Eine Bewegung in der Landschaft
Vom 190 Meter hohen Olympiaturm hat man die beste Aussicht über das Parkgelände, bei schönem Wetter sogar bis hin zur Zugspitze. Von hier oben zeigt sich der Olympiapark in der Minimundus-Ansicht, alles kompakt auf einen Blick. Der Olympiasee am Fuß des Olympiabergs, den man auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs angelegt hat. Radfahrer und Fußgänger, die die grünen Hänge bis hin zur Olympiahalle und dem Olympiastadion bevölkern, das im Sommer zur größten Freiluftbühne der Stadt wird. Über die olympischen Bauten spannt sich die ikonische Zeltdachkonstruktion von Günter Behnisch und Frei Otto. Zur Zeit der Errichtung galt die 74.800 Quadratmeter große Dachfläche aus Plexiglas als optische und statische Sensation.
Dass die Auflagen für einen Neubau in diesem denkmalgeschützten Ensemble sehr streng waren, versteht sich von selbst. Die neue Sportarena München, die derzeit anstelle des ehemaligen Olympia-Radstadions entsteht, müsse sich harmonisch ins Gesamtbild fügen. Eine Wettbewerbsvorgabe, die die dänischen Architekten von 3XN laut Jury am besten erfüllten. Vom Olympiaturm aus betrachtet wird das neue Bauwerk durch sein begrüntes Dach kaum auszumachen sein.
Organische Architektur-Landschaft
SAP Garden, wie die neue Multifunktionshalle aufgrund eines Sponsoringvertrages jetzt heißt, wird das neue Zuhause des Eishockeyclubs Red Bull München sowie des FC Bayern München Basketball. Durch „robuste Design-Lösungen“, wie es heißt, lässt sich die Eishockeybahn in einen Basketballplatz verwandeln. Neben der Profisporthalle, die 11.500 Zuschauer fasst, sollen drei überdachte Eissportflächen für den Breitensport entstehen. Die ovale Kubatur mit der asymmetrisch geschwungenen Lamellenfassade bildet den sichtbaren Teil des Gebäudes, während ein anderer Teil unterirdisch verläuft und nach außen einen begehbaren Hügel bildet.
Mit seinem grünen Dach und der ovalen Struktur fügt sich SAP Garden auf natürliche und respektvolle Weise in die Landschaft ein und schafft eher eine organische Form in der Landschaft als ein Gebäude.
Der landschaftlichen Einbettung der neuen Sportarena kommt eine besondere Bedeutung zu, da man mit dem Entwurf an die ursprüngliche Vision einer „organischen Architektur-Landschaft“ anknüpfen möchte. „Mit seinem grünen Dach und der ovalen Struktur fügt sich SAP Garden auf natürliche und respektvolle Weise in die Landschaft ein und schafft eher eine organische Form in der Landschaft als ein Gebäude“, erklären die Architekten von 3XN ihr Konzept. Für die Landschaftsgestaltung zeichnet das Berliner Büro Latz + Partner verantwortlich, das dafür sorgte, dass die Topographie und das Wegenetz des Olympiaparks kohärent weitergeführt werden.
Wagemut und Optimismus
Um der Verantwortung gerecht zu werden, die mit einem Neubau in einem historisch so bedeutungsvollen Setting einhergeht, setzte sich das Team von 3XN intensiv mit der ursprünglichen Design-Idee und der zugrunde liegenden Denkweise auseinander. So kamen sie zum gestalterischen Leitprinzip „Sport in der Landschaft“, das – ebenso wie die Architektur von 1972 – Wagemut und Optimismus widerspiegeln soll. Ähnlich wie bei ihrem Entwurf für das Olympic House in Lausanne setzen sie das Motiv der Bewegung mithilfe einer parametrischen Fassadengestaltung um.
Während des gesamten Designprozesses haben wir uns oft gefragt, was Günter Behnisch getan hätte.
Über den verglasten Eingängen schwingen die Aluminiumlamellen in einem flachen Bogen nach oben und schaffen so eine Form, die sich mit dem Blickwinkel stetig ändert und Spannung erzeugt. Bescheidenheit und Respekt gegenüber dem architektonischen Erbe war bei dieser Bauaufgabe ebenso gefragt wie die Schaffung einer starken Identität, die neben der Ikone bestehen kann. „Während des gesamten Designprozesses haben wir stets versucht, die Gedanken zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Entwurf geprägt haben, und uns oft gefragt, was Günter Behnisch getan hätte“, erklärt Jan Ammundsen, Partner und Design-Chef von 3XN.
Vorbildliche Stadtplanung
Mit dem Münchner Olympiapark der Sommerspiele von 1972 ist etwas gelungen, was für olympische Spielstätten nicht selbstverständlich ist: Sie werden ganzjährig bespielt und sind auch nach über 50 Jahren ein wahrer Publikumsmagnet. Dabei macht die Stadt sogar aus der preisgekrönten Architektur von Günter Behnisch und Frei Otto ein actionreiches Erlebnis: Bei einer Zeltdachtour können Besucher die 40 Meter Höhe in Kletter-Montur erklimmen und anschließend via Flying Fox wieder am Boden des Stadions landen.
Auf der Suche nach dem stadtplanerischen Erfolgsrezept holen sich die olympischen Organisationskomitees daher regelmäßig Inspiration in München, zuletzt war eine Delegation aus Japan zu Besuch.
Eine Landmark, die sich unsichtbar macht
Mit der neuen Sportarena München bekommt der Olympiapark nun eine weitere architektonische Landmark einverleibt, während zugleich – von oben betrachtet – die Grünflächen des Parks erweitert werden. Das begrünte Dach wird begehbar sein und damit auch einen weiteren Aussichtspunkt in der weitläufigen Anlage schaffen.
Je nach Blickwinkel erscheint das neue Bauwerk, das 2024 eröffnet werden soll, als elegant bewegte Schraffur in der Landschaft oder macht sich im Grün des Parks unsichtbar.
Text: Gertraud Gerst Visualisierungen: 3XN & MIR
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