturen, bevor sie mit dem Designprozess begann. "Insbesondere Symbole der Stärke“, wie sie sagt.

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Auf diesen Überlegungen fußt schon die ovale Grundform des GYAAN Center: ein Oval als Form, das als Kreis verstanden für die Kraft der Weiblichkeit steht, wie Kellogg anmerkt. Kurzer Exkurs in die Symbolik: Die Kreisform steht seit jeher für das Weibliche in der Welt. Er hat kein Ende aber immer ein Zentrum, erfüllt also die Idee von mütterlicher Heimat genau so, wie jene vom unendlichen Leben schenken. Auch wird er gerne mit dem runden Vollmond in Anspielung an den weiblichen Zyklus verstanden. Exkurs Ende.

Umfeld als Fundament der Unabhängigkeit

In diesem Fall wurde die Kreisform jedoch ein wenig gestaucht. Und das nicht ohne Grund: „Damit möchte ich auf die Region, in der die Mädchen aufwachsen, anspielen“, sagt die Architektin. Die ovale Form soll zusätzlich als Weiterführung der Optik der umgebenden Sanddünen verstanden werden.

Wenn man den Ausführungen von Diana Kellogg folgt, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass das Umfeld der zukünftigen Schülerinnen einen besonderen Stellenwert im Bau der Schule erhalten hat. Als würde die Architektin versuchen, durch die konsequente Erinnerung an eine heimelige Heimat Grundsteine für das zukünftige Selbstbewusstsein der Schülerinnen legen zu wollen. Als Basis für Selbstbestimmung.

Väter fertigten Ziegel der Schule

So bestehen etwa die Wände des Baus nicht bloß aus Sandstein. Sondern aus vielen tausend von den Vätern zukünftiger Schülerinnen handgefertigter Sandsteinziegel! Dass mit der Verwendung von lokalem Material auch die Kohlenstoffemissionen des Baus reduziert werden, ist ein Nebeneffekt. "Kein Motiv", stellt Kellogg entschieden fest.

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Das heißt aber nicht, dass sie dieses Thema nicht zusätzlich integriert hätte. Im Gegenteil: Auf dem Dach werden Solarmodule installiert, die den Strom für ausreichend Ventilatoren und Klimasysteme liefern sollen. Ein in diesen Breiten besonders relevanter Aspekt – das Dach wird sich ob der Wüstensonne an manchen Tag auf bis zu 120 Grad erhitzen! Aber auch Regenwasser soll über das Dach gesammelt und mit einer eigenen Wasseraufbereitungsanlage von jeglichen Keimen befreit werden, die ob der Wärme hier allgegenwärtig sind.

Selbst die ovale Form sei hilfreich, so die Architektin. Diese wäre so berechnet, dass sie konstanten kühlenden Frischluftzustrom garantiert.

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Mit der Eröffnung der Schule des GYAAN Center im Juni dieses Jahres fällt übrigens erst der Startschuss für nächste Projekte. Denn das GYAAN Center soll in den nächsten Jahre sukzessive erweitert werden. Ein sogenannter Medha – ein Areal für Aufführungen und Kunstausstellungen mit einer Bibliothek und einem Museum – ist in Planung. Werkstätten, in der lokale Kunsthandwerker Mütter und andere Frauen in Web- und Sticktechniken aus der Region unterrichten werden, ebenso.

Der Kreis schließt sich

Dass auch diese weiteren Bauten allesamt oval geplant sind, steht längt fest. Bleibt nur zu hoffen, dass auch die alte und gewiss sehr traditionelle Gesellschaft diese modernen Impulse auch als das versteht, was sie sind: ein Schritt in eine bessere Zukunft.

Text: Johannes Stühlinger Bilder: Vinay Panjwani

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