KURIER Gesundheitstalk: Sprechen wir über Demenz
Mal vergisst man den Schlüssel und plötzlich fällt einem der Name dieser einen Bekannten nicht mehr ein. Was in den meisten Fällen völlig unbedenklich ist, kann in gehäufter Form bereits ein Anzeichen für eine frühe Form von Demenz bzw. einer kognitiven Störung sein. Zwischen 100.000 und 140.000 Menschen in Österreich leiden an einer Form von Demenz (siehe Kasten unten). Bis 2050 soll sich diese Zahl sogar verdoppeln. Grund genug, sich diesem Thema im KURIER Gesundheitstalk zu widmen und in einem gut besuchten Van-Swieten-Saal in Wien die wichtigsten Fragen rund um das Thema zu klären.
Viele Formen
Viele von uns haben in irgendeiner Form Berührungspunkte mit der Diagnose Demenz, aber ab wann spricht man davon? „Demenz ist ein Überbegriff, eine sogenannte Syndromdiagnose, die letztlich bezeichnet, dass kognitive Fähigkeiten zunehmend schlechter werden, und in fortgeschrittenen Stadien mit Verlust von Alltagskompetenzen, aber auch mit Einschränkungen von emotionalem Befinden einhergehen“, weiß Elisabeth Stögmann von der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien.
Die Symptome können je nach Form abweichen, zu den gängigsten gehören Vergesslichkeit, Probleme bei der Wortfindung oder dem Sprachverständnis, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten oder Lustlosigkeit und Apathie.
Langer Weg
Da diese Symptome allerdings auf viele andere pathologische Bilder, wie Diabetes, Nieren- oder Leberbeeinträchtigungen, aber auch psychische Erkrankungen hindeuten können, ist der Weg zur Demenzdiagnose oft ein langwieriger, wie Johanna Püringer vom Dachverband Demenz Selbsthilfe Austria erklärt: „Oft wird fälschlicherweise zunächst die Diagnose Burnout oder Depression gestellt, ehe sich im Laufe der Zeit herausstellt, dass es sich doch um Demenz handelt. Bis die richtige Diagnose gestellt wird, ist es für viele Betroffene ein harter und oft auch ein langer Weg.“
Aber ab wann sollte man besorgt sein? Eine Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. „Ab dem 50. Lebensjahr steigt die Vergesslichkeit einfach und das ist normal“, beruhigt Stögmann, aber „wenn sich Momente häufen in denen man Dinge, an die man sich erinnern wollte, vergisst oder wiederholt Probleme mit der Sprachfindung auftreten, dann empfehle ich, fachärztlichen Rat aufzusuchen“. Denn eine Demenzdiagnose ist auch eine Form von Ausschlussdiagnostik. Das ist ein Prozess, der oft mehrere Monate in Anspruch nimmt.
Unterstützung suchen
Mit der Diagnose beginnt für die Betroffenen dann eine schwierige Phase des Umbruchs. „Viele beschreiben mir diese damit, dass es sich anfühlt, wie von einer Lawine überrollt zu werden“, erklärt Püringer. Besonders dann sei es aber wichtig, sich nicht zurückzuziehen, sondern Hilfe und Unterstützung zu suchen – in seinem Umfeld, aber auch bei Selbsthilfegruppen: „Der Austausch mit anderen tut gut. Man merkt, dass man mit diesem Thema nicht alleine ist.“
Aber längst nicht nur Demenzbetroffene finden vor oder nach der Diagnose hier Halt und Rat, auch Angehörige können sich jederzeit melden und Fragen stellen. Häufig geht es auch um den Gesprächszugang und das richtige Verhalten. Offene Kommunikation, ein soziales Umfeld und Aktivitäten, die den Betroffenen Spaß machen, wie Bewegung, Musik, Tanzen oder Kultur sind laut Püringer dabei essenziell. Denn auch wenn es keine Chance auf Heilung von Demenz gibt, ist es möglich, sein Gehirn zu fördern.
„Im Gehirn kann man neue kognitive Reserven aufbauen“, verrät Stögmann, „die besonders in der Anfangsphase einer Demenz viel helfen können.“ Bereits angerichteter Schaden ist zwar irreversibel, dennoch gibt es Möglichkeiten, diesen einzudämmen. Dazu zählen auch ein gesunder Lebensstil und die Behandlung von Risikofaktoren, wie Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht. Daher ist eine frühe Diagnose auch so wichtig.
Neue Hoffnung
Eine Heilung von Demenz ist zwar noch nicht möglich, eine neue Alzheimertherapie, die 2024 in der EU zugelassen werden soll, weckt derzeit allerdings Hoffnungen. Stögmann warnt jedoch vor zu viel Enthusiasmus: „Man darf zwar zurecht von einem Meilenstein in der Entwicklung sprechen, aber es wird eben nur für eine kleine Gruppe von Betroffenen anwendbar sein.“
Auch wenn solche Errungenschaften noch nicht das Allheilmittel sind, sind sie ein wichtiges Signal für die Zukunft. Neurologin Stögmann würde sich aber speziell für Österreich noch etwas anderes wünschen: „Ich finde, es braucht ein neues integrativeres Versorgungskonzept für Betroffene von kognitiven Störungen oder Demenz“, sagt sie.
Püringer sieht ebenfalls dringenden Bedarf nach mehr Interdisziplinarität in der Betreuung, sowie die Notwendigkeit, für eine gesetzlich festgelegte, bezahlte Assistenz für Menschen mit einer Frühform dieser Erkrankung. Das wären bedeutende Schritte in eine richtige Richtung, die das Leben mit Demenz erleichtern könnten.
Auch wenn Demenz oft als Überbegriff für kognitive Beschwerden verwendet wird, gibt es verschiedene Arten von demenziellen Erkrankungen. Die häufigste Form, die fast zwei Drittel der Diagnosen einnimmt, ist die Alzheimererkrankung.
Weiters gibt es die vaskuläre Demenz, die zweithäufigste Form, von der man glaubt, dass vaskuläre Faktoren, wie Bluthochdruck, Blutfette oder Blutzucker Einfluss auf kognitive Fähigkeiten nimmt. Außerdem gibt es noch die Parkinson-Demenz und die Frontotemporal Demenz. Sie nehmen jeweils 10 Prozent der Fälle ein.
Zum Nachschauen
Den gesamten KURIER Gesundheitstalk zum Thema Demenz können Sie hier nachschauen:
Neugierig geworden?
Der nächste Gesundheitstalk von KURIER, MedUni Wien und Novartis findet wieder im Frühjahr 2024 statt. Die Veranstaltung ist gratis. Anmeldungen unter: kurier-events.at/gesundheitstalk
Hilfe und Unterstützung zum Thema Demenz finden Sie online unter: www.demenzselbsthilfeaustria.at