Auf biblischen Schwingen

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Inspiriert von Bibelversen sowie der holländischen Kolonialarchitektur hat das Londoner Steyn Studio einen wahren Touristenmagneten in einem südafrikanischen Weingut errichtet: die Bosjes Chapel.

Breedekloof Valley, Westkap, Südafrika. Hier, rund eine Autostunde östlich von Kapstadt, liegt am Fuße der Berge Waaihoek und Slanghoek das Bosjes Estate. Ein Weingut inklusive öffentlich zugänglichem Park, Hotel im ehemaligen Herrenhaus, Restaurant und ... einer Kapelle.

Fertiggestellt 2016, wurde die Bosjes Chapel vom in London ansässigen Steyn Studio entworfen. Oder genauer: Von Studio-Inhaber Coetzee Steyn höchstpersönlich, der selbst unweit des Estates in der Kleinstadt Montagu aufwuchs, bevor er in Kapstadt studierte und dann nach Großbritannien auswanderte.

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Bredekloof Valley in der südafrikanischen Weinregion Breede River Valley

Im Schatten der Flügel

Er habe, so der Architekt, die Inspiration für das Design der Kapelle durch einen Bibelvers erhalten: "Wie teuer ist Deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten Deiner Flügel Zuflucht haben". Die architektonische Interpretation des Psalms 36:7 sei eine schwebende Struktur, die sich scheinbar in Bewegung befindet, obwohl sie in Wahrheit statisch ist, so Steyn.

"Um die optische Leichtigkeit des Daches zu gewährleisten, musste das Design einfach, einheitlich und strukturell so effizient wie möglich sein. Daher haben wir uns entschieden, das Dach selbst zu Wänden beziehungsweise Säulen werden zu lassen: Es wurde seine eigene tragende Struktur." Der angrenzende Teich unterstreicht den Eindruck des Schwebens. Zudem symbolisiere er das biblische Teilen des Roten Meeres, sagt Coetzee Steyn.

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Reflexion im "geteilten" Teich

Für die Umsetzung wurden parabolische und hyperbolischen Formen gewählt, die aus dünnschaligem Spritzbeton errichtet wurden. Darin verborgen: 584 Stützen aus Holzlatten mit insgesamt drei Kilometern Länge. Die vier als Stützpfeiler fungierenden "Schwingen" des 20 Meter langen, zwölf Meter breiten und sechs Meter hohen Dachs tragen jeweils ein Gewicht von 50 Tonnen.

Leichtigkeit in Bewegung

Die Form der Kapelle ahme die zuvor erwähnte "poetische Bewegung" ebenso nach wie die umliegenden Berge, erklärt der Architekt. "Die Leichtigkeit und Bewegung wird durch den Reflexionsteich zusätzlich betont." Zudem imitiere die Form jene eines barocken "Holbol"-Giebels, wie er auf dem 1790 im Holländischen Stil errichteten Herrenhaus zu finden ist. Dieser weise Krümmungen auf, die zu einer Reihe von Spitzen und Tälern innerhalb des Daches führen.

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Die Form des Kapellen-Daches ...
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... am Giebel des Bosjes Herehuis angelehnt.

Zielsetzung beim Entwurf des Inneren der Kapelle war es, Kriterien widerzuspiegeln, die in den historischen Missionskirchen der südafrikanischen Orten Mamre, Elim und Wupperthal vorhanden sind: "Schnörkellose Nutzung als Versammlungsraum. Größe. Kultureller Bezug. Ausstrahlen von Ruhe im hell erleuchteten Innenraum. 'Haptik' der weiß getünchten Wände." Und: "Ähnlich wie bei den Missionskirchen gibt es keine vertikalen Elemente. Da wie dort sind die identifizierenden Elemente das Dach und die geformten Kanten."

Während die erwähnten Kirchen jedoch größtenteils spirituell nach innen gerichtet wären, soll die Kapelle ein offenerer, einladender Raum sein, der mit Blick auf das Tal und die dahinter liegenden Berge das Bewusstsein für Gottes Schöpfung in der unmittelbaren Umgebung schärft. Im Zentrum dieses Blicks: In den Glasfenstern eingebaute Holzelemente in Kruzifix-Form.

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Touristenmagnet

Für die Umsetzung des Auftrags arbeitete Steyn Studio mit dem Landschaftsarchitekten-Büro Square One Landscape Architects mit Sitz im australischen Sydney zusammen. Dessen Eigentümer Mark Saint Põl, der ursprünglich aus Kapstadt stammt, war in Bosjes auch an weiteren Projekten beteiligt. Unter anderem an der Errichtung der Botha's Halte Primary School, einer ländlichen Farmschule. Diese wurde 2019 eröffnet.

Der Gestaltung der Kapelle folgte 2020 allerdings auch ein weiteres Gemeinschaftsprojekt von Steyn Studio und Square One auf dem Bosjes-Gelände: Die Errichtung eines Gartencafés namens Spens (Speisekammer) inklusive Souvenirladen (Winkel/Geschäft). Damit wurde das Estate, das erst im März 2017 mit seiner Gartenlandschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, weiter ausgebaut. Bereits im gleichen Jahr wie die Chapel war mit Kombuis/Küche ein ebenfalls von Steyn Studios geplantes Restaurant fertiggestellt worden.

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Café Spens
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Restaurant Kombuis.

Kolonial-Geschichte

Insbesondere die Kapelle entwickelte sich nach der Öffnung des Anwesens zu einem Touristenmagneten, wobei neben Gläubigen auch zahlreiche an der außergewöhnlichen Architektur Interessierte den Ausflug aus Kapstadt unternehmen. Übernachtungen sind vor Ort im Bosjes Herehuis, dem ehemaligen Herrenhaus, möglich.

Bosjes befindet sich seit 1831 im Besitz der Familie Botha-Stofberg, nachdem sich holländische Auswanderer hier im 18. Jahrhundert angesiedelt hatten. Die Kolonialisten nannten das Grundstück Bosjesman's Valley Farm – in Anspielung auf die indigenen San-Völker der Region, die sie als "Buschmänner" (niederländisch: Bosjesmans) bezeichneten. Der neue Name Bosjes/Büsche stellt hingegen die Flora des Tals, insbesondere den vom Aussterben bedrohten Fynbos und das Renosterveld, in den Mittelpunkt.

Text: Michi Reichelt Bilder: Adam Letch, Dave Southwood

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