Sicherheit in Krisenzeiten für KMU: Das ist beim Gesellschaftsvertrag zu bedenken
Was bei Gesellschaftsverträgen zu bedenken ist und wo die größten Stolperfallen liegen, erzählt Gert Kössler, Präsident der Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg.
Krisen fordern Unternehmer immer wieder zum Handeln auf – wirkt sich das auch auf Rechtsformen und Gesellschaftsverträge aus?
Gert Kössler: Ja, es ist tatsächlich so, dass auffallend viele Unternehmer in den letzten Monaten von Personengesellschaften oder Einzelunternehmen in Richtung Kapitalgesellschaften gegangen sind.
Worauf führen Sie das zurück?
Auf den ursprünglichen Zweck der GmbH. Damit meine ich nicht steuerliche Vorteile, sondern das Thema Sicherheit. Eine GmbH ist ein eigenständiger Rechtsträger, damit kann ich das private Vermögen vom betrieblichen trennen und gegen eine etwaige Insolvenz absichern. Wirklich effizient gelingt dies natürlich nur bei Unternehmen, die eine so gute Bonität aufweisen, dass Geldgeber auf Sicherheiten der Gesellschafter, wie Bürgschaften und Mitschuldnerschaften, verzichten.
Sollte sich also jeder, der ein Unternehmen gründen will, für eine GmbH entscheiden? Der Gesetzgeber scheint ja mit der gründungsprivilegierten Gesellschaft, die es seit 2014 gibt, in diese Richtung zu gehen.
Die Wahl der passenden Rechtsform ist sehr individuell. Meines Erachtens ist es nicht sinnvoll, dass jeder Gründer von Anfang an eine GmbH anstrebt. Gerade in der Anfangsphase ist oft ein Ein-Personen-Unternehmen oder eine Personengesellschaft einer GmbH vorzuziehen.
Meines Erachtens ist es nicht sinnvoll,dass jeder Gründer von Anfang an eine GmbH anstrebt.
Weshalb?
Bei einer GmbH muss man eine Mindestkörperschaftssteuer zahlen, die Umsatzsteuer gleich nach Rechnungslegung abliefern, hat mangels Gewinns keine steuerlichen Vorteile und muss Bilanzen erstellen. Darüber hinaus verlangen Banken bei Neugründungen trotzdem Bürgschaften oder Schuldbeitritte der Gesellschafter. Im Gegensatz dazu braucht eine Personengesellschaft meist nur eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und auch die Umsatzsteuer muss erst nach dem tatsächlichen Einlangen des Umsatzes abgeführt werden.
Eines haben aber sowohl die Kapital-, als auch die Personengesellschaft gemeinsam – den Gesellschaftsvertrag ...
Ja, der wird vom Gesetz her beiden vorgeschrieben. Die Gesellschaftsverträge der Personengesellschaften können allerdings ohne Notar geschlossen und abgeändert werden – das kann Konfliktpotenzial bergen.
Gibt es eigentlich eine Mindestanforderung an den Inhalt von Gesellschaftsverträgen?
Auf alle Fälle müssen darin der Name und Sitz der Gesellschaft, der Unternehmensgegenstand, die Beteiligten und die Beteiligungsverhältnisse zu finden sein.
Mag. Gert Kössler studierte Rechtswissenschaften an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Seit 2014 ist er als öffentlicher Notar in der Tiroler Landeshauptstadt tätig. 2019 folgte die Wahl zum Präsidenten der Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg.
www.notar.at
Auf das hoffentlich lange Leben einer Gesellschaft hin gesehen ist das aber sicherlich zu wenig ...
Das stimmt, denn ein ausgefeilter Gesellschaftsvertrag ist das tragfähigste Fundament für Unternehmen. Und es gibt immer Regelungsbedarf.
Welche Punkte sollten auf alle Fälle darin geregelt werden?
Generell geht es darum, die Rechte und Pflichten der Gesellschafter festzulegen. Ganz wichtig ist es, zu klären, wie Anteile abgetreten werden können, ob es Widerspruchs-, Aufgriffs- und Vorkaufsrechte gibt, wenn ein Gesellschafter aussteigen will und was passiert, wenn ein Gesellschafter den Vertrag aufkündigen will. Zu regeln ist ebenfalls, was passiert, wenn ein Gesellschafter stirbt: Rücken dann die Erben nach? Und wenn ja, zu welchen Bedingungen? Man kann darüber hinaus damit Minderheitsgesellschafter und das Privatvermögen absichern, die Kapitalausstattung und dessen Einsatz sowie die Gewinnbeteiligung regeln. Wichtig ist auch, darauf zu achten, dass die Generalversammlung auf alle Fälle abgehalten werden kann und wie es mit den Stimmrechten aussieht. Geschieht das nicht, kann möglicherweise ein Gesellschafter die Generalversammlung blockieren und damit der Gesellschaft das Leben schwer machen.
Mit einem Standardvertrag oder gar einer Vorlage aus dem Internet scheint mir das aber nicht möglich ...
Damit funktioniert es für gewöhnlich auch nicht. Ein Gesellschaftsvertrag ist genauso individuell, wie das Unternehmen, für das er gemacht ist. Und dafür braucht es eben Beratung. Schließlich bildet er ja nicht nur den Moment der Gründung ab, sondern sollte so gestaltet sein, dass darin auch auf Entwicklungen und etwaige Krisen in der Zukunft Bedacht genommen wird.
Welches sind die größten Fehler, die Unternehmer in diesem Zusammenhang machen?
Sich keine Zeit zu nehmen, um über das, was geregelt werden sollte, nachzudenken. Bei Personengesellschaften kommt noch ein Punkt dazu: nämlich auf die Schriftlichkeit des Gesellschaftsvertrages zu verzichten. Während dieser bei Kapitalgesellschaften der Form eines Notariatsakts bedürfen, kann er bei Personengesellschaften ohne Notar und auch nur mündlich vereinbart werden. Das kann in Krisenzeiten gefährlich werden.
Womit wir wieder beim Thema Sicherheit angelangt wären ...
Ein passender Gesellschaftsvertrag gibt nun einmal Sicherheit. Nicht umsonst genießt die österreichische GmbH, anders als z.B. die Limiteds aus dem angloamerikanischen Raum, im Rechtsverkehr großes Vertrauen. Der Markt und die ganze Volkswirtschaft profitieren davon, dass die GmbHs eine solide Innenstruktur haben und nicht gleich beim ersten Windhauch zusammen fallen.
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