Der Bundestag im Holzmodulbau

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Der Deutsche Bundestag setzte für seine neuen Abgeordnetenbüros, dem Luisenblock West, auf Holzmodule vom Band. Beim Vorarlberger Modulspezialisten Kaufmann Bausysteme läuft die Produktion seither auf Hochtouren. Für Hotels, Schulen und Studentenwohnheime.

In Berlin ist man etwas abgehärtet, was die massive Bauzeitüberschreitung von öffentlichen Gebäuden angeht. Das Debakel um den neuen Flughafen Berlin Brandenburg ist allen noch gut in Erinnerung. Er ging 2020 mit neun Jahren Verspätung und fünf Milliarden Euro Mehrkosten in Betrieb. Umso erstaunter war man, als das neue Bürogebäude für den Deutschen Bundestag nach nur 15 Monaten Bauzeit bezugsfertig war. Der Grund dafür liegt in der modularen Holzbauweise. Der Luisenblock West, wie der Neubau für rund 400 Abgeordnete heißt, besteht aus 470 Massivholzmodulen, die werkseitig komplett vorgefertigt wurden – inklusive Fenster, Heizungen und Steckdosen.

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Die neuen Büros für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages standen nach nur 15 Monaten.

Holzmodule vom Band

Die Pläne für das siebenstöckige Gebäude stammen vom Architekturbüro Sauerbruch Hutton, umgesetzt wurde es von der Bietergemeinschaft Kaufmann Bausysteme und Primus Developments. Auf dem Cöpenicker Industriegelände im Südosten von Berlin sind die sechs Tonnen schweren und sieben Meter langen Holzmodule vom Band gelaufen.

Dort hat der Vorarlberger Modulbauspezialist Kaufmann Bausysteme vor einigen Jahren eine weitere Produktionsstätte eröffnet. „Wir haben damals einen Auftrag für drei Schulen bekommen, und es hätte keinen Sinn ergeben, die Module aus Österreich herzukarren“, erklärt Christian Kaufmann, der das Unternehmen in dritter Generation leitet. Ein Schritt, der sich mehr als bezahlt gemacht hat. Nach dem prestigeträchtigen Bau für den Deutschen Bundestag produziert die Firma aktuell Raummodule für zwei Hotels, zwei Studentenwohnheime und 32 Schulerweiterungen in Berlin.

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Der Luisenblock West besteht aus 470 Massivholzmodulen, die werkseitig komplett vorgefertigt wurden.

Ist ein Holzmodulbau parlamentstauglich?

„Legohaus“ oder „Villa Kunterbunt“ nannte man anfangs den Neuzugang im Berliner Regierungsviertel, der sich mit seinen farbigen Fassadenpaneeelen im bunten Kleid präsentiert und sich damit auch äußerlich von der betonlastigen Umgebung abhebt. Bestand am Anfang eine gewisse Skepsis, ob ein Holzmodulbau parlamentstauglich sei, so gab es beim Bezug der fertigen Büros keine Zweifel mehr. „Der Run der Fraktionen auf die Räumlichkeiten war beachtlich“, erklärte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki bei der Eröffnung des neuen Bürogebäudes im Februar 2022.

Ich glaube, dass diese Form der Bauweise zukunftsweisend sein kann und, dass sich auch Firmen ein Beispiel daran nehmen können.

von Wolfgang Kubicki, Vizepräsident des Deutschen Bundestages

Wenn es darum geht, akuten Raumbedarf möglichst schnell zu decken und dabei eine hohe Bauqualität zu erzielen, ist der Holzmodulbau derzeit fast konkurrenzlos. Die Nachhaltigkeit, die diese Bauweise außerdem in Form von Erneuerbarkeit, CO2-Senke und Rückbaubarkeit mit sich bringt, ist derzeit noch das Sahnehäubchen der Kosten-Nutzen-Analyse.

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Lediglich die Bodenplatte, die Technikräume im Erdgeschoss und der Erschließungskern wurden in Stahlbetonfertigteilbauweise errichtet.

Das Wood-Cycle-Prinzip

Eine spezielle Nachhaltigkeit war in der Ausschreibung des Luisenblocks nämlich nicht vorgegeben. Was aber laut Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, dem Bauherren des Projektes, bei der Entscheidung sehr wohl eine Rolle gespielt habe, sei das Wood-Cycle-Prinzip, das die Bietergemeinschaft garantiert. Darin verpflichtet sie sich, die 5.000 Kubikmeter Fichtenholz, die im Gebäude verbaut sind, in Form von 15.000 Bäumen wieder aufzuforsten.

Dabei muss man wissen, dass das Holz für den Regierungsbau aus Österreich stammt, wo seit über 170 Jahren eines der weltweit strengsten Forstgesetze in Kraft ist. Dies besagt, dass nicht mehr geerntet werden darf als nachwächst.

Laut einer Information der österreichischen Forst- und Holzwirtschaft ist es tatsächlich so, dass die Waldfläche in Österreich jedes Jahr sogar um 2.300 Hektar wächst.Die Aufforstung im Rahmen des Wood-Cycle-Prinzips wäre also eine zusätzliche Initiative, unabhängig vom gesetzlichen Auftrag.

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Das Fichtenholz, das im Gebäude verbaut ist, wird in Form von 15.000 Bäumen wieder aufgeforstet.

In diesem forstwirtschaftlichen Zusammenhang wurde übrigens bereits im Jahr 1713 erstmals der Begriff Nachhaltigkeit verwendet, der ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur als Basis für eine zukunftsfähige Waldwirtschaft beschreibt.

Hohe Rückbaubarkeit der Module

Das Bürogebäude nördlich des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses weist einen H-förmigen Grundriss auf. Nur die Bodenplatte, die Technikräume im Erdgeschoss und das zentrale Atrium wurden in Stahlbetonfertigteilbauweise errichtet, alles andere – also rund 70 Prozent des Gebäudes – besteht aus Vollholz-Elementen. Die Module mit einer Größe von 3,20 mal 6,75 Meter wurden wie Bauklötze über einander gestapelt und sind dadurch besonders rückbaufähig.

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Rund 70 Prozent des Gebäudes bestehen aus Vollholz-Elementen.

Dieser Aspekt spielte bei der Entscheidungsfindung ebenfalls eine Rolle, da die „Luise“, wie sie mittlerweile genannt wird, ursprünglich als Provisorium für 15 Jahre ausgeschrieben war, auch wenn man mittlerweile von einer längeren Nutzung durch den Bund ausgeht. Laut Christian Kaufmann könnte der farbenfrohe Bau auch 100 Jahre stehen. Von dem nachhaltigen Bauprojekt erwarte man sich auch eine gewisse Vorbildwirkung. „Ich glaube, dass diese Form der Bauweise zukunftsweisendsein kann und, dass sich auch Firmen ein Beispiel daran nehmen können“, sagte Kubicki, der auch Vorsitzender der Bau- und Raumkommission des Ältestenrates ist.

Der Vorarlberger Modulbauspezialist hat unterdessen einen weiteren Großauftrag an Land gezogen – diesmal in Rostock. Bis September 2025 sollen 1000 Module für ein Studentenwohnheim gefertigt werden. Das Werk in Berlin-Köpenick hat man unterdessen um eine zusätzliche Produktionsstraße erweitert.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Jan Bitter, © Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann / Thomas Trutschel / photothek Grafiken: Sauerbruch Hutton

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