Basar und Garten neu interpretiert
Arkaden, kleine begrünte Innenhöfe, Treppen und Brücken - so zart und verspielt kann ein Gewerbe- und Bürokomplex sein. Da das Tagh Behesht Zentrum aber auch das lokale Klima berücksichtigt, hat es den Iconic Award 2021 für Innovative Architektur erhalten.
In Mashhad, der zweitgrößten Stadt im Iran, türmen sich in einem verspielten Laden- und Büro-Ensemble die Gärten. Entworfen hat den vielseitigen Komplex „Tagh Behesht” das 2020 gegründete Architekturbüro RVAD, mit Sitz in Teheran. Die vielen begrünten Arkaden, kleinen Innenhöfe, Treppen und Brücken verleihen dem Ganzen eine orientalisch-märchenhafte Struktur.
Dieses jüngste Projekt von RVAD will Kultur, Geschichte, Funktionalität, Nachhaltigkeit und die modernen Bedürfnisse der Bürger verbinden. Die vielseitig nutzbare Gewerbefläche ist eine Kombination aus „geschichteten” Gärten, Büros und weiteren Nutzungs-Möglichkeiten, die dem Tagh Behesht Center, das das Potenzial hat, zum regionalen Knotenpunkt zu werden, noch offen stehen.
Maschhad liegt im Nordosten Irans. In den letzten Jahren ist die Stadtbevölkerung rasant angewachsen. So leben dort mittlerweile mehr als drei Millionen Einwohner. Und die Stadt ist auch als religiöse Pilgerstätte bekannt.
Traditionelle Innenhöfe als Vorbild
Das Gebäude mit seinen begrünten, „gestapelten” Innenhöfen hat also die traditionelle iranische Architektur – auch der islamischen Sakralbauten – zum Vorbild, bei der Innenhöfe eine bedeutende Rolle spielen.
Andererseits spielen die Architekten von RVAD auch mit den offenen und geschlossenen Formen: Die vielen Tor- und Fensterbögen, die Arkaden, verleihen dem Komplex eine federleichte Zartheit und laden zum Verweilen ein.
Und die zahllosen Bögen sind auch eine Referenz an die Basare der Stadt, wie Sar-Shoor oder Reza. „Die Basare und die Geschäftsviertel sind die wichtigsten sozialen Treffpunkte und konzentrieren sich vor allem im Stadtzentrum. Sie befinden sich in der Regel weit weg von Grünflächen“, erklären die Architekten. „Deshalb entschieden wir uns für diesen neuen Typus des Geschäftszentrums.“
Selbst heute noch spielen die Basare eine wichtige Rolle im täglichen Leben der Menschen und sind eine beständige Konstante. Aus der Auseinandersetzung mit der architektonischen Geschichte der Basare im Iran und in der Stadt Mashhad im Besonderen fügten sich immer mehr Charakteristika in den Entwurf ein.
Geschichtete Gärten
So gehört die verandaartige Eingangshalle zu den Hauptmerkmalen der lokalen Basare wie Sar-Shoor, Farsh oder Reza. Sie leitet – ähnlich wie ein Hauptportal – die Fußgänger ins Innere weiter. Die einzelnen Bögen und Vorhallen führen letztlich zum Haupteingang des Basars. Das hervorstechende visuelle Merkmal der Basare sind die vielen Gewölbe.
Inspirieren lassen haben sich Hananeh Misaghi und Hassan Dehghanpour, die leitenden Architekten bei RVAD, auch vom nahegelegenen und in den Berghang hineingebauten Dorf Kang. Auf aberwitzige Weise scheint sich dort ein Haus auf das andere zu türmen – und mittendrin immer wieder die Balkone und das Grün der Bäume und Sträucher. Die unteren Häuser und die oberen „Schichten“ sind über Fußwege miteinander verbunden.
Dem Klima angepasste Bauweise
Doch die Bauweise des Tagh Behesht Zentrums mit der üppigen Begrünung begegnet gleichzeitig auch lokalen Herausforderungen, die das trockene Klima und die hohen Temperaturen der Sommermonate mit sich bringen.
Wie beim Boutique-Restaurant „Bagh Chal“ in Esfahan des iranischen Studios „Team Group“, die die historischen Vorbilder ebenfalls neu entdeckt haben, wappnen die Innenhöfe das Tagh Behesht Centre vor übermäßiger Hitzeentwicklung. Auch der Teich im Gebäudeinneren in den unteren Stockwerken soll für klare Luft und eine kühlende Brise sorgen.
Iconic Award 2021
So wird dieses Objekt gleichzeitig dem Thema Nachhaltigkeit gerecht. RVAD ist damit insgesamt ein moderner, zukunftsweisender Entwurf gelungen – was prompt mit der Zuerkennung des Iconic Awards 2021 für Innovative Architektur honoriert wurde.
Besonders wichtig ist es uns, architektonische Lösungen zu präsentieren, die sich auf die Bedürfnisse zukünftiger Generationen und ihr Potenzial konzentrieren, da jedes Projekt sozialen Beziehungen neue Perspektiven bietet.
Hananeh Misaghi, Hassan Dehghanpour; RVAD Studio
Auch sei die Schaffung leicht zugänglicher öffentlicher Räume ein wichtiges Element moderner Stadtgestaltung, betonen Misaghi und Dehghanpour. Der Standort hat großes Potenzial, sich zum urbanen „Hub" zu entwickeln. Denn Tagh Behesht liegt in der Nähe eines der größten öffentlichen Parks von Mashhad. Besucher aller Altersgruppen und auch Touristen flanieren und halten sich dort auf.
Die Besucher können unter anderem über sichere und angenehme Fußwege in Form von Fußgängerbrücken den Gewerbe- und Geschäftskomplex betreten. Diese Brücken schenken den Menschen zudem eine kurze „Erholung” vom unter ihnen vorbeiziehenden Verkehr – und bieten nebenbei eine neue Perspektive auf die Stadt.
Der Garten in der Mitte, der einer Kreuzung ähnelt, ist der Schnittpunkt zwischen allen Fußgängerbrücken. Und er verbindet die Geschäftsetagen und Basare miteinander.
Vom Büro in den Garten
Diese einzelnen Gärten sind die Fortsetzung des Hauptgartens, aber ohne direkten öffentlichen Zugang. Die einzelnen Höfe, die zwischen den Bürobereichen liegen, schaffen Grünraum für alle Etagen und Geschäftseinheiten. Zudem erhalten so alle Büroräume ausreichend und direktes Licht. Eine derartige Gestaltung sei bei den aktuellen Bürogebäuden im Iran bisher noch nicht im Vordergrund gestanden, heißt es bei RVAD.
Die Projekte des Studios RVAD reichen von Einfamilienhäusern über Wohn- und Geschäftshäuser bis hin zu großen Komplexen mit gemischter Nutzung und städtischer Masterplanung.
Text: Linda Benkö Fotos: RVAD Studio, Hassan Dehghanpour, Hananeh Misaghi, GettyImages Catay
Lesen Sie weiter im UBM Magazin, der Plattform für Immobilienwirtschaft, Stadtplanung und Design.
Kommentare