Der Himmel in Stücken

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Das Kanagawa Institute of Technology hat eine Plaza bekommen, die mit allen Normen bricht. Halb im Freien, halb unter Dach, wird der öffentliche Raum hier komplett neu gedacht.

Vereinzelt sitzen Menschen in den Lichtquadraten, die die Sonne auf den weißen Boden wirft. Beim Blick nach oben sehen sie durch die Öffnung im Dach ein ausgeschnittenes Stück vom Himmel. Wenn es regnet, erleben sie ein ganz anderes Szenario. Dann werden sie Zeugen einer Live-Performance von rechteckigen Regensäulen, die wie plastisch im Raum stehen und ihn mit White Noise füllen. Mit der Plaza of Kanagawa Institue of Technology hat der japanische Architekt Junya Ishigami den öffentlichen Platz aus den Angeln gehoben.

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Die Semi-Outdoor-Plaza von Architekt Junya Ishigami ist eine architektonisch kreierte Landschaft mit künstlichem Horizont.

Ein Ort, an dem das Vergehen der Zeit selbst zum Thema wird.

von Junya Ishigami, Architekt

Er schuf eine spektakuläre Raumlösung, die nicht ganz ohne Not geboren wurde. Zum einen gab es an der technischen Privat-Universität in der Stadt Atsugi bereits eine Reihe an multifunktionalen öffentlichen Plätzen. Zum anderen fehlte es an landschaftlicher Diversität in der unmittelbaren Umgebung der Plaza. Ringsum wird die Sicht ausnahmslos von Institutsgebäuden verstellt. Für einen Platz der Erholung fehlte es dem Architekten an Horizont und Weite.

Die kuratierte Erfahrung

Mit der Semi-Outdoor-Plaza schuf Ishigami kurzerhand seine eigene Kunst-Landschaft, die an ihrer weitesten Stelle 90 Meter misst. Dort, wo die gekrümmte Bodenfläche auf die gekrümmte Dachfläche trifft, entsteht so etwas wie ein Horizont und ein Gefühl von Weite.

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Anders als gewohnt sollte der Platz keinen bestimmten Zweck erfüllen. Vielmehr sollte der weiße Raum mit den 59 Dachöffnungen eine neue, kuratierte Erfahrung liefern. Eine komplett neue Art des Draußen-Seins. „Ein Ort, an dem das Vergehen der Zeit selbst zum Thema wird“, beschreibt Ishigami seine Raumkomposition, die halb im Freien, halb unter Dach ist.

Körper und Umgebung verschmelzen zu einer landschaftlichen Einheit.

von Junya Ishigami, Architekt

Sitzt der Besucher am Boden des Bauwerks, so kann er eine tiefe Verbindung zu seiner architektonisch gestalteten Umgebung aufbauen, regt die Projektbeschreibung an. „Der Boden wird zu einer bequemen, hügelähnlichen Neigung, wie in einem riesigen Bett. Körper und Umgebung verschmelzen zu einer landschaftlichen Einheit“, heißt es weiter.

Trockener Boden auch bei Regen

Auch wenn der Architekt mit seinem Entwurf weniger eine Funktionalität als eine Erfahrung im Sinn hatte, so bietet die Plaza dennoch vielseitige Nutzungsmöglichkeiten für die Studenten. Je nach Wetter können sie in ihrer Pause in einem der Sonnenvierecke Platz nehmen oder im Schatten des Dachs ein Nickerchen machen. An regnerischen Tagen bietet der halbüberdachte Platz sogar die Möglichkeit, Sport im Freien auszuüben.

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Die Plaza mit ihren 59 Dachöffnungen von oben

Damit sich bei Regen keine Lachen bilden, wurde der Boden mit wasserdurchlässigem Asphalt versiegelt. Das Regenwasser, das durch die Dachluken auf den Boden trifft, wird umgehend absorbiert und abgeleitet. So bleibt die Plaza auch bei nassem Wetter trocken.

Shootingstar und Meister der Leere

KAIT Workshop, ein Zubau des Kanagawa Institute of Technology, war sein erstes Projekt auf dem Uni-Gelände. Auch hier, ebenso wie in vielen anderen seiner Projekte, stand die Wechselbeziehung zwischen Landschaft und Architektur im Vordergrund.

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Menschen in einer Landschaft, die sich aufzulösen scheint.

Es gibt nichts Schöneres als Leere. Ich will mit meinen Häusern einfach nur die Leere einfangen.

von Junya Ishigami, Architekt

Junya Ishigami war ein Schüler von Pritzker-Preisträgerin Kazuyo Sejima und gilt als neuer Shootingstar der Architekturszene. Seit er sich mit Junya Ishigami + Associates selbstständig gemacht hat, überrascht er mit Projekten, die sich im Nichts aufzulösen scheinen.

"Es gibt nichts Schöneres als Leere. Ich will mit meinen Häusern einfach nur die Leere einfangen“, sagte er am Rande seiner Ausstellungseröffnung zu „Freeing Architecture“ in Paris. 2008 und 2010 nahm er an der Architektur-Biennale in Venedig teil und wurde mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Junya Ishigami + Associates

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