Eine U-Bahn aus Holz
Vor rund einem Jahr sorgte eine Ankündigung von Kopenhagens Oberbürgermeisterin Sophie Hæstorp Andersen für internationale Schlagzeilen. Die Stadt wird ihr ehrgeiziges Ziel verfehlen, bis 2025 klimaneutral zu sein. Nach heutigem Stand der Dinge allerdings nur ganz knapp, es werden gerade mal zwei Prozent bis zur Klimaneutralität fehlen. Eine erstaunliche Leistung, die neben dem frühen Umstieg auf erneuerbare Energien auch auf eine beherzte Verkehrspolitik zurückzuführen ist. Kaum eine Stadt der Welt treibt die klimafreundliche Mobilität so konsequent voran wie Kopenhagen. 2018 lag der Anteil der Fahrten, die Kopenhagener mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad zurücklegten, bei 68 Prozent. Tendenz steigend.
Der Mobilitätsplan der Stadt ist allumfassend und wird konsequent umgesetzt. Elektro-Autos und -Motorräder sowie Wasserstofffahrzeuge parken in der Stadt gratis, während für Benzin- und Dieselautos relativ hohe Parkgebühren anfallen. Diese Einnahmen investiert man in klimafreundliche Infrastruktur wie das vorbildliche Radwege-Netz, das Kopenhagen zur fahrradfreundlichsten Stadt der Welt macht. Auch das U-Bahnnetz wird im Zuge der neuen Stadtenwicklungsgebiete konsequent ausgebaut.
Metro-Stationen der Zukunft
Um die Infrastruktur noch grüner zu machen und die Emissionen weiter zu senken, hat man einen Wettbewerb zu den „Metro-Stationen der Zukunft“ ausgelobt. Gewonnen hat ihn das ortsansässige Büro JaJa Architects. Ihr Entwurf zeigt eine U-Bahnstation, die konventionellen Stahlbeton mit konstruktivem Holzbau kombiniert.
Die sichtbare Holzkonstruktion, die zusammen mit der Betonstruktur das Dach trägt, ist eine nachhaltige Wahl, die das klimafreundliche architektonische Konzept noch radikaler umsetzt.
Massive Stützen und Träger aus Brettschichtholz prägen das Erscheinungsbild und sind eine Neuheit im U-Bahnbau. „Die sichtbare Holzkonstruktion, die zusammen mit der Betonstruktur das Dach trägt, ist eine nachhaltige Wahl, die das klimafreundliche architektonische Konzept noch radikaler umsetzt“, wie es in der Projektbeschreibung der Architekten heißt. „Es ist visionär, basiert aber auch auf realistischen Annahmen und Grundsätzen.“
Das architektonische Design verbindet zeitgemäße Schlichtheit mit historischen Referenzen. Die Rundbögen in der Holzkonstruktion sind nicht nur ein Stilelement, das aktuell ein Revival erlebt, sie verweisen auch auf die Pionierzeit des Schienenverkehrs und die dazugehörigen Bahnhofshallen. Retroelemente wie eine analoge Stationsuhr verstärken den leicht nostalgischen Charakter der Stationsarchitektur.
Weniger ist mehr
Zum einen zielt das Konzept natürlich darauf ab, die umweltschädlichen Emissionen durch die Materialwahl zu reduzieren. Holz gilt bekanntlich als Kohlenstoffsenke und bindet langfristig CO2. Zum anderen basiert es auf einer funktionalen Reduziertheit, frei nach dem Motto: weniger ist mehr. „Anstatt den Beton mit einer dünnen 'grünen' Lage zu verkleiden, schlagen wir eine konsequente Materialoptimierung vor, indem wir die Holzkonstruktion hervorheben und biobasierte Materialien einsetzen und auch wiederverwenden“, erklären die Architekten.
Anstatt den Beton mit einer dünnen 'grünen' Schicht zu verkleiden, schlagen wir eine konsequente Materialoptimierung vor, indem wir die Holzkonstruktion hervorheben und biobasierte Materialien einsetzen und auch wiederverwenden.
In ihrem Entwurf bilden sowohl die Beton- als auch die Holzwände dieselbe Oberflächenstruktur aus. Das kommt daher, dass die für die Betonstruktur verwendete Holzverschalung anschließend als Paneelwand verbaut wird. Der gesamte Bauprozess wird damit optimiert, und es fällt weniger Abfall an.
Pilze über der Metro
Abgesehen von einer reduzierten Materialität soll die U-Bahnstation mehr sein, als nur ein Ort, der die Menschen von A nach B bringt. Nach der Vorstellung der Architekten wird die Metro-Station der Zukunft zum Mobility Hub, der die Verkehrswende zu Ende denkt.
Oberhalb der Metro-Stationen sollen pilzförmige Holzpavillons für Belebung und Interaktion sorgen. Die sogenannten M-Pavilions, die an die historischen Telefonkioske von Kopenhagen angelehnt sind, können Cafés, Paketshops, Mietbike-Stationen und Parkmöglichkeiten für Fahrräder beherbergen. Damit würden sie auch dazu beitragen, die letzten Lücken in der Verkehrsinfrastruktur zu schließen, die auch als „First/Last Mile-Problem“ bekannt ist. Das heißt im Grunde dafür zu sorgen, dass die Teilnehmer des öffentlichen Verkehrs auch bequem von der U-Bahn nachhause kommen.
Weil klimafreundliche Strategien nur dann wirklich zünden, wenn auch ein großer Teil der Bevölkerung sie mitträgt, soll die Metro künftig auch ein Ort sein, der vermehrt zur Bewusstseinsbildung beiträgt.
„Unser Konzept soll nicht nur die CO2-Emissionen reduzieren, sondern die Metro in die übergeordnete Mobilitätsstrategie einbinden und die tausenden Fahrgäste jeden Tag miteinbeziehen“, heißt es im Konzept.
Über Projektionen in Kinoleinwandgröße, Plakaten auf der Rolltreppe und eine App soll vor allem eine Botschaft ankommen: Klimaneutralität ist ein Ziel, das nur gemeinsam erreicht wird.
Text: Gertraud Gerst Visualisierungen: JaJa Architects
Lesen Sie weiter im UBM Magazin, der Plattform für Immobilienwirtschaft, Stadtplanung und Design.
Kommentare