Ein Versteck an der Goldküste

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Wo Tina Turner, Roger Federer und Freunde mit möglichst opulenten Villen wetteifern, hat jetzt das Schweizer Studio „Think Architecture“ das dezente „Haus im Park“ dazwischen gesetzt. Willkommen an der Goldküste des Zürichsees!

Die Küste des Zürichsees ist wahrlich eine ganz besondere Ecke der Schweiz. Dort, am Stadtrand Zürichs gelegen, findet man Promis, Banker und richtig Reiche wie Sand am Meer. Also sind die Spielregeln für die Objekte am Wasser auch seit Generationen in Stein – Marmor vermutlich – gemeißelt: Wer echt Asche hat, lässt sich an der sonnenseitigen „Goldküste“ nieder. Die mit etwas weniger Kohle an der schattigeren „Silberküste“. Aber als Versteck nutzt diese Gegend des Sehen und Gesehenwerdens definitiv niemand.

Goldküste der Reichen

Schließlich gilt – ganz egal auf welcher Seeseite man sich auch befindet – wer hier wohnt ist jedenfalls auf die Butterseite gefallen. Und will das auch zeigen. Dementsprechend begehrt sind nicht nur die Grundstücke mit Seezugang sondern längst auch jene, die etwas oberhalb gelegen sind. Jene also, die statt des Badebereichs einen prachtvollen Ausblick auf die Uferlandschaft und das weite Wasser freigeben.

Nur kein Hingucker

Eben ein solches Fleckchen Erde konnte sich ein glücklicher Investor kürzlich sichern. Um den auf einer Hügelkuppe gelegenen Park zu gestalten wurde das Zürcher Studio „Think Architecture“ mit der Planung eines mehrteiligen und mit der vorherrschenden Hügellandschaft möglichst verschmelzenden Hauses beauftragt. Übersetzt ausgedrückt: Dieser Auftraggeber will offensichtlich genau das Gegenteil seiner Nachbarn – ein Versteck statt eines Hinguckers!

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Die einzelnen Module reihen sich wie Legosteine …

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… aneinander und übereinander.

Konkret betraute der Eigentümer die Architekten damit, „ein Gebäude mit einer starken Beziehung zur natürlichen Umgebung zu schaffen, ohne den menschlichen und angemessenen Maßstab zur luxuriösen Gegend zu verlieren." Das Ergebnis: Ein wahres Juwel, das die modernen Möglichkeiten der architektonischen Gestaltung und die natürliche Schönheit der Natur in einem zusammenhängenden Komplex vereint. So heißt es jedenfalls in der offiziellen Beschreibung.

In der Landschaft versteckt

Denn die Architekten hatten die Idee, die unterschiedlichen Bereiche des Hauses nicht übereinander zu arrangieren, sondern nebeneinander. So besteht das Objekt nun aus einer Ansammlung einstöckiger Räume, die von außen betrachtet bloß durch eine durchgängige Dachkonstruktion zusammengehalten werden.

So ließ sich die hügelige Landschaftsstruktur einfacher nachempfinden, erklären die kreativen Köpfe und präzisieren: „Dadurch war es uns möglich, die Konturen des Gebiets nachzubilden. Auch konnten wir so die Wohnräume nicht nur harmonisch in die Umgebung betten, sondern gleichzeitig die bestehende Parklandschaft weiterentwickeln und alles ineinander verschmelzen.“

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Das kann man sich im Grunde so vorstellen, als wären die einzelnen Räume wie Legosteine nebeneinander, voreinander und übereinander angeordnet worden. All diese Wohneinheiten sind jedoch intern miteinander verbunden. Außerdem verfügen alle über einen direkten Zugang zum prachtvollen Garten. Weiters gibt jedes Bauteil – ob der unterschiedlichen Ausrichtungen – eine andere Aussicht preis: Einmal auf den Park. Ein andermal auf die umliegenden Berge. Auf Zürich selbst. Oder eben auf das Becken des Zürichsees.

Unspektakuläres Spektakel

Allein, all diese Steine wirken von außen betrachtet so unspektakulär, dass man sie beinahe übersehen könnte. Was aber eben auch Sinn der Sache war, wie die Architekten betonen. Die Bereiche sind mit Naturstein verkleidet, während bloß eine durchgehende Sichtbetonverkleidung am Dachrand sie alle miteinander verbindet.

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Die reduzierten Innenräume sollen den Blick …

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… auf die spektakuläre Außenwelt lenken.

Die horizontale Schichtung des Steins akzentuiert außerdem das natürliche Erscheinungsbild und erweckt den Eindruck, der Baukörper würde aus dem Boden wachsen. Oder in diesem verborgen sein. Große Fenster und unregelmäßig eingesetzte Oberlichten lassen stets natürliches Licht in die Räume.

Braun- und Grautöne

Diese minimalistische Außenansicht und die natürlichen Farben setzen sich naturgemäß in der Gestaltung der Innenräume fort. Es kommt eine durchaus nüchterne Farbpalette von erdigen Braun- und Grautönen zum Einsatz. Auch einfache Oberflächen stehen im Fokus, um das Hauptaugenmerk auf die Besonderheiten, die außerhalb des Hauses liegen, zu lenken – auf die Aussicht.

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Diesen Überlegungen ordnet sich freilich auch die Raumaufteilung unter: Im einzigen von außen sichtbaren Areal, dem "Obergeschoss" des Hauses also, befinden sich alle Wohn- und Schlafräume sowie ein Büro und ein Musikzimmer. Durch die vielen hohen Panoramafenster aus geölter Eiche und eloxiertem Metall hat man von ihnen allen Zugang zum Garten und einen Blick auf die umliegenden Berge, den Park, die Stadt oder den See.

Heimliche Unterwelt

Darunter öffnet sich dann nur dem ins Innere eingeladenen Besucher eine von außen nicht ersichtliche Unterwelt: Freizeit- und Wellnessbereiche sind im Keller angesiedelt, sogar ein unterirdisches Hallenbad. Im Herzen des Hauses befindet sich ein ebenfalls nur für Besucher zugängliches Kleinod: Ein hoher Lichtschacht, der natürliches Licht selbst in die Tiefe des Gebäudes eindringen lässt.

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Die Labyrinths nachempfundenen Bücherregale greifen den Modul-Charakter des Hauses auch im Inneren auf.

Die Räume selbst zeichnen sich durch Materialien wie Terrazzo im Zusammenspiel mit Marmor und grau gestrichenen Decken und Böden aus. Die Schlafzimmer, Bäder und Räume im Untergeschoss haben dunklere Farben und Materialien, um sie trotz Schlichtheit heimelig wirken zu lassen. Hier wurden strukturierte, mit Kalk verputzte Wände mit schwarzem Quarzstein und gebeizter Eiche kombiniert. Der spektakuläre Swimmingpool wurde gar mit schwarzen Mosaikfliesen und einer dekorativen Platte aus roter Zeder versehen.

Verstecktes als Schmuckkästchen

Zusammengefasst lässt sich sagen: Dieses Haus versucht sich förmlich in der Landschaft vor aufdringlichen Blicken zu verstecken, hebt jedoch gleichzeitig durch sein reduziertes Innenleben die Aussicht auf die spektakuläre Umgebung hervor. Und weil der Eigentümer nicht bekannt gibt, auf welcher der beiden Seiten des Zürichsees dieses Schmuckkästen steht, muss man es wohl mit besonderer Akribie suchen, so man es denn finden möchte.

Aber vielleicht ist an Küsten, die nach besonders schimmernden Edelmetallen benannt sind, eben diese Unsichtbarkeit der wahre Luxus.

Text: Johannes StühlingerFotos: Think Architecture

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