Die Lehm-Villen von Costa Rica

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Die tschechische ArchitektinDagmar Štěpánová hat ein kleines, feines Juwel geschaffen: Die ersten Lehm-Villen von Costa Rica. Zwei zauberhaft minimalistische Häuschen, die nun Urlaubsgäste begeistern. Mit dem Dschungel im Rücken und dem Pazifik vor Augen.

Dassdie Gründerin des renommierten Studios Formafatal neben ihrem Prager Büro auch eines in Costa Rica hat, ist Fans ihrer Arbeit längst bekannt. Schließlich konnte Dagmar Štěpánovás Team mit dort verwirklichten Projekten bereits begehrte Architektur-Awards für sich verbuchen. Mit der kleinen, feinen Anlage „Achioté“ hat die Baukünstlerin allerdings einmal mehr bewiesen, dass ihr Naturnähe und Nachhaltigkeit besonders wichtig sind. Denn dabei handelt es sich um die ersten Lehm-Villen von Costa Rica.

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Die Lehm-Villen „Jaspis“ (Bild oben, links) und „Nefrit“ (oben rechts) thronen am Steilhang über der Küste.
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Alle tragenden Wände der Häuser wurden aus bei der Errichtung ausgehobenem Lehm gefertigt.

Alle tragenden Wände dieser Lehm-Villen bestehen ausschließlich aus jenem Material, das für den Bau ausgehoben wurde. Die hübschen Häuser thronen in 300 Metern Höhe über dem Meer, auf einem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück unweit der Stadt Uvita. Jeweils 90 Quadratmeter Fläche wurden für die Lehm-Villen verbaut.

Dschungel-Domizile mit Pazifik-Blick

Schon die Lage der beiden, für kurzfristige Vermietung gedachten Domizile fasziniert: Sie scheinen teilweise geradezu über dem steilen Südhang des Hügels zu schweben. Umgeben von dichter Dschungel-Vegetation, aber mit grandiosem Ausblick auf den Pazifik.

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Dagmar Štěpánová hat das Projekt mit viel Fingerspitzengefühl und Fokus auf die umliegende Naturlandschaft entworfen: „Meine Absicht war es, nachhaltige Häuser mit biophilem Interieur zu entwerfen. Solche, die anspruchsvoll durchdacht und gleichzeitig stark minimalistisch und einfach gestaltet sind“. Und was entstand, passt zum erklärten Ziel der Architektin: „Kein unnötiges zusätzliches Element. Aber auch nichts, was man vermissen könnte“.

Zwischen Kontrast & Harmonie

Die fast filigranen, klaren Linien der Lehm-Villen stehen bewusst im Kontrast zur üppigen tropischen Vegetation. Was Materialien und Farbgebung betrifft, fügen sie sich jedoch stimmig in ihre Umgebung ein.

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Im Grün versteckt, aber nach vorne offen: Villa „Nefrit“ unterscheidet sich von ...
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... ihrer Schwester „Jaspis“ (siehe Beitragsbild) nur, was die Farbgebung betrifft.

Architektonisch sind die beiden Häuschen wie eineiige Zwillinge konzipiert. Auch die verwendeten Materialien, Grundrissgestaltung und Ausrichtung sind identisch. Nur das Innenleben unterscheidet die Gebäude deutlich voneinander. Nämlich durchs gezielt angewandte Farbkonzept, das sich zum Teil auch im Außenbereich bemerkbar macht.

Lehm-Villen nach Yin & Yang Prinzip

Zur Farbpalette, die das Interieur bestimmt, erklärt Štěpánová: „Das Konzept antwortet auf die Energien, die vor dem Bau am Standort wahrgenommen wurden“. Obwohl die beiden Lehm-Villen nur zwölf Meter voneinander entfernt sind, habe „jede von ihnen deutlich unterschiedliche Schwingungen, die ich in der Innenraumgestaltung berücksichtigt habe“. Eine Strategie, die sich auf Begriffe der chinesischen Philosophie bezieht: Auf die gegensätzlichen, sich jedoch ergänzenden Prinzipien Yin und Yang.

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„Hell“ & „dunkel“: Das Interieur der Villa „Jaspis“ (oben) steht für „Yin“,
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... während jenes der Villa „Nefrit“ sich am Prinzip des „Yang“ orientiert.

Die „helle“ Villa Jaspis steht dabei, wie Štěpánovás Beschreibung erläutert, für Yin-Energie: Sie ist mit dem Meer und dem Himmel verbunden. Nicht nur visuell, sondern auch durch ihre Schwingungen. „Mit einem Farbkonzept in Sandtönen reagiere ich auf diese Verbindung“, schildert die Architektin. Jaspis heißt übrigens auch eine transparente Form des Minerals Quarz.

Himmlisch und erdig

Auch der Name des zweiten Hauses hat „mineralischen“ Hintergrund: Er lautet Nefrit. Diese „dunkle“ Villa entspricht, so Štěpánová, der Yang-Energie und mache die Verbindung mit dem Boden und dem Dschungel spürbar: „Auch hier ist das gewählte Farbkonzept eine Reaktion auf diese Energien“. So soll etwa der in Terrakotta gehaltene Betonboden die rötlichen Nuancen der örtlichen Erde aufs Innere des Hauses übertragen.

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Identische Architektur, unterschiedliches Wohngefühl:
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Die Lehm-Villen „Jaspis“ (Bild links) und „Nefrit“ (Bild oben).

Auch wer für derlei energetische Ansätze wenig übrig hat, wird sich der Schönheit des Designs kaum verschließen können. Vor allem nicht der atemberaubend schönen Überraschung, die Gäste beim Betreten der Häuschen erwartet. Schließlich wirken die beiden Lehm-Villen von außen aufs Erste extrem dezent und nahezu bescheiden.

Schlicht und doch luxuriös

An den Seiten von neu gesetzten tropischen Pflanzen gesäumt, verraten sie ihren wahren Zauber nämlich erst, wenn man eintritt und auf ihre Terrassen zugeht. Denn dann eröffnet sich nach wenigen Schritten eine umwerfende Aussicht auf den Ozean. Und das großzügige Hauptschlafzimmer mit angrenzenden Terrassen und Infinity-Tauchbecken lässt sich mit Fug und Recht als luxuriös bezeichnen. 

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Architektin Dagmar Štěpánová fungierte beim Projekt „Achioté“ auch als Co-Investorin, Projektmanagerin und Bauleiterin. Und sie betont: „Ich habe extremen Wert auf alle konstruktiven und architektonischen Details und ihre gegenseitigen Begrenzungen gelegt“. Während die tragenden Mauern aus Stampflehm gefertigt sind, wurde für Boden- und Deckenplatten, Innenwände, Tauchbecken und Teile der Innenausstattung Beton verwendet.

Lehm, Glas, Stahl & Beton

Das rohe Material der Stampflehmwände und des Betons wurde durch Doppel-T-Träger aus Baustahl ergänzt, die eine monolithische Deckenplatte aus Beton tragen. Die Träger und Ringbalken der Häuser sind nur an der Oberseite des Daches sichtbar, das mit einem Paar U-Profilen aus Stahl verkleidet ist. Sie erfüllen auch Dachboden-Funktion.

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Eintauchen zwischen Dschungel und Ozean: Die Lehm-Villen bieten ...
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... große Terrassen mit Tauchbecken und grandioser Aussicht.

Alle dem Ozean zugewandten Fassaden sind aus rahmenlosem Glas gestaltet. Die Profile der Schiebe- und Massivteile dieser Glasflächen sind in die Nuten der Betondeckenplatte eingelassen. Gleiches gilt für die Installation der Innenbeleuchtungsschienen, die Verbindungsschiene fürs Moskitonetz und die Vorhänge, die das Bett umgeben.

Rutsch- und wetterfest

Die Bodenplatten der Lehm-Villen sind mit rutschfestem, strukturiertem Zementestrich beschichtet. Die übrigen Innenwände, einschließlich der massiven, maßgefertigten Möbel, wurden ebenfalls mit Zementschichten verkleidet. Dort schimmert dieser jedoch in glatter und matter Ausführung.

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Hell in „Jaspis“, dunkel in „Nefrit“: Ein Gutteil des Interieurs ...
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... wurde von Formfatal-Gründerin Dagmar Štěpánová selbst entworfen.

Das Klima Costa Ricas mit seiner hohen Luftfeuchtigkeit verlangte nach möglichst haltbaren Materialien. Und weil im Land selbst noch niemand Erfahrung mit der Bauweise der Lehm-Villen hatte, setzte Architektin Štěpánová auf die Unterstützung brasilianischer Spezialisten: Experten des Unternehmens Terra Compacta lieferten das nötige Know-How und bildeten einheimische Handwerker aus.

Gekonnter Minimalismus

Das Ergebnis sind die nun fertigen, ersten Lehm-Villen Costa Ricas. Und diese brillieren obendrein mit außergewöhnlichen Details. Ihre minimalistische Architektur setzt sich auch im Inneren auf komfortable Art fort. So findet sich dort etwa keine Türe. Nur eine großformatige Schiebetür im Bereich der Dusche und Toilette erfüllt diese Funktion, dient zugleich aber auch als Hängewand mit großem Spiegel.

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Das Interieur der Lehm-Villen ist größtenteils maßgefertigt. Bei Küchentisch, Spüle, Regalen, Nachttischen und Sitzbank entschied sich die Formafatal-Gründerin für Beton. Bei diesen, von ihr selbst designten Elementen, ließ sich Štěpánová von der Arbeit des belgischen Designstudios Bram Vanderbeke inspirieren.

Lehm-Villen mit exquisitem Interieur

Auch die Betten aus massivem Teakholz und die Glasschiebetür im Sanitärbereich entstammen ihrer Feder. Andere Möbel, Leuchten, Accessoires und Kunstwerke wurden mit Bedacht auf Originalität aus den Sortimenten internationaler Designer ausgewählt.

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Die Lehm-Villen nahe der Playa Hermosa und der Stadt Uvita fügen dem Profil des Studios Formafatal ein weiteres Highlight hinzu. Dass Dagmar Štěpánová und ihr Team bemerkenswerte Originale schaffen, ist durch Projekte wie die ebenfalls in Costa Rica gelegenen „Coco Villas“ oder die Neugestaltung des schicken Prager Restaurants „Gran Fierro“ längst erwiesen. Und mit „Achioté“ haben die Architekten nicht nur Costa Ricas erste Stampflehm-Anlage, sondern auch ein verlockendes Urlaubsdomizil für Individualisten geschaffen.

Text: Elisabeth Schneyder Bilder: BoysPlayNice

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