Tangente St. Pölten: Festivalstart mit „Justice“ von Regisseur Milo Rau

Tangente St. Pölten: Festivalstart mit „Justice“ von Regisseur Milo Rau
Am 30.4.2024 startet das Festival für Gegenwartskultur mit der aufrüttelnden Oper über eine ökologische und menschliche Katastrophe im Kongo. Ein „durch und durch wahres Stück Emotionstheater“ (ARD).

Demokratische Republik Kongo, 2019: Auf einer Dorfstraße in Kabwe rammt ein mit Schwefelsäure beladener Tanklaster einen Bus und kracht in einen Markt. Die schrecklichen Folgen: 21 Menschen sterben, viele werden verletzt. Die hochgiftige Säure fließt in Folge in einen nahen Fluss und verseucht die Felder. Diese Katastrophe fand im weit entfernten Kongo statt, und geht uns doch alle an: Denn die Säure aus dem Unfall-Laster wird bei der industriellen Gewinnung von Kobalt verwendet, das in fast jedem unserer Smartphone-Akkus steckt.

Die zweite Operninszenierung des international preisgekrönten Regisseurs und Intendanten der Wiener Festwochen Milo Rau basiert auf diesem Ereignis, an dem auch ein riesiger Schweizer Rohstoff-Konzern beteiligt ist. Das ist insofern wichtig, da „Justice“ am Grand Théâtre in Genf, dem Sitz des Konzerns, uraufgeführt wurde. Rau entwickelt daraus ein aufrüttelndes Werk – mit oft drastischen Original-Fotos, deshalb ist das Stück empfohlen ab 16 Jahre – über dieses Dorf, über zerrissene Schicksale. Aber auch eine Reflexion über die Kräfte des Guten und des Bösen und die Interessen der Allgemeinheit. 

Theater als politischer Ort, Kultur als politischer Akt

Aus gutem Grund eröffnet „Justice“ das Programm der Tangente St. Pölten mit dem ersten Schwerpunkt Ökologie, erklärt Tarun Kade, kuratorischer Leiter des Festivals, denn: „Wie globale Politik und menschliche Schicksale vor Ort miteinander verknüpft sind, beschäftigt die Tangente in ihrem Kern. Sie will Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und aktive Beteiligung anstoßen.“

Tangente St. Pölten: Festivalstart mit „Justice“ von Regisseur Milo Rau

Die Oper „Justice“ fordert Gerechtigkeit für die Opfer eines verheerenden Säureunfalls, der mit dem Abbau von Kobalt zusammenhängt.

In „Justice“ inszeniert Milo Rau das Theater als politischen Ort, an dem globale Diskurse kollektiv verhandelt werden. Librettist für „Justice“ ist der in Graz lebende kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila, der als Erzähler ebenfalls auf der Bühne steht. Die Musik stammt vom katalanischen Komponisten Hèctor Parra, gespielt wird sie vom Tonkünstler Orchester Niederösterreich.

Vor der österreichischen Uraufführung von „Justice“ ist – wie bereits in Genf – eine Intro-Veranstaltung angesetzt. Im Festspielhaus St. Pölten sprechen unter dem Titel „Eine Oper für Gerechtigkeit: Intro und Gespräch zur Spendenkampagne Justice for Kabwe“ Milo Rau, Librettist Fiston Mwanza Mujila, Komponist Hèctor Parra und die Juristin und Menschenrechtsaktivistin Cèline Tshizena: Über das Unglück sowie das Crowdfunding für die Opfer, die vom großen Konzern für die Unfallfolgen kaum entschädigt wurden.

Tangente St. Pölten: Festivalstart mit „Justice“ von Regisseur Milo Rau

Eine Leinwand auf der Bühne zeigt Bilder und Videos der echten Opfer des Unfalls. Die Auswirkungen des Unfalls werden somit in unser aller Bewusstsein gebracht.

Unerwartet und zugänglich: Gegenwartskultur in St. Pölten

Die Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur, findet ab 30.4. statt. Entlang der hochaktuellen Themen Ökologie, Erinnerung und Demokratie wird das Programm aus dem Stadtgeschehen und seiner Geschichte heraus entwickelt: Mit Bildender Kunst, Theater, Performance, Tanz, Musik, Literatur, Vorträge, Ausstellungen, Stadtprojekte und Communityarbeit. „Dass unerwartete Dinge aufeinandertreffen und sich miteinander verbinden, ist so etwas wie der Kern der Tangente“, beschreibt Tarun Kade das, was es bis 6. Oktober in St. Pölten zu entdecken gibt. 

Eine Fülle von Kooperationen mit bestehenden Institutionen wie dem Festspielhaus St. Pölten, dem Landestheater Niederösterreich oder der Bühne im Hof und dem Cinema Paradiso prägen die Tangente. Der Dom zu St. Pölten, der Freiraum St. Pölten, die Jahnturnhalle, die Ehemalige Synagoge oder die ehemalige Glanzstoff-Fabrik – sowohl im Gebäude als auch am Gelände draußen – sind weitere spannende Spielorte. 

Tangente St. Pölten: Festivalstart mit „Justice“ von Regisseur Milo Rau

Mahnmal einer Katastrophe: Der umgekippte Tanklaster dominiert das Bühnenbild von „Justice“. Im Bild zu sehen ist Librettist Fiston Mwanza Mujila, der als Erzähler auf der Bühne steht.

Und auch der öffentliche Raum wird zum Spielort:  Die Performance „Shared Landscapes“ führt am 3., 4., 5., 10., 11. und 12.5. in die Natur um St. Pölten. Kostenfrei zugänglich sind ab 1.5. der Kunstparcours „The Way of the Water“ entlang von Traisen und Mühlbach und am 4.5. das TangenteStraßenfest mit Musik und Community-Events im neuen, nachhaltig gestalteten Festivalzentrum. 

30.4.2024, Festspielhaus St. Pölten, 20 Uhr, Restkarten verfügbar; 18.45 bis 19.30 Uhr: Eine Oper für Gerechtigkeit: Intro und Gespräch zur Spendenkampagne „Justice for Kabwe“

1.5.2024, Festspielhaus St. Pölten, 19.30 Uhr