Grün, grüner, Växjö!
Woran liegt es bloß, dass die skandinavischen Länder, allen voran Schweden, zu den umweltfreundlichsten Ländern der Welt gehören? Es muss wohl die Naturnähe sein. Schweden verfügt über große Nadelwälder, unberührte Gletscherberge sowie fast unzählbar viele Seen, Flüsse und Wasserfälle. Verständlich, dass die Bewohner diese Naturschätze schützen und behüten wollen.
Die Universitätsstadt Växjö hält den Titel „Europes Greenest City“ inne. Schon jetzt bestehen 50 Prozent aller neuen Gebäude aus Holz. In Zukunft ist die sogenannte „climate impact declaration” für neue Gebäude sogar verpflichtend. Sie besagt, dass ab 2022 Gebäuden mit dem geringsten CO2-Fußabdruck (CO2-Emissionen) der tragenden Wände der Vorzug gegenüber anderen Bauvorhaben gegeben. Und ab 2025 liegt das Augenmerk auf Gebäuden mit dem geringsten CO2-Fußabdruck insgesamt.
„Die Idee ist, Holz als Hauptbaumaterial zu verwenden, da es das einzige vollständig erneuerbare Material ist”, beschreibt die Stadtverwaltung von Växjö die Strategie. Dies betreffe Wohn-, Gewerbe- und Infrastrukturbauten gleichermaßen.
Maximale Anwesenheit von Holz
Jüngstes Projekt war „Trummens Strand“ – oder Kvarteret Geologen, wie es eigentlich heißt – des Bauunternehmens GBJ Bygg. Das Wohnbauprojekt wurde 2019 fertig und umfasst 144 Wohnungen unterschiedlicher Größen und Grundrisse sowie einen Kindergarten. Insgesamt 6.300 m³ Brettsperrholz (Cross Laminated Timber – abgekürzt CLT) stammten aus dem Werk in Ybbs an der Donau von Stora Enso.
Kvarteret Geologen ist um einen gemeinsamen Innenhof gegliedert. Vor den Wohnhäusern mit Blick auf den Trummensee liegt der Geometriparken, ein von der Gemeinde angelegter Stadtpark. Es gibt Terrassen, Spielplätze, gewerbliche und Versammlungsräume. Der Innenhof führt über eine großzügige Treppe hinunter zum Strandpark, unter dem sich die Parkgarage versteckt.
Holz ist hier eindeutig das Kernthema. Es ist so gut wie überall sichtbar, an Balkonen, der Zedernspanfassade und im Inneren der Wohnungen. Der Massivholzrahmen ist nicht nur umweltverträglich, sondern bietet auch den Bewohnern Vorteile. Der natürliche und erneuerbare Rohstoff gleicht die Temperatur gut aus, Feuchtigkeitsschutz und Brandsicherheit sind gegeben. Und so hat Kvarteret Geologen gleich mehrere Preise eingeheimst, unter anderem die Auszeichnung als Holzgebäude des Jahres 2019.
Kvarteret Geologen ist ein Paradebeispiel für die Vorteile des Holzbaus: Hier sind ästhetisch ansprechende Architektur mit ökologischen Überlegungen gepaart, gute Stadtplanung und Nachhaltigkeit vereint. Es ist ein Wahrzeichen am Ufer des Trummensee, das Passanten und Anwohner noch viele Jahre lang erfreuen wird.
Österreichische Zulieferer
Ein weiterer österreichischer Konzern, Binderholz, kam beim Wohngebiet Vallen zum Zuge. Es besteht aus 26 Reihenhäusern auf zwei Ebenen mit 172 Wohnungen in vier- bis achtstöckigen Mehrfamilienhäusern. Binderholz lieferte 4.200 m³ Brettsperrholz sowie 600m³ Brettschichtholz-Elemente.
Die fünf hervorstechenden Giebel in unterschiedlichen Höhen, die durch große verglaste Balkonstrukturen verbunden sind, verleihen den Gebäuden ihren unverwechselbaren Charakter. Das Projekt umfasst Eigentums- und Mietwohnungen.
Alles unter einem (Holz-)Dach
Ein weiteres aufsehenerregendes Projekt von White Arkitekter fasst Bahnhof, Rathaus und weitere öffentliche Räume unter einem gemeinsamen Holzdach zusammen – passenderweise unter dem Namen „Under one roof“. Das Gebäude hat drei Haupteingänge – damit werden auch die verschiedenen öffentlichen Räume verbunden. Die Eingänge gehen im Inneren elegant ineinander über – was die Bewohner dazu verleitet, das Ensemble „Växjös Wohnzimmer” zu nennen.
Die 14.000 m2 große Holzkonstruktion wird neuer Mittelpunkt der Stadt sein. Ein Treffpunkt für alle – mit Touristen-Informationsbüro, Ausstellungsbereich, Warteraum, Cafés und Geschäften, Besprechungsräumen für verschiedene Anlässe und einem modernen Arbeitsplatz für die städtischen Mitarbeiter.
Ziel war es auch, ein Gebäude zu schaffen, das die höchste schwedische Umweltzertifizierung erreicht. Das geneigte Dach reduziert die Gebäudehülle und sorgt für einen geringeren Energieverbrauch während der gesamten Lebensdauer des Gebäudes.
Die Identität von Växjö spiegelt sich in der Wahl der Materialien – Glas und Holz – sowie in den intelligenten und nachhaltigen technischen Lösungen für „Under one roof” wider. Ziel war es auch, ein Gebäude zu schaffen, das die höchste schwedische Umweltzertifizierung erreicht.
Neuer Stadtteil in Växjö: Bäckaslöv
Ganz neu ist der Stadtteil Bäckaslöv in Växjö. Das Viertel Skärvet entstandt in Zusammenarbeit zwischen dem Architekturbüro Kjellander Sjöberg und dem Entwickler Skanska. Ein Teil von Bäckaslöv ist der Block Skärvet, der eine Mischnutzung rund um einen großzügigen Park vorsieht. Auch hier sind sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen verfügbar, plus Studentenwohnungen und sogenannte Stadthäuser. Außerdem beherbergt der Block eine Schule, ein Seniorenheim und Gewerbeflächen.
Seniorenheim mit LEED-Platin-Status
Das Seniorenheim ist nach dem LEED Platin-Standard errichtet, was bedeutet, dass es mehr Energie erzeugt als verbraucht. Die Architektur insgesamt im Quartier Skärvet ist kleinteilig und vielfältig. Das Dach der Schule und des Altenheims ist als „sinnlicher Dachgarten” konzipiert. Die Studenten können sich tagsüber in großen Teilen des Parks aufhalten. An den Wochenenden und abends wird er gern von allen Bewohnern als Ort für Spiel und Gemeinschaft genutzt.
Im Moment zählt die stark wachsende Gemeinde Växjö rund 83.000 Einwohner. Die Pro-Kopf-CO2-Emissionen in Växjö sind laut Gemeindeangaben von 1993 bis 2016 um 58 Prozent gesunken. Das BIP dagegen ist kontinuierlich angestiegen.
Text: Linda Benkö Visualisierungen, Fotos: Getty Images, Max Plunger, Kjellander Sjøberg, GBJ bygg, Stora Enso, Binderholz, Åke Eson, White Arkitekter, Arkitektbolaget
Lesen Sie weiter im UBM Magazin, der Plattform für Immobilienwirtschaft, Stadtplanung und Design.
Kommentare