Büro im Kornspeicher

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Wie gut Denkmalschutz und adaptiver Re-Use zusammengehen, das zeigt das Projekt Kornversuchsspeicher in Berlin. Das Industriedenkmal wurde umgebaut und aufgestockt und erstrahlt nun als historisches Wahrzeichen der neuen Europacity.

Man schreibt das Jahr 1898, als man auf dem Gelände des Hamburger- und Lehrter Güterbahnhofs in Berlin-Moabit den Kornversuchsspeicher eröffnet. Der sechsgeschossige Backsteinbau soll dazu beitragen, die Lebensmittelversorgung der rasant wachsenden Bevölkerung zu sichern. Man erprobt neue wissenschaftliche Methoden, um große Mengen an Getreide zu lagern, ohne dass seine Keim- und Backfähigkeit verloren gehen. Durch die innovative Schüttbodenspeicherung gelingt es, die Haltbarkeit des Korns zu verbessern und in der Folge die Sterberate bei Menschen zu halbieren, die sich an schlechtem Brot vergiftet haben. Der industrielle Kastenspeicher, der insgesamt 1.130 Tonnen Getreide in fünf Schüttböden und vier Silos fasst, gilt als Zeichen für Aufbruch und Erneuerung an der Schwelle zum 20. Jahrhundert.

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Die Aufstockung hebt sich vom Bestand in einer anderen Struktur der Ziegelfassade ab.
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Manche Ausfachungen im Erweiterungstrakt wurden durch Verglasungen samt Balkonen ergänzt.

Gut 120 Jahre später, nachdem das Baudenkmal viele Jahre leergestanden hat, stehen die Zeichen wieder auf Erneuerung. Auf dem Areal nördlich des Berliner Hauptbahnhofs ist mit der Europacity ein neues Stadtviertel entstanden, das gerne als „Abwurfplatz für Betongold“ verschmäht wird. Zehn Jahre zuvor, als man das ehemalige Bahngelände privatisiert hatte, galten vorausschauende Stadtplanung und nachhaltige Gestaltungskonzepte noch nicht als Priorität. Doch die Anforderungen an Quartiere und Bauvorhaben haben sich seither grundlegend gewandelt.

Ein Industriedenkmal erwacht

Der Kornversuchsspeicher ist der einzige verbleibende Bau der nördlichen Europacity, der stellvertretend für das industrielle Erbe am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal steht. Um es zum historischen Wahrzeichen für das neue Stadtquartier Wasserstadt Mitte zu machen, hat man es aus seinem Dornröschenschlaf geweckt und erfolgreich wiederbelebt. Mit einem zeitgemäßen Nutzungskonzept und architektonischen Interventionen, die das Denkmal behutsam in die Gegenwart holen.

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Die neu entstandenen Büroräumlichkeiten punkten mit markantem Industrieflair.

Durch eine Reihe raumbildender Interventionen, die in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz entwickelt wurden, gelang es, das Gebäude in eine zeitgemäße Nutzung überzuführen.

von AFF Architekten

Die Transformations- und Umbauarbeiten erfolgten nach den Plänen des Büros AFF Architekten, das auf die Sanierung historischer Gebäude spezialisiert ist. Laut Vorgabe der Entwickler Taurecon und Adler Real Estate sollte das äußere und innere Erscheinungsbild sowie historische Elemente des Industriedenkmals weitgehend erhalten bleiben.

Büroflächen mit Industriecharme

Das gilt für die außergewöhnlichen Trichterspeicherdecken ebenso wie für die Backsteinfassade, die man beim aufgestockten Dachgeschoss neu interpretiert hat. Aufgrund der zum Teil geringen Raumhöhe mussten Decken abgetragen und Galerieebenen als Stahlkonstruktionen eingezogen werden. Durch diese behutsamen Interventionen entstanden zeitgemäße Räume für neue Arbeitswelten, die den starken Bezug zur industriellen Geschichte wahren.

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Die einzigartigen Schüttdecken des Industriedenkmals konnten erhalten bleiben.
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Eine alte Sackrutsche blieb erhalten und dient heute als Raumskulptur.

Um auch das äußere Erscheinungsbild zu wahren, erfolgte die Dämmung im gesamten Gebäude an der Innenseite. Den historischen Mauerwerksverband im 24 Zentimeter dicken Reichsformat hat man auch für den Dachgeschossaufbau beibehalten. Der aufgestockte Bauteil bildet einen starken Abschluss und hebt sich durch Vor- und Rücksprünge vom Bestand ab.

Zwei neue Dachterrassen bieten großzügigen Ausblick über den Kanal und die Europacity und öffnen den Speicher nach außen hin. „Durch eine Reihe raumbildender Interventionen, die in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz entwickelt wurden, gelang es, das Gebäude in eine zeitgemäße Nutzung überzuführen“, heißt es vonseiten der Architekten.

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Der transformierte Kornversuchsspeicher gilt als historisches Wahrzeichen für das neue Stadtquartier Wasserstadt Mitte.

Ein Wahrzeichen für die Stadt

Weitere Interventionen zur Öffnung des kastenförmigen Baus markieren die vorgehängten Balkone samt großformatiger Verglasungen, die man abwechselnd in die Ausfachungen der Betontragstruktur gesetzt hat. Zwischen dem ursprünglichen Speicher und dem Erweiterungstrakt von 1915 entstand ein neuer Erschließungskern, in dem Treppenhaus, Aufzüge, Sanitärbereiche und Technikräume untergebracht sind.

Der Kornversuchsspeicher ist das einzige historische Gebäude in der nördlichen Europacity, das den Krieg überstanden hat. Uns war von Anfang an klar, dass man mit einem solchen Gebäude und der dahinterstehenden Geschichte verantwortungsvoll umgehen muss.

von Thomas Bergander, Gründer und Geschäftsführer von Taurecon

Im Erdgeschoss befinden sich nach der abgeschlossenen Transformation Eventräume und ein Café mit Terrasse, in den Obergeschossen vermietet man moderne Büros. Dass ein Entwickler so etwas auch einfacher haben könnte, spricht für eine starke Motivation zum Bestandserhalt. „Der Kornversuchsspeicher ist das einzige historische Gebäude in der nördlichen Europacity, das den Krieg überstanden hat und mit seiner imposanten siebenstöckigen Präsenz direkt am Kanal zweifellos ein echtes Wahrzeichen“, sagt Thomas Bergander, Gründer und Geschäftsführer der Taurecon. „Uns war von Anfang an klar, dass man mit einem solchen Gebäude und der dahinterstehenden Geschichte verantwortungsvoll umgehen muss.“

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Mit dem adaptiven Re-Use des Speichers blieb ein Stück Industriekultur für künftige Generationen erhalten.

Von der Zwischen- zur Weiternutzung

Mit dem Kornversuchsspeicher ist es nicht nur gelungen, ein Stück Indutriekultur für künftige Generationen zu bewahren. Es ist auch gelungen, aus einem leerstehenden Industriedenkmal einen lebendigen Stadtbaustein zu machen. Während kulturelle Zwischennutzungen bei Projekten dieser Art meistens vor die Tür gesetzt werden, sobald der Umbau fertig ist, hat man es in diesem Fall anders gemacht.

Die Ideen und Veranstaltungen des Art-Lab, die "den Korni" zum Geheimtipp der Berliner Szene gemacht haben, will man laut Entwickler auch in Zukunft weiterführen. Dass das bei vielen Transformationsprojekten der letzten Jahre offenbar nicht klappt, ist eine vertane Chance. Schließlich ist eine Stadt nicht die Summe ihrer Gebäude, sondern das, was die Menschen daraus machen.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Tjark Spille, AFF Architekten

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