Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht
Das Büro Ritter Schumacher entwickelt Strategien, die ländliche Gemeinden neu beleben – nachhaltig und zum Vorteil für Bewohner und Tourismus. Eine Ausstellung im Berliner Aedes Architekturforum zeigt am Beispiel des Schweizer Ortes Churwalden, wie das Architektenteam erfolgreiche Revitalisierung plant und umsetzt.

Das kleine Churwalden liegt acht Kilometer südlich der Graubündner Kantonshauptstadt Chur an der Passstraße auf die Lenzerheide. Die Gemeinde, die derzeit rund 2.000 Einwohner hat, ist historisch gewachsen. Ihre lineare Dorfstruktur hat sich – wie bei vielen Ortschaften – entlang der Hauptverkehrsachse entwickelt. Vor rund 60 Jahren brachte der Wintersport dem Ort wirtschaftlichen Aufschwung. Das ist lang her. Jetzt winken wieder bessere Zeiten. Denn durchdachte Revitalisierung verhilft der Gemeinde zu zukunftsfitter Attraktivität.

Revitalisierung durch Kenner der Region

Das Architekturbüro Ritter Schumacher, das den Grundstein dafür legte, hat seinen Sitz in Chur. Also unweit der Gemeinde, die durch mehrere, präzise gesetzte und funktionsgerechte Ergänzungsbauten zu neuem Leben erwacht. Was die ganzheitliche, integrative Arbeitsweise von Jon Ritter und Michael Schumacher geprägt hat, ist die enge Bindung zwischen Stadt und Region. 

Ausstellung gibt Einblick in die Strategie

Von 4. Oktober bis 21.November 2019 bietet nun die Ausstellung „Rural Uplift“ im renommierten Berliner Aedes Architekturforum Einblick in die Planungsstrategien des Büros, das sich der Entwicklung des ländlichen Raums verschrieben hat. Zentrales Anliegen der Architekten ist es, ländliche Regionen durch gezielte Interventionen so zu entwickeln, dass Dörfer und Gemeinden an Attraktivität gewinnen. Ihre Konzepte entstehen stets im engen Dialog mit Gemeindeverwaltung und Nutzern.

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Schritt für Schritt revitalisiert: Churwalden mit neuem Portal, aber noch ohne modernen Busterminal. Strategie und Projekte, die dem Ort mehr Attraktivität bescherten, stehen nun im Zentrum einer Ausstellung des Aedes Architekturforums. 

Am Beispiel Churwaldens demonstriert die Werkschau im Aedes Forum, wie Ritter Schumacher beständige, nachhaltige Entwicklung in Gang setzen. So, dass sowohl Einheimische, als auch Tourismus davon profitieren. Im Beispielfall wurden durch die Revitalisierung auch Möglichkeiten für neue Sommer-Angebote forciert, die abseits der Wintersaison zusätzliche Gäste in den Ort locken. 

Schritt für Schritt zu neuer Qualität

In einzelnen, aufeinander aufbauenden Schritten wurden die Projekte exakt für Lage und lokale Interessen so konzipiert, dass ein neues markantes Ortszentrum entsteht. Die Architekten bringen mehr als raumplanerische Interventionen und Expertise als Gestalter ein. Sie agieren auch als städtebauliche Berater, Initiatoren partizipativer Prozesse, Impulsgeber und Projektentwickler. Zudem akquirieren sie Nutzer für die vorgeschlagenen Funktionserweiterungen.

„Baustein“ eins: Portal Churwalden

Erster Schritt der Ortsentwicklung in Churwalden war die neue Talstation (2015). Mit Restaurant und Aussichtsplattform dient sie als Eingangsgebäude ins Schigebiet „Lenzerheide Arosa“. Durch die geschickte bauliche Setzung wurde die vorhandene Ortsstruktur mit diesem Gebäude neu geordnet. Signifikante Gestaltung und Funktionsmischung sorgten hier für unverwechselbare Identität.

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Blickfang und Zugang zum Schigebiet „Lenzerheide Arosa“: Das Portal Churwalden. Die Talstation mit Restaurant und Aussichtsplattform hat die Ortsstruktur neu geordnet.

Teil zwei der Revitalisierung: Der von Touristen und Einheimischen gleichermaßen genützte Campingplatz. Inspiration für dessen Neugestaltung und den Umbau des Verwaltungs- und Servicegebäudes (2016) holten sich Ritter Schumacher vom Design der Wohnwagen: Äußere Form, Interieur und runde Radkästen fanden so Eingang in den Look der runderneuerten Anlage. Die Architektur bietet nun Raum für vielfältige Service-Angebote.

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Camping Pradafenz: Der Haupteingang zur revitalisierten Anlage.

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Funktionell und hell: Waschsalon im modernisierten Camping-Areal.

Die neuen Gebäude im Ortszentrum steigerten rasch die Nachfrage nach besserer Anbindung und Erreichbarkeit im öffentlichen Nahverkehr. Grund genug für die Ortsentwickler, die Revitalisierung mit einem Busterminal (2017) fortzuführen – auf Anregung der Architekten mit integriertem Supermarkt.

Der neue, dritte Stadtbaustein an der Durchfahrtsstraße markiert nun die Zufahrt zur Talstation. Aus dem ortstypischen Material Holz errichtet, trägt auch dieser Terminal jetzt dazu bei, Churwalden ein eigenes, spezielles „Gesicht“ zu verleihen.

Revitalisierung, gezielt abgerundet

2018 folgten weitere Projekte: Die kuppelartige, mit Holzschindeln bedeckte Überdachung der von Tennis-Star Roger Federer gestifteten „Kügalibahn“. Die Kugelbahn des Künstlers Stefan Grünenfelder lockt jetzt vor allem Kinder zum Spiel in die unmittelbare Nähe des Portals. Außerdem wurde der Bau eines Wohnhauses mit turmartigem Design in Angriff genommen. 2020 soll ein Ensemble neuer Wohnungen fertiggestellt werden. Diese Anlage wird das markante, revitalisierte Zentrum des Ortes städtebaulich durch einen neuen, offenen Platz komplettierten.

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Busterminal an der Dorfstrasse: Bessere Anbindung und attraktiver Knotenpunkt für Nahverkehr. 

Die Ausstellung im Aedes Architekturforum veranschaulicht den Entwicklungsprozess des Schweizer Ortes. Dass behutsame, nachhaltig geplante Regionalentwicklung Ergebnisse erzielt, die international Aufsehen erregen, beweist etwa auch das Beispiel der Modellgemeinde „Serenbe“ in den USA. Doch Voraussetzungen und Möglichkeiten variieren je nach Region.

Schweizer Gemeinde als Erfolgsmodell

Details zu Strategie und Umsetzung des europäischen Exempels Churwalden werden in der aufwendig gestalteten Ausstellungsinstallation in Berlin genau erläutert. Die einzelnen städtebaulichen Maßnahmen und Projekte finden sich im Aedes Architekturforum anschaulich präsentiert – ergänzt durch weitere Bauten.

Damit soll auch die gestalterische Bandbreite des Büros Ritter Schumacher gewürdigt werden. Immerhin haben die Architekten für ihr Engagement in der Gemeinde Churwalden mehrere Auszeichnungen erhalten. Dazu zählen unter anderem der „Architektur- und Marketing Preis Portal 2016“, der Architektur- und Marketing Preis „Busterminal 2018“ und eine „Prix Lignum“-Anerkennung.

Revitalisierung: Was Gemeinden attraktiver macht

Modernes „Möbelstück“ als Teil der Revitalisierung: Die von der Roger Federer Foundation gestiftete „Kügalibahn“ des Künstlers Stefan Grünenfelder erhielt eine vom Architekturbüro konzipierte Überdachung aus Holz. 

Ritter Schumacher ist eines der führenden Architekturbüros in Graubünden und verfügt über  Niederlassungen in Chur, Zürich und Vaduz. Das interdisziplinäre Team setzt sich aus Architekten, Zeichnern, Innenarchitekten, Projektleitern, Bauleitern und Spezialisten aus den Bereichen 3D-Visualisierung, Grafik, Administration und Marketing zusammen.

Von Graubünden bis Liuzhou

Neben vielen Büro- und Wohnungsbauten, finden sich im Portfolio der Schweizer vor allem Bauten für Forschung und Bildung, Revitalisierungen und Projekte im Bereich Tourismus und Infrastruktur. Eine von Ritter Schumacher designte Kreativschule im chinesischen Liuzhou befindet sich derzeit im Bau.

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