Vorsorgevollmacht: Wichtige Säule der betrieblichen Vorsorge

Vorsorgevollmacht: Wichtige Säule der betrieblichen Vorsorge
Die Vorsorgevollmacht sollte als unternehmerische Verantwortung angesehen werden, sagt der Wiener Notar Michael Lunzer.

Ein Unfall oder eine schwere Krankheit führen mitunter dazu, dass Betroffene nicht mehr entscheidungs- und handlungsfähig sind. Mit einer Vorsorgevollmacht können Unternehmer und Private jedoch genau regeln, wer in diesem Fall sowohl unternehmerische als auch private Entscheidungen an ihrer Stelle treffen soll.

Der Begriff Nachhaltigkeit ist aktueller denn je. Wann agiert ein Unternehmer nachhaltig?

Michael Lunzer: Dann, wenn er alle drei Aspekte der Nachhaltigkeit, also Ökologie, Ökonomie und Soziales, in seinem Handeln und seinen Entscheidungen mitdenkt – mit dem Ziel, dass sein Betrieb Bestand hat.

Damit ist eng das Thema Vorsorge verbunden ...

So ist es. Juristisch kann man eigentlich das ganze Unternehmerleben hindurch vorsorgen – es beginnt mit der Wahl der passenden Rechtsform bei der Gründung, geht über die Gestaltung diverser Verträge wie Gesellschafts-, oder Partnerverträgen bis zur Übergabe des Unternehmens und dem Testament. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Vorsorge ist es, den Betrieb, aber auch sich selbst für den Fall der Geschäfts-, beziehungsweise Handlungsunfähigkeit mit Hilfe einer Vorsorgevollmacht abzusichern.

Warum ist eine Vorsorgevollmacht für einen Unternehmer so wichtig?

Weil die Welt nicht stehen bleibt, auch, wenn er im Koma liegt. Das heißt, Löhne, Gehälter, Steuern und Sozialversicherungsabgaben laufen weiter, Rechnungen müssen ausgestellt beziehungsweise bezahlt, Aufträge lukriert und unternehmerische Entscheidungen getroffen werden. Hat er niemanden, der das an seiner Stelle erledigt, stellt das letztendlich eine Existenzbedrohung für den Betrieb, dessen Inhaber sowie die Mitarbeiter und möglicherweise auch Lieferanten dar.

Vorsorgevollmacht: Wichtige Säule der betrieblichen Vorsorge

Dr. Michael Lunzer, Notar

Ehepartner sind allein aufgrund der Heirat nicht vertretungsbefugt.

von Dr. Michael Lunzer, Notar

Eine Vorsorgevollmacht ist also besonders für Ein-Personen-Unternehmen und Betriebe, in denen es keinen Mittelbau mit Prokuristen gibt, existenziell?

Bei diesen ist ein Vakuum besonders gefährlich. Doch selbst wenn es einen Geschäftsführer gibt, sollte der Eigentümer an eine Vorsorgevollmacht denken. Schließlich Ist ein Geschäftsführer weisungsgebunden und Gesellschaftsbeschlüsse wie beispielsweise der Beschluss der Gewinnverwendung oder Bilanzfeststellung kann eben nur der Eigentümer fassen Weiters kann es ja vorkommen, dass der Geschäftsführer während der Geschäftsunfähigkeit des Eigentümers das Unternehmen verlässt.

Der Ehepartner ist nicht per se vertretungsbefugt?

Nein. Das ist leider ein weit verbreiteter Irrglaube, aber er ist allein aufgrund der Heirat nicht vertretungsbefugt.

Was sieht eine Vorsorgevollmacht konkret aus?

Mit ihr kann der Unternehmer jene Vertrauensperson bestimmen, die ihn gegebenenfalls im Unternehmen vertritt und betriebsnotwendige Entscheidungen trifft. Gleiches gilt für persönliche Belange, wie etwa medizinische Belange oder die Frage der Unterbringung.

Das heißt, man hat einigen Spielraum?

Man ist damit wirklich flexibel. Man kann sowohl einen als auch mehrere Personen, die keine Familienmitglieder sein müssen, als Vertreter einsetzen. Gleichzeitig kann man den Umfang der Vertretung genau regeln oder die Vertreter auch nur für bestimmte Aufgaben bevollmächtigen. Man kann aber auch festlegen, dass der Vertreter vor einer Entscheidung mit bestimmten Fachleuten Kontakt aufnehmen muss. Und man kann auch konkrete Handlungsanweisungen geben – etwa dass der Vollmachtnehmer einen neuen Geschäftsführer suchen muss. Er selbst kann nämlich nicht automatisch als solcher fungieren. Sie können aber auch festlegen, dass das Unternehmen nach einer gewissen Zeit verkauft oder liquidiert werden soll.

Mittlerweile haben wir ja neben der analogen auch eine digitale Welt. Kein Unternehmen kommt ohne Onlinebanking, Website und vieles andere aus. Muss man die digitale Welt bei der Vorsorgevollmacht mit bedenken?

Absolut. Es sollte dafür ein Vertreter für den Ernstfall bestimmt werden. Wichtig ist, diesen mit allen notwendigen Informationen auszustatten. Dazu gehört ein Verzeichnis aller Internet-, bzw. E-Mail-Konten inklusive der Nutzernamen, E-Mail-Adressen und Passworte. Sind die Onlinekonten in der Vorsorgevollmacht erfasst, kann der Vertretungsbefugte die Bankgeschäfte im Ernstfall weiter führen. Für den Fall, dass er die Passwörter nicht weiß: Mit einer Vorsogevollmacht kann er bei der Bank neue beantragen.

Gibt es Grenzen bei der Bevollmächtigung?

Ja, die gibt es, und zwar in Hinblick auf die höchstpersönlichen Rechte des Vollmachtgebers. Der oder die Vertreter können kein Testament für diesen verfassen und ihn nicht verheiraten.

Das klingt alles ziemlich kompliziert. Kann man unter diesen Gesichtspunkten selbst eine Vorsorgevollmacht erstellen?

Nein, sie müssen bei einem Notar, Anwalt oder einem Erwachsenenschutzverein erstellt werden.

Wann tritt eine Vorsorgevollmacht in Kraft – und wie lange gilt sie?

Sie wird dann wirksam, wenn ein Arzt die Handlungsunfähigkeit des Patienten bestätigt hat. Sobald diese wieder gegeben ist, verliert die Vorsorgevollmacht ihre Wirksamkeit. Natürlich kann man sie auch jederzeit widerrufen – etwa, wenn sich das Vertrauensverhältnis zwischen Vollmachtgeber und -nehmer ändert.

Was passiert, wenn der Eigentümer ausfällt und keinen Vertreter bestimmt hat?

In diesem Fall wird vom Gericht ein Vertreter bestellt. Dabei gibt es zwei Probleme: Zum einen, kennt der Richter das Unternehmen nicht. Zum anderen kann die Bestellung eines gerichtlichen Vertreters dauern, darüber hinaus braucht dieser für alle wichtigen Vertretungshandlungen die Genehmigung des Pflegschaftsgerichts. Das kann ebenfalls dauern und somit zum Stillstand des Unternehmens führen. Nicht selten schlittern Unternehmen dadurch in eine Krise. Weiters fallen Gerichtsgebühren an.

Sie sehen also: Eine Vorsorgevollmacht sollte wirklich als Teil der unternehmerischen Verantwortung angesehen werden.

www.notar.at

Das Interesse an einer Vorsorgevollmacht steigt kontinuierlich: Insgesamt sind im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis 198.741 Vorsorgevollmachten (Stand per 31.3.2022) registriert.

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