Notariatskammer: „Schaffen nachhaltige Rahmenbedingungen“

Eine bewusste Gestaltung von Nachhaltigkeit kann nur auf rechtsstaatlicher Ebene passieren, sagt Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer.
Interview: Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer, über Nachhaltigkeit und die Rolle der Notare dabei

Gesellschafts- und Übergabeverträge, Testamente und Vorsorgevollmachten – Werkzeuge, um ein Unternehmen langfristig abzusichern, gibt es verschiedenste. Gemeinsam mit den Eigentümern schaffen Österreichs Notare damit nachhaltige Lösungen im Interesse aller Beteiligten.

Nachhaltiges Handeln ist mittlerweile eine gesellschaftliche Verantwortung. Wie nehmen Österreichs Notare diese Verantwortung wahr?

Michael Umfahrer: Diese Frage muss man aus zwei Perspektiven beantworten: nämlich aus jener der Kammer und der einzelnen Kollegen. Die andere ist, wie wir Notare Unternehmen dabei unterstützen können.

Dann beginnen wir mit der Kammer und deren Mitgliedern …

Wir als Kammer bekennen uns zur Nachhaltigkeit und setzen sie so gut es geht um. Darüber hinaus betreiben wir Bewusstseinsbildung. Letztlich ist jeder einzelne Kollege für sich und seinen Betrieb verantwortlich.

Gibt es eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie?

In unsere Strategie ist Nachhaltigkeit durchaus enthalten, aber es gibt keine eigene Nachhaltigkeitsstrategie.

Wir helfen dabei, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Unternehmen nachhaltig absichern.

von Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer

Können Sie das ein wenig präzisieren?

Grundsätzlich ist Nachhaltigkeit auch bei uns an den ESG-Kritierien (darunter sind Kriterien aus den Bereich Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung zu verstehen, Anm. d. Red.) festgemacht. Als typischer Bürobetrieb sind unsere Möglichkeiten im Bereich Umwelt begrenzt: Zentrales Thema dabei ist die Ressourcenschonung, also wenn es um den Verbrauch von Papier, Toner und ähnlichem geht.

Darüber hinaus versuchen wir bei der Bewirtung im Rahmen von Veranstaltungen der Kammer Lebensmittelverschwendung so weit als möglich zu vermeiden. In einem Punkt allerdings leistet das Notariat durchaus einen größeren Beitrag zum Umweltschutz: Die Möglichkeit, die meisten notariellen Amtshandlungen nun digital durchzuführen, vermeidet unnötige Reisen. Dennoch haben wir deutlich mehr Potenzial im Bereich Soziales.

Inwiefern?

Wir haben in den Kanzleien eine große Zahl der AssistentInnen. Im Rahmen der Kammer haben wir einen Schwerpunkt gesetzt, um sie stärker sichtbar zu machen und bei der Ausübung ihres Berufes über flexible Arbeitszeitmodelle und ähnliches hinaus zu unterstützen. Daher haben wir – zusätzlich zu unserer internen Ausbildung – gemeinsam mit der Universität Innsbruck einen eigenen Universitätslehrgang für aktive und künftige Mitarbeiter ins Leben gerufen.

Seit wann gibt es den Lehrgang?

Der erste Durchgang hat im März an der Uni Innsbruck begonnen. Angesichts des großen Zuspruchs wollen wir im Herbst in Wien ebenfalls damit starten.

Wie steht es um das G bei den ESG-Kriterien?

Wir haben vor drei Jahren ein großes Organisationsprojekt begonnen und mittlerweile abgeschlossen. Damit haben wir sehr klare Ordnungsprinzipien, Zuständigkeiten und Kompetenzverteilungen und somit mehr Transparenz geschaffen.

Kommen wir zur zweiten Perspektive: Wie unterstützen Notare Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit?

Unser Schwerpunkt liegt im Governance-Bereich: Wir helfen dabei, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Unternehmen nachhaltig absichern und auch in Krisenzeiten handlungsfähig halten. So geht es beispielsweise darum, Risiken gesellschaftsrechtlich in Griff zu bekommen. Stellen Sie sich beispielsweise ein Unternehmen vor, an dem die beiden Gesellschafter jeweils 50 Prozent halten. Ohne flankierende Maßnahmen besteht die Gefahr, dass eines Tages das Unternehmen blockiert ist, wenn sich die beiden nicht einigen. Unsere Aufgabe ist es in diesem Fall, bei Verfassen des Gesellschaftsvertrages sicher zu stellen, dass das nicht passieren kann.

Aber nicht nur Gesellschaftsverträge sichern den Fortbestand von Unternehmen …

Absolut. Gleiches gilt für Ehe- und Partnerverträge, gut vorbereitete Übergaben und nicht zuletzt Vorsorgevollmachten.

Rechtsstaat und Demokratie sind die Grundlage dafür, dass man nachhaltig leben kann.

von Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer

Sie haben zuletzt wiederholt auf die Bedeutung von Rechtsstaat und Demokratie hingewiesen. Ersterer war ja auch zentrales Thema bei den Europäischen Notarentagen. Sind Rechtsstaat und Demokratie essenziell für die Nachhaltigkeit?

Rechtsstaat und Demokratie sind die Grundlage, dass man nachhaltig leben kann. Denn eine bewusste Gestaltung von Nachhaltigkeit kann nur auf einer rechtsstaatlichen Ebene passieren. Dazu braucht es nämlich klare Regeln und Transparenz, um Korruption, Sozialmissbrauch, Steuerhinterziehung oder Geldwäsche zu verhindern.

Für den Rechtsstaat ist somit auch ein funktionierendes Justizsystem wichtig. In Österreich klagt die Justiz seit Jahren über Budgetnöte – dadurch fehlen auch mehrere hundert Planstellen. Versagt die Politik in diesem Bereich bei ihrem Streben um Nachhaltigkeit?

Für eine funktionierende Verwaltung und Justiz braucht es nicht nur einen Rechtsrahmen, sondern auch die entsprechenden Mittel, damit die jeweiligen Aufgaben erfüllt werden können. Derzeit nehme ich wahr, dass angesichts der Budgetnöte bestimmte Aufgabenbereiche nicht in dem erforderlichen Ausmaß betreut und erfüllt werden können. Aber es ist unbestritten Aufgabe der Politik, die bei Nachhaltigkeit vor allem auf die Umwelt fokussiert ist, den entsprechenden Rahmen zu schaffen. Nachhaltigkeit ist aber ein viel weiteres Thema.

Danke für das Gespräch!

www.notar.at

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