Brutkasten der Innovationen
Zwei Aspekte waren für die Konzeption des Macquarie University Incubator von besonderer Bedeutung: Zum einen sollte das Gebäude innerhalb einer kurzen Zeitspanne errichtet werden, zum anderen musste es möglich sein, den gesamten Bau bei Bedarf an einen anderen Ort umzusiedeln. Diese Vorgabe ergibt sich aus dem Zweck des Gebäudes. Inkubator ist ursprünglich ein Begriff aus der Medizin, der wörtlich übersetzt „Brutkasten“ bedeutet. Im wirtschaftlichen Zusammenhang handelt es sich um Einrichtungen, die junge Unternehmen und Start-ups fördern, bis diese nach dem „Ausbrüten“ auf eigenen Beinen stehen. Daher war der zeitliche Rahmen für das Bauprojekt von besonderer Bedeutung.
Entsprechend fielen bei den Architekten von Architectus die Designentscheidungen. Dass bei diesen Vorgaben die Wahl des Baumaterials auf Holz fiel, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich lassen sich die Bauteile dank digitaler Planung schnell und mit hoher Präzision vorfertigen, wodurch sich die Bauzeit vor Ort auf ein Minimum beschränken ließ, und der laufende Universitätsbetrieb in Sydneys Vorort North Ryde so wenig wie möglich gestört wurde. Bei entsprechender Wahl der Verbindungen eignet sich ein Holzbau noch dazu gut für einen späteren Rückbau.
Fünf Monate Bauzeit
In diesem Fall entstanden zwei miteinander verbundene Holzpavillons, die innerhalb von fünf Monaten nach Baubeginn bezugsfertig waren. Nach einem provisorischen und rein funktionalen Bürostandort sieht der University Incubator allerdings nicht aus. Vielmehr nach einem Bauwerk, das gestalterisch durchdacht ist, mit lichtdurchfluteten Arbeitsräumen und einer behaglichen Arbeitsatmosphäre. Ein kleines Kunststück, das sich wohl mit keiner anderen Bauweise bewerkstelligen ließe.
Das sichtbare Tragwerk des Holzbaus besteht aus unterschiedlichen Holzbauprodukten, wie weit gespannten Furnierschichtholzbalken, V-förmigen Stützen aus Brettschichtholz, einer Dachkonstruktion aus Brettsperrholz und Außenwänden aus Furnierplatten. „Diese Materialwahl erlaubte uns einen innovativen Designzugang und zugleich ein hohes Potenzial an Wiederverwendbarkeit, sollte das Gebäude je transferiert werden“, heißt es in der Projektbeschreibung von Architectus.
In die Landschaft eingebettet
Der Grundriss sollte ein sehr hohes Maß an Flexibilität aufweisen, um einer gegenwärtigen und künftigen Nutzung gerecht zu werden. Die einzelnen Start-ups sollen die Möglichkeit haben, intensiv zusammenzuarbeiten und zugleich als eigenständige Unternehmen zu agieren. Das Ergebnis ist ein offenes Raumkonzept, durchbrochen von Loungebereichen und kleineren Meetingräumen.
Die Materialwahl erlaubte uns einen innovativen Designzugang und zugleich ein hohes Potenzial an Wiederverwendbarkeit.
Durch die Holzbauweise entstand ein Leicht-Tragwerk, das auf Stahlträgern montiert ist. Im Gegensatz zu einem Betonfundament lässt sich diese Struktur zur Gänze wieder abbauen. Damit keine größeren Erdarbeiten anfallen und keine Bäume am Grundstück gefällt werden müssen, sollte das Gebäude laut Bauingenieurentwurf von Arup in die landschaftliche Topografie eingebettet werden.
Keine Fläche versiegelt
Um den baulichen Holzschutz zu gewährleisten und zugleich vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen, sind die Dachüberstände sehr groß angelegt. Regenrinnen waren im Entwurf nicht vorgesehen, stattdessen fungiert die umgebende Gartenanlage als Auffangbecken im Fall von Wetterextremen und großen Wassermassen. Zu dieser Strategie gehört auch, dass bei diesem Bauprojekt de facto keine Fläche versiegelt wurde. Der Zugang zum Incubator erfolgt über Holzstege und geschotterte Wege.
Dass sich bei diesem Projekt ein großer Teil der Primärenergie einsparen und ein niedriger Energieverbrauch im täglichen Betrieb erzielen ließ, hängt auch mit dem Willen der Projektpartner zusammen, nicht auf gängige Lösungen zurückzugreifen. Stattdessen fragte man sich bei jeder Entscheidung von neuem, wie sich eine ganzheitliche Lösung finden lässt, die Ressourcen spart und das Klima möglichst wenig beeinträchtigt.
Innovatives und nachhaltiges Gebäude
„Der Incubator ist eines der besten Beispiele für innovative Zusammenarbeit zwischen Kunden, Designern, Auftragnehmern und Subunternehmern, die ich je gesehen habe. Gemeinsam haben wir ein visionäres Projekt innerhalb des Budgets, pünktlich und in einer Qualität geliefert, die alle Erwartungen übertraf“, erklärte Mark Broomfield, der Immobilienverwalter der Macquarie University.
Gemeinsam haben wir ein visionäres Projekt innerhalb des Budgets, pünktlich und in einer Qualität geliefert, die alle Erwartungen übertraf.
So setzte man neben einer Photovoltaikanlage auf dem Dach auf eine großteils natürliche Ventilation des Gebäudes. Zusammen mit den Dachüberständen und zweifach verglasten Fenstern lässt sich der sommerliche Wärmeeintrag im Zaum halten, was im subtropischen Klima von Sydney ein großer Hebel zur Energieeinsparung ist.
Australien hat Aufholbedarf
Da der Incubator eine Brutstätte für Innovationen sein soll, ist es nur logisch, dass auch das Gebäude selbst eine Innovation darstellt. Australien hinkt nämlich in Sachen nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz anderen entwickelten Ländern hinterher.
Laut aktuellen Zahlen verursachen Wohngebäude derzeit rund 12 Prozent der Treibhausgasemissionen Australiens. Grund ist der hohe Energieverbrauch, der unter anderem auf den Einsatz von Klimaanlagen zurückzuführen ist.
Dieser vorbildliche Bau außerhalb von Sydney zeigt, wie es auch anders geht. Die Architektur wurde daher mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Sustainability Award und dem Australian Timber Design Award.
Text: Gertraud Gerst Fotos: Brett Boardman
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