Aus Groß mach Klein
Der konstruktive Holzbau erreicht mittlerweile Höhen von 100 Metern und mehr. Dies ist einer Erfindung zu verdanken, die Anfang der 1990er-Jahre in Deutschland und Österreich ihren Ursprung hatte. Die Forschungen des Österreichers Gerhard Schickhofer im Rahmen seiner Doktorarbeit führten zur Entwicklung des Brettsperrholzes. Heute wird oft der englische Fachbegriff Cross Laminated Timber (CLT) verwendet. Dieses Holzprodukt, dessen Lagen über Kreuz verleimt sind, erreicht eine sehr hohe Formstabilität und Steifigkeit. Es verhalf dem mehrgeschossigen Holzbau zu seinem aktuellen Höhenflug.
Dank dieser Entwicklung sind nicht nur spektakuläre Holz-Hochhäuser wie das WoHo Berlin oder The Dutch Mountains in Eindhoven möglich. Es kommt vor allem auch im Bau von Einfamilienhäusern zum Einsatz. Im Gegensatz zur Leicht- oder Rahmenbauweise ermöglicht die hohe Steifigkeit der CLT-Platten eine sehr flexible und kreative Raumgestaltung. Wie diese aussehen kann, zeigt das CLT House im ländlichen Australien.
CLT als Bau- und Stilelement
Das Brettsperrholz war für die Architekten des in Melbourne ansässigen Büros FMD Architects der Ausgangspunkt für das Design. „Der Einsatz von CLT erlaubt große, freitragende Holzstrukturen mit einem minimalen Stahlanteil“, heißt es erklärend in der Projektbeschreibung. Durch die Ausführung der Plattenoberflächen in Sichtqualität wird das Konstruktionsmaterial gleichzeitig zum ästhetischen Stilelement.
„Höchste Präzision in der Konstruktion war notwendig, um ein schön gefertigtes Ergebnis zu erzielen.“ Dazu gehöre auch, dass die verwendeten Holzverbindungen sichtbar bleiben. Dass architektonisches Denken und nachhaltige Bauweise derart eng miteinander verschränkt sind, deutet auf eine intensive Auseinandersetzung mit dem Baustoff hin.
Der Einsatz von CLT erlaubt große, freitragende Holzstrukturen mit einem minimalen Stahlanteil.
Dies zeigt sich darin, dass die Architekten aus demselben Konstruktionsmaterial auch Einbaumöbel für den Innenbereich konzipierten. So finden sich in den beiden Wohngeschossen Bücherregale, Schreibtische, Türen und Barelemente aus CLT. „Dadurch betonen wir die natürlichen Qualitäten des Materials auf einer feineren Ebene“, erklärt das Design-Team.
Poetisch und rational zugleich
Das CLT House basiert auf einem einstöckigen Bestandsgebäude, das die Architekten klimafit machten und durch ein Obergeschoss aus Holz erweiterten. Das neue Dach in Sägezahnform schafft einen großzügigen und charaktervollen Raum darunter. „Das Licht ist in die Dachbalken und Wände integriert, damit keine dekorativen Elemente von diesem imposanten Raum ablenken“, heißt es im Text des Architekturbüros, das von Fiona Dunin geleitet wird.
Die rhythmische Qualität des Sägezahndaches über der neuen Brückenstruktur ist poetisch und rational zugleich.
Die Formgebung des Daches folgt nicht nur einer ästhetischen, sonder auch einer klaren funktionellen Sprache. Die nach Norden hin geneigten Dachschrägen bieten einen perfekten Platz für Photovoltaikmodule. Gleichzeitig sorgen die dreieckigen Oberlichter dafür, dass die Bewohner die wechselnden Lichtverhältnisse im Laufe des Tages mitverfolgen können. „Die rhythmische Qualität des Sägezahndaches über der neuen Brückenstruktur ist poetisch und rational zugleich.“
Energie-Effizienz rein, CO₂ aus der Atmosphäre raus
Die Schlitzfenster an den zehn Meter langen Seitenwänden bieten einen Ausblick aus dem Holzregal und sorgen zudem für die nötige Querlüftung im Haus. Zusätzlich gibt es an den Spitzen des Daches elektrisch betriebene Lüftungsschlitze, um überschüssige Hitze im Sommer freizusetzen.
Die unterschiedlichen Fensterelemente schaffen einen abwechslungsreichen Sichtbezug zur Natur ringsum. Zusammen mit den vielen Holzoberflächen im Inneren entsteht ein Rückzugsort, der „eine konstant ruhige und entspannende Atmosphäre bietet“, so die Beschreibung der Architekten.
Das CLT House wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Timber Design Award und dem Australia Interior Design Award. Es zeigt eindrucksvoll, welche kreativen Möglichkeiten in der Raumgestaltung das hoch entwickelte Baumaterial CLT bietet.
Dabei könnte das Wohnhaus auch als gangbares Modell für die klimafreundliche Nachverdichtung im urbanen Raum dienen. Das CLT House zeigt im Kleinen wie es geht: Energieeffizienz rein, CO₂ aus der Atmosphäre raus. Und obendrein mehr Wohnraum, ganz ohne Bodenfraß.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Diana Snape, FMD Architects
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