Die Pyramiden von Datong

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Foster + Partners hat das Datong Art Museum in China fertiggestellt. Es hat eine pyramidenförmige Dachlandschaft, die unterirdische Kunstgalerien überdeckt. Die Grand Gallery verfügt über eine immense Spannweite.

Bis heute sind die Rätsel um die Bauform von Pyramiden und ihre spirituelle Bedeutung nicht gänzlich gelöst. Fakt ist, dass Pyramiden den Menschen seit jeher faszinieren und als spirituelle Kraftorte gelten.

In etlichen Ländern der Erde gibt es pyramidenförmige Bauten von großer Schönheit zu sehen. Angefangen von den Pyramiden der Mayas über jene in Bosnien bis hin zu den bekanntesten und ältesten erhaltenen Bauwerken der Menschheit, den Pyramiden von Gizeh.

Auch in China soll es Pyramiden geben beziehungsweise gegeben haben. Darunter eine ganz besonders sagenumwobene: Die (offiziell unentdeckte) große Weiße Pyramide nördlich von Xi'an, der Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Shaanxi. Sie markiert den östlichen Endpunkt der Seidenstraße. In der Umgebung befindet sich auch die weltberühmte archäologische Stätte der Terrakotta-Armee.

Datong Art Museum mit „Pyramidenenergie”?

Ob das britische Architekturbüro Foster + Partners die Pyramidenenergie im Datong Art Museum einfangen wollte, ist nicht überliefert. Jedenfalls aber ist das Projekt der renommierten Briten vor kurzem fertig geworden.

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Denn die Stadt Datong in Nordchina bekommt ein ganzes neues Kulturviertel. Es wird vier Gebäude umfassen, gemeinsam sind sie als kreatives Zentrum für die Region geplant. Und der pyramidenförmige Bau Datong Art Museum ist eines davon.

Stützenfreie, riesige Grand Gallery

Und der Grund für die Assoziationskette, die zur Erwähnung der aufsehenerregenden Bauten führt, liegt – erraten – in der Form des von Foster + Partners entworfenen Objekts.

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Die Stadt Datong in Nordchina bekommt ein ganzes neues Kulturviertel.
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Das Kulturviertel wird vier Gebäude umfassen, eines davon ist das Datong Art Museum.

Das Datong Art Museum, Chinas „Museum des 21. Jahrhunderts”, wie es heißt, eröffnete dieses Jahr mit einer Sonderausstellung von Ölgemälden lokaler Künstler.

Auch längerfristig ausreichend Galerieraum

Das Herzstück des 32.000 Quadratmeter großen Gebäudes auf dem Kulturplatz von Datong New City ist die Grand Gallery. Dieser fast heroisch anmutende, von oben beleuchteter Ausstellungsraum misst eine Höhe von 37 Metern und eine Spannweite von fast 80 Metern.

In der stützenfreien Galerie können Künstler auch großformatige Kunstwerke produzieren und zeigen. Ebenso kann die Grand Gallery auch für Performance-Kunst und Veranstaltungen genutzt werden.

Mit 40-Fuß-Containerfahrzeug direkt ansteuerbar

Wie praktisch, dass die Galerie direkt von einem 40-Fuß-Containerfahrzeug angefahren werden kann. So kann man große Skulpturen, Bühnen- und Beleuchtungseinrichtungen leicht aus- und beladen und auch leichter installieren.

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Die Gebäudekörper des pyramidenförmigen Baus setzen sich unter Erdniveau fort.
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So entsteht unterirdisch eine riesige, stützenfreie Galerie.

Bei Foster + Partners hat man sich dafür entschieden, das Museum in den Boden einzubetten. So lässt sich Platz zu sparen, zudem kann man die benachbarten Kulturgebäude flexibel ergänzen. Gleichzeitig haben die Architekten auf diese Weise sichergestellt, dass auch längerfristig wirklich ausreichend Galerieraum zur Verfügung steht.

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Die Oberlichten lassen Tageslicht herein und dienen auch als Beleuchtungskörper.
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Die erdfarbenen, natürlich oxidierten, gebogenen Stahlplatten verleihen der Struktur 3D-Anmutung.

Die vier mit wetterfestem korrodierten Stahl im verwitterten Design verkleideten Pyramidenspitzen des Datong Art Museum variieren in der Höhe. Daraus ergibt sich die große, strukturelle Spannweite des Gebäudes. Die Dachlandschaft ist einerseits ein visuelles Statement, andererseits unterstützt sie gleichzeitig die Ableitung von Wasser.

3D-Optik durch gebogene, korrodierte Stahlplatten

Die erdfarbenen, natürlich oxidierten, gebogenen Stahlplatten verleihen dem Dach eine dreidimensionale Optik. Die Platten sind so proportioniert, dass sie zu den großen Dimensionen des Museums passen, und ihre lineare Anordnung akzentuiert die pyramidale Dachform.

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Die Pyramiden fächern sich nach außen hin zu den vier Ecken des Kulturplatzes und sind teilweise in den Boden eingelassen. Daher erinnern sie auch an erhaben nach oben ragende Felsgipfel.

Angemessene Proportionen für eine gute Gesamtkomposition

Durch das Eintauchen des Gebäudes in den neuen Platz steht es in einem angemessenen Verhältnis zu den drei weiteren Kulturgebäuden der Gruppe.

So ist die Gesamtkomposition des Masterplans des Viertels in Balance und Harmonie. Gleichzeitig wird das innere Volumen maximiert. Andere zeitgenössische Museen mit unterirdischen Galerien sind das Amos Rex von JKMM Architects in Helsinki und das Danish National Maritime Museum der Bjarke Ingels Group (BIG) in Helsingør.

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Die Grand Gallery bietet Künstlern dank des großen Baukörpers viele Möglichkeiten.

Zwischen den einzelnen „Gipfeln” sind Oberlichten, das tagsüber das natürliche Licht bis weit in die unterirdischen Galerien tragen und nachts den umliegenden Platz beleuchten.

Nordausrichtung der Fenster schützt die Kunstwerke

Allerdings galt es zu beachten, dass die Kunstwerke vor zu viel direktem Sonnenlicht geschützt sein müssen. Daher sind die hohen Fenster nach Norden und Nordwesten ausgerichtet, um die Sonneneinstrahlung zu minimieren und eine geeignete Umgebung für die Kunstwerke im Inneren zu schaffen, berichten die Experten von Foster + Partners.

Die effiziente passive Bauweise des Gebäudes ist auf das Klima in Datong abgestimmt. Eine leistungsstarke Überdachung reduziert den Energieverbrauch.

Wartungsarme, passive Bauweise

Das Dach macht 70 Prozent der exponierten Fläche aus. Es ist den Angaben zufolge doppelt so gut gedämmt, wie von den Bauvorschriften her vorgeschrieben. Die Verglasung macht nur zehn Prozent der Fläche aus. Das minimiert den Wartungsaufwand.

Foster + Partners hat das Datong Art Museum als „urbanes Wohnzimmer” konzipiert. Was das konkret bedeutet: Die Pyramiden sind von landschaftlich gestalteten, begrünten Plätzen flankiert. Dazwischen kreuzen Wege diagonal zum Museumseingang und Rampen bringen die Besucher hinunter zu einem „versunkenen Platz” und einem informellen Amphitheater.

Soziales Zentrum, wie ein „urbanes Wohnzimmer”

Luke Fox, Leiter des Studios von Foster + Partners: „Das Museum ist als soziales Zentrum konzipiert, das Menschen, Kunst und Künstler in einem Raum zusammenbringt, in dem sie interagieren können.”

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Der Zugang zum Gebäude erfolgt über ein Zwischengeschoß. Von dort aus hat man einen spektakulären Blick auf die Grand Gallery. Um die Große Galerie herum gibt es eine Reihe kleinerer klimatisierter Ausstellungsräume, eine Mediathek, ein Archiv, Lagerräume sowie eine Galerie für Kinder, eine Lobby mit speziellem Eingang für Gruppen, ein Café plus ein Restaurant.

Die Fertigstellung war ursprünglich für 2013 angepeilt. 2020 war dann der nächste Termin. Corona hat dem Ganzen wohl zeitlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Es gibt in China etliche spektakuläre Museen, etwa das von MAD Architects entworfene Sanxingdui-Museum in der Provinz Sichuan, das Einblicke in das geheimnisvolle Su-Kulturerbe gibt oder das vom Architekturbüro CROX entworfene Liyang Museum, das die Kultur und Traditionen der Region aufgreift.

Foster + Partners, das 1967 von Norman Foster gegründete Büro, hat kürzlich auch das Museum Narbo Via in Narbonne in Südfrankreich fertiggestellt, das von farbigen Betonwänden gesäumt wird.

Text: Linda Benkö Fotos: Yang Chaoying /F+P

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