Frankreichs bezaubernde Nester

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Um den Besuch französischer Schlösser für Touristen attraktiver zu machen, will man in ihrer Umgebung Baumhäuser pflanzen. Mit diesen „bezaubernden Nestern“ soll eine kindliche Traumwelt erschaffen werden.

Die Sache klingt nicht nur ungewöhnlich, sie ist es auch. Die französische Crowd-Funding-Plattform Dartagnans will mit Baumhäusern prachtvolle Schlösser vor dem Vergessenwerden retten. Bei der Sache spielen Logik und kindliche Erinnerungen eine tragende Rolle. Einfach zu durchschauen ist diese Art der Tourismusstrategie allerdings nicht. Wir haben es dennoch versucht.

Zu viele Schlösser für ein Land

Offenbar geht es dabei vor allem um die vielen malerischen Schlösser, die im ländlichen Frankreich in besonderer Vielzahl vorhanden sind. Es gibt wohl so viele, dass sich neugierige Touristen so stark verteilen, dass am Ende niemand etwas davon hat. Und so die Erhaltung der steinalten Gemäuer gefährdet ist.

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Die bezaubernden Nester sollen alter Gemäuer attraktiver machen.

Besonders um drei außergewöhnliche Anlagen wäre es offensichtlich besonders schade, wenn sie weiterhin unter Aufmerksamkeitsdefizit leiden müssten: Schloss von Vibrac, Château de la Mothe-Chandeniers und Château L'Ebaupinay.

Bezaubernde Nester als Zaubermittel

Soweit so schade. Doch schon bald sollen ausgerechnet spartanisch wirkende Baumhäuser die mittelalterlichen Prunkstücke vor dem Verfall retten. Und zwar geht die Logik von Dartagnans und einer Vielzahl zahlender Partner wie folgt: Wenn in der Umgebung der Schlösser besonders spannende Residenzen für Touristen geschaffen würden, kommen diese lieber hier hin als zu den anderen Burgen und Schlössern des Landes.

Erstes Projekt in der Pipeline

Vereinfacht ausgedrückt, will man also neue Touristenmagnete schaffen, um die alten zu befeuern. Auf welchen Zeithorizont sich das rechnen soll ist noch unklar. Die Initiatoren haben mit der Präsentation eines ersten möglichen Projekts ihrem Vorhaben aber jetzt Nachdruck verliehen.

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Konkret wurde ein Baumhauskonzept vorgestellt, das in den Wäldern rund um eines der Schlösser erwachsen soll. Viel mehr wird aber auch nicht verraten. Und so heißt es in der dazugehörigen Pressemeldung schlicht: „Inspiriert von den traumhaften Schlössern entwirft Studio Shanil ein Baumhausmodul mit dem Name ‚Bezaubernde Nester‘.“

Echte Vogelnester als Vorlage für bezaubernde Nester

Bei der Kreation hat sich, laut Statement, das Team einen Baum als Vorlage genommen, der von vielen Vögeln bewohnt wurde. So wie auch die einzelnen Vogelnester in jeweils unterschiedliche Richtungen weisen und in jeweils anderen Winkeln gebaut sind, sollen auch diese „Menschennester“ unterschiedlich ausgerichtet sein. So soll die natürliche Umgebung so gut wie möglich eingefangen und zugänglich gemacht werden.

Der Aspekt des modularen Designs bringt Vielseitigkeit in das Baumhaus und ermöglicht es, es in verschiedenen Kontexten zusammenzusetzen.

Die Architekten von Studio Shanil

Mit seinem Baumhausmodul "Bezaubernde Nester" will das Studio Shanil die bezaubernde Schönheit und Phantasie des Schlosses und des umliegenden Waldes unterstreichen", heißt es außerdem wenig präzise. Deshalb gleiche kein Nest wie ein Ei dem anderen. Das Dach des einen wird zur Terrasse, das andere lädt zu einer Kletterpartie in die Baumkronen ein und das nächst versteht sich als ruhiger Rückzugsort.

Zitat: „Der Aspekt des modularen Designs bringt Vielseitigkeit in das Baumhaus und ermöglicht es, es in verschiedenen Kontexten zusammenzusetzen.“

Tatsächlich ist das Baumhaus vielleicht eines der ersten und am meisten geteilten Archetypen der Architektur. Es referenziert auf den Schutzraum der Kindheit. Es ist der Hort, an dem man sich als Kind vielleicht erstmals unabhängig fühlt und die Welt der Erwachsenen auf Distanz hält. Es ist ein unzugänglicher Ort, der zwischen Himmel und Bäumen schwebt. Er ist Schauplatz und Projektion äußerst spannender Abenteuer.

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Eben dieser Zugang sei bei der Entwicklung immer mitgeschwungen, sagen die Architekten. Und fügen an: „Sobald Kinder erwachsen werden, rückt das Baumhaus meist in weite Ferne und bleibt als Erinnerung oder unerfüllter Traum in einem tiefen Winkel der Gedanken versteckt. Aber unter allen Erwachsenen haben Architekten ein außerordentliches Privileg. Sie können ihre eigenen Kindheitswünsche verwirklichen.“

Ist es ein gar genialer Streich?

Eben das soll hier nun geschehen. Um wohl in potentiellen Touristen kindliche Emotionen zu wecken. Und nun wird vielleicht der wahre Clou der Projektmacher offensichtlich: Welches Kind hat nicht gerne Ritter oder Burgfräulein gespielt? Ist es vielleicht tatsächlich so, dass hier einfach zwei kindliche Erinnerungen getriggert werden sollen, um möglichst viele Erwachsene anzulocken?

Es klingt jedenfalls danach. Und wenn die Sache aufgeht, dann sollten die wahrlich kreativen Köpfe hinter dem Baumhaus-Schloss-Burg-Programm zu recht geadelt werden. Oder zumindest zum Ritter geschlagen.

Text: Johannes Stühlinger Bilder: Studio Shanil

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