„Haben die Grenzen der Digitalisierung erkannt“
Österreichs Notare gehen mittlerweile nicht nur den analogen, sondern auch den digitalen und hybriden Weg. Das Ziel ist dasselbe: Optimale Beratung und maßgeschneiderte Lösungen für alle Beteiligten.
Die Digitalisierung ist einer der Erfolgsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsstandorten, also auch von Österreich ...
Michael Umfahrer: Das ist absolut richtig. Und ich bin stolz, dass wir international die ersten Notare waren und sind, die umfassend digital arbeiten. Aufgrund unserer Erfahrungen damit konnten wir nach Verhängung des ersten Lockdowns unsere Dienstleistungen – bis auf die Erstellung von Testamenten und letztwilligen Verfügungen – rasch digital anbieten. Anfangs war das nur befristet geplant, zum Glück ist es uns jetzt im Dauerrecht möglich.
Seit dem Vorjahr können notarielle Amtshandlungen darüber hinaus hybrid angeboten werden. Welche Variante wird von den Klienten nun bevorzugt?
Das hängt davon ab, was im konkreten Fall gebraucht wird. Wir merken allerdings, dass die meisten Klienten für die ersten Gespräche und Beratungen jetzt wieder den direkten Kontakt in der Kanzlei vorziehen. Geht es danach nur noch um die Vertragsunterzeichnung, gehen manche zur digitalen Variante über. Etwa, um sich eine neuerliche Anreise zu ersparen. Wobei natürlich gesagt werden muss, dass die notarielle Beratung immer in der gleichen Qualität erfolgt – egal, ob man sich für den analogen, hybriden oder digitalen Weg entscheidet.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem digitalen Notariat?
Sehr gut, es ist absolut eine Bereicherung für uns. Denn wir können mit unseren drei Wegen die Klienten dort abholen, wo sie stehen. Bei allen Vorteilen haben wir aber in den vergangenen Jahren auch die Grenzen der Digitalisierung im Zusammenhang mit unserer Tätigkeit erkannt.
Welche sind das?
Unsere Tätigkeit ist stark auf die persönliche Beziehung und den Kontakt ausgerichtet. Nicht zuletzt beraten wir unsere Klienten ja häufig bei Themen, die stark emotional besetzt sind. Da ist es für uns auch wichtig, die Stimmung der Anwesenden zu spüren und ihre Mimik zu sehen, das fällt bei Videokonferenzen weg. Aus diesem Grund ziehe ich selbst zumindest anfangs das persönliche Gespräch in der Kanzlei vor. Ein anderer Punkt ist, dass eine digitale Urkunde immer eine solche bleibt. Man kann sie zwar ausdrucken, aber der Ausdruck ist rechtlich wertlos, da er kein Original ist.
Gibt es auch in der internationalen Zusammenarbeit Grenzen? Ist zum Beispiel die Gründung einer Tochtergesellschaft oder die Errichtung einer Zweigniederlassung grenzüberschreitend digital möglich?
Wird eine GmbH in Österreich gegründet, können die Gesellschafter überall auf der Welt sitzen. Anders sieht es beispielsweise bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung einer österreichischen Gesellschaft aus: Geht diese beispielsweise in einer deutschen GmbH auf, muss mit deutschen Gerichten kommuniziert werden. Das geht leider noch nicht digital. Wir brauchen daher möglichst rasch Rahmenbedingungen, sodass beispielsweise deutsche Gerichte österreichische Amtssiegel anerkennen und Wege geschaffen werden, um Urkunden digital übermitteln zu können. Die EU ist an dem Thema bereits dran.
Das heißt, es gibt noch Optimierungsbedarf?
Ja. Auch, was die Kommunikation mit den Klienten betrifft. So sollte ihnen über Portale Zugriff auf ihre Verträge und Dokumente ermöglicht werden.
Wie sehen Sie die Zukunft des österreichischen Notariats – analog, hybrid oder digital?
Das ist schwer vorherzusagen, da wir uns derzeit in einer Übergangszeit befinden. Die Anforderungen an uns Notare ändern sich, auch die Technik entwickelt sich weiter. Für uns ist es daher wichtig, dass wir uns mit beidem mit entwickeln – und das tun wir.
Eine letzte Frage zur Digitalisierung: Ein Thema, das immer mehr an Relevanz gewinnt, ist die Künstliche Intelligenz. Wie stehen Sie dazu?
Die KI ist beispielsweise bei der Recherche nützlich oder im formalen Bereich. Aber nicht bei der Feinabstimmung. Denn unsere Beratung ist für jeden maßgeschneidert, das kann KI nicht leisten. Aber vielleicht trägt sie dazu dabei, unsere Beratung auf ein noch höheres Niveau zu heben, weil uns dank KI mehr Zeit dafür bleibt.
Die Beratung gilt ja als das Herzstück der notariellen Tätigkeit. Was ist so besonders daran?
Der Notar als öffentlicher Amtsträger steht für Objektivität und Unparteilichkeit. Er versucht, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, sorgt dafür, dass niemand zu Schaden kommt und ist bemüht, eine für alle passende Lösung zu finden, die Streit vorbeugt. All das macht unsere Arbeit so besonders.
Provokant gefragt: Uns stehen durch das Internet doch viel mehr Informationsmöglichkeiten zur Verfügung als früher – ist die Beratung also wirklich notwendig?
Ich stelle immer wieder fest, dass Menschen in die Kanzlei kommen und glauben, dass sie alles wissen. Im Gespräch bemerken sie dann aber rasch, dass ihre Informationen entweder unvollständig oder sogar falsch sind. Bloß auf die Informationen im Netz zu vertrauen, halte ich daher für gefährlich.
Gibt es Themenbereiche, in denen Sie sich wünschen, dass sich mehr Menschen beraten lassen würden?
Ja, beim Wechsel von einem Lebensabschnitt in den anderen. Beispielsweise, wenn das erste Mal Eigentum durch den Erwerb einer Wohnung geschaffen wird, beim Heiraten, wenn Kinder da sind und natürlich bei Betriebsübergaben. Denn zu diesen Zeitpunkten sollte man innehalten und sich überlegen, wie Familie, Eigentum und nicht zuletzt man selbst abgesichert werden kann.
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