Digitale Amtshandlungen: „Es stehen immer Menschen dahinter“

Digitale Amtshandlungen: „Es stehen immer Menschen dahinter“
Nahezu alle Rechtsgeschäfte können in Österreichs Notariaten digital erledigt werden

Die Digitalisierung ist in den heimischen Notariaten seit Jahrzehnten Alltag. So werden beispielsweise sämtliche Akten und Urkunden im elektronischen Urkundenarchiv gespeichert. Seit einigen Jahren können GmbHs digital gegründet werden. Welche Vorteile, aber auch Herausforderungen, die Digitalisierung bringt, weiß Nina Ofner, Notarin in Ybbs an der Donau.

Während der Pandemie wurden die digitalen Möglichkeiten im Notariat befristet erweitert, seit Jahresbeginn sind sie ein fixer Bestandteil des notariellen Angebots. Was alles kann nun tatsächlich digital beim Notar erledigt werden?

Nina Ofner: Wir können unseren Kunden nahezu alle notariellen Tätigkeiten auch digital anbieten. Das umfasst alle vertraglichen Vorgänge, etwa die Abwicklung von Kaufverträgen bei Immobiliengeschäften oder Unternehmenstransaktionen, genauso wie Notariatsakte über Gesellschafts- oder Abtretungsverträge bei GmbHs. Die abschließende Unterfertigung der Dokumente und ihre Beglaubigung, sowie die Übermittlung an Grund- und Firmenbuch erfolgen ebenfalls digital. General- und Hauptversammlungen können virtuell abgehalten und die Protokollierung digital erledigt werden.

Welche notariellen Tätigkeiten sind von der digitalen Abwicklung ausgenommen?

Ausgenommen sind nur die Errichtung von Testamenten und letztwilligen Verfügungen sowie das Bekanntmachen von Erklärungen und die Zustellung von Urkunden an Dritte.

Warum sind diese ausgenommen?

Wie Sie wissen, sind vor einigen Jahren beim Testament aus Sicherheitsgründen die Formvorschriften verschärft worden. Das heißt, bei jedem Testament und bei jeder letztwilligen Verfügung ist nicht nur eine handschriftliche Unterschrift, sondern weiters ein handschriftlicher Zusatz (Bekräftigung) des Testators und drei geeignete Zeugen notwendig.

Was genau ist unter Bekanntmachung von Erklärungen und Zustellen von Urkunden an Dritte zu verstehen – und warum ist das vom digitalen Angebot ausgenommen?

Die Bekanntmachung von Erklärungen kann beispielsweise notwendig werden, wenn Sie jemandem ein Vorkaufsrecht für eine Immobilie eingeräumt haben, diese nun verkaufen wollen und der Vorkaufsberechtigte reagiert nicht auf Ihre Anfragen. In diesem Fall können Sie zu einem Notar gehen, der den Sachverhalt protokolliert und diesen dem Vorkaufsberechtigten zukommen lässt und dessen Erklärung protokolliert. Dies wäre digital nicht durchführbar.

Wie werden die digitalen Amtshandlungen von den Klienten angenommen?

Von denen, die sie brauchen, sehr gut. Zum Beispiel, wenn jemand in Quarantäne ist, oder er wegen anderer Beschränkungen nicht anreisen kann, ist er für diese Möglichkeit sehr dankbar. Auch bei Generalversammlungen und Gesellschaftsverträgen wurde und wird gerne auf diese Möglichkeit zurückgegriffen. Dazu ist anzumerken, dass es ein wenig vom Alter der Parteien abhängt, vor allem jüngere Klienten sind für dieses Angebot offen.

„Der persönliche Austausch ist notwendig – vor allem bei Themen, die die Menschen emotional berühren“

von Mag. Nina Ofner Notarin

Digitale Amtshandlungen: „Es stehen immer Menschen dahinter“

Einen Vorteil der digitalen Amtshandlungen erwähnten Sie bereits – nämlich jenen, nicht vor Ort sein zu müssen. Gibt es noch andere Vorteile – und wie sieht es mit Nachteilen aus?

Dass nicht alle Beteiligten zur gleichen Zeit am selben Ort persönlich anwesend sein müssen, ist sicher einer der größten Vorteile. Nicht nur in Zeiten der Pandemie, sondern auch in Zukunft – so spart man viel Zeit. Auch die Terminfindung ist wesentlich einfacher. In Fällen, in denen es um emotionale Themen geht und an denen viele Personen beteiligt sind, halte ich die persönliche Anwesenheit für angenehmer, weil man Mimik und Gestik am Tisch besser einschätzen kann als bei den nur klein eingeblendeten Teilnehmern an Videokonferenzen. Außerdem erfordert es dann sehr viel Disziplin, damit nicht einer dem anderen ins Wort fällt. Schwieriger ist es auch dann, wenn jemand nicht täglich mit digitalen Medien zu tun hat und nicht gewohnt ist, in eine Kamera zu reden. Nicht zuletzt kommt bei der Online-Variante das Zwischenmenschliche manchmal ein bisschen zu kurz.

Ein wichtiges Thema, gerade bei digitalen Amtshandlungen, ist die Sicherheit – es geht ja schließlich um die Überprüfung von Identitäten, um Beglaubigungen etc. Wie kann ich als Klient sicher sein, dass meine Daten geschützt sind, wie können Sie als Notar sicher sein, dass der Klient auch tatsächlich der ist, der er zu sein vorgibt?

Alle Klienten unterlaufen vorab einen Identifikationsprozess, der von einem darauf spezialisierten Unternehmen durchgeführt wird. Dabei wird von geschultem Personal in einer Videokonferenz ein Gespräch geführt, die Daten sowie ein zertifizierter Ausweis, wie etwa ein Reisepass, abgeglichen; weiters werden Fotos gemacht. Dieser Identifikationsprozess wird aufgezeichnet. Wir Notare erhalten dann in einem eigens eingerichteten, zertifizierten Datenraum das Nachweispaket über die Identifizierung hochgeladen. Neben den Ausweisen erhalten wir die Fotos und Audioaufnahmen, um die Stimme des Klienten hören zu können.

In diesem Datenraum, zu dem nur Personen, die das Identifikationsverfahren durchlaufen haben und die an dem Rechtsvorgang beteiligt sind, Zugang haben, werden auch die Vertragsentwürfe hochgeladen. Darüber hinaus kann dort das jeweilige Dokument geändert, verlesen und mittels Handysignatur unterschrieben werden. Die Daten werden verschlüsselt übertragen, es ist somit sicherer, als Vertragsentwürfe per Email hin und her zu schicken.

Werden auch Beglaubigungen in diesem Datenraum durchgeführt?

Der ist dafür nicht unbedingt notwendig, vor allem dann, wenn es sich um eine einmalige Unterschrift handelt. Stattdessen werden sie über ein spezielles Programm abgewickelt.

Kernkompetenzen der Notare sind Beratung und individuelle Lösungen. Wie werden diese in der digitalen Welt sichergestellt?

Es gibt keine digitale Signatur ohne Beratung. Digitalisierung heißt für uns Notare ja nicht, dass es nur noch vereinheitlichte Formulare oder sogar “Gespräche“ mit Bots gibt. Bei uns stehen immer Menschen dahinter, die für andere Menschen maßgeschneiderte Lösungen finden. Jetzt nicht mehr nur in der analogen Welt, sondern auch in oft stundenlangen Einzel- oder Gruppengesprächen per Video.

Österreichs Notare gelten ja als Vorreiter in der Digitalisierung. Wo kann beziehungsweise wird die Reise noch hingehen? Wo gibt es noch Potenzial für weitere Digitalisierungsschritte?

Es gibt noch Vereinfachungspotenzial. Eine Erleichterung für uns wäre, wenn wir Parteien, die wir bereits einmal beglaubigt und von denen wir daher die Ausweisdaten haben, selbst identifizieren könnten. Das gab es kurz während der Pandemie, aber leider jetzt nicht mehr. Ebenfalls gut wäre, wenn bei Verlassenschaften der Verkehr zwischen dem Gericht und uns als Gerichtskommissären ebenfalls digital ablaufen könnte. Derzeit werden die Akten immer noch per Boten oder Post hin und her geschickt.

Denken Sie, dass einmal alles nur digital abläuft?

Das glaube ich nicht, denn der persönliche Kontakt ist notwendig – vor allem bei Themen, die die Menschen emotional berühren.           

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