„Bei Unternehmern ist ein Testament ein Muss“
Mit einem Testament kann die Verlassenschaft wunschgemäß geregelt und gleichzeitig Streit vorgebeugt werden, sagt der Wiener Notar Christoph Beer.
Nur rund 20 Prozent der Österreicher haben ein Testament. Viele halten es nach wie vor für überflüssig. Gibt es Gründe, warum man sehr wohl ein Testament verfassen sollte?
Christoph Beer: Ja. Das ist dann der Fall, wenn man die gesetzliche Erbfolge ändern möchte. Etwa, wenn es Lebensgefährten oder Stiefkinder gibt, denen man etwas hinterlassen will. Oder auch, wenn man Teilungsanordnungen treffen will.
Was ist unter einer Teilungsanordnung zu verstehen?
Bei der gesetzlichen Erbfolge gehört den Erben alles im Verhältnis der Erbquoten. Mit einer Teilungsanordnung kann man das ändern und so verhindern, dass mehrere Erben über die Nutzung der einzelnen Nachlassgegenstände streiten.
Wie sieht es bei Unternehmern aus: Ist da ein Testament unabdingbar oder reicht der Gesellschaftsvertrag?
Besonders für Unternehmer ist ein Testament ein Muss. Im Gesellschaftsvertrag werden ja nur die Spielregeln für die Nachfolge als Gesellschafter festgelegt, aber nicht, wer was bekommt.
Das Pflichtteilsrecht kann auch mit einem Testament nicht umgangen werden ...
Das ist richtig. Der Pflichtteil ist aber ein reiner Geldanspruch. Man kann somit ausschließen, dass ein ungeliebter Erbe Anspruch auf beispielsweise ein Drittel einer Sache oder des Unternehmens hat. Er hat also nur Anspruch auf ein Drittel des Wertes desselben.
Bei Unternehmen kann aber selbst das fatal sein.
Deshalb kann der Erblasser die Stundung des Pflichtteils vorsehen. Die Erben müssen in diesem Fall die anderen Pflichtteilsberechtigten nicht sofort, sondern erst in fünf –in Härtefällen mit Genehmigung durch das Gericht sogar in bis zu zehn – Jahren auszahlen. Als Alternative kann der Erblasser auch den Pflichtteil als Vermächtnis, beispielsweise als Fruchtgenuss oder als Erlösbeteiligung am Unternehmen, hinterlassen.
Noch eine Frage zur Pflichtteilsstundung: Der Pflichtteilsbetrag wird ja mit den gesetzlichen Stundungszinsen von vier Prozent verzinst – wurde diese Option oft angenommen?
Nein, bis jetzt nicht. Aber angesichts der jetzigen Zinslage könnte sich das ändern.
Sie haben zuvor die Lebensgemeinschaft erwähnt. Sind Lebensgefährten erbrechtlich abgesichert?
Ihre Stellung im Erbrecht ist nach wie vor schlecht. Sie haben zwar ein außerordentliches Erbrecht, das aber nur dann eintritt, wenn es überhaupt keine erbberechtigen Verwandten gibt. Oder anders gesagt, bevor die Verlassenschaft mangels Verwandtschaft dem Staat zufällt. Wer wirklich sicherstellen will, dass der Lebensgefährte erbt, braucht somit ein Testament.
Die Stellung von Lebensgefährten im Erbrecht ist nach wie vor schlecht
Und wie sieht es im Falle einer Scheidung aus: Ist ein Testament, das vor einer Scheidung verfasst und nicht widerrufen wurde, danach immer noch gültig?
Nein. Nach neuer Rechtslage ist ein Testament zugunsten des Ehegatten mit Einleitung des Scheidungsverfahrens hinfällig. Dies allerdings nur hinsichtlich der Anordnungen, die den früheren Ehegatten betreffen. Deshalb rate ich im Falle einer Scheidung dazu, das Testament zu ändern und an die geänderte Lebenssituation anzupassen.
Sollten Testamente generell regelmäßig adaptiert werden?
Auf jeden Fall. Und zwar immer dann, wenn sich an der Lebens- oder Vermögenssituation etwas ändert.
Was ist Ihrer Einschätzung nach der größte Fehler im Zusammenhang mit Vererben und Testament?
Die reine Anordnung von Vermächtnissen ohne Einsetzung eines Erben. Das ist bei den meisten selbstverfassten Testamenten der Fall. Was bei diesen ebenfalls meist nicht bedacht wird, ist eine Ersatzerbschaft. Es kann ja schließlich sein, dass der vorgesehene Erbe vor oder gleichzeitig mit dem Erblasser stirbt.
Warum ist es ein Problem, wenn nur Vermächtnisse angeordnet werden?
Der Vermächtnisnehmer bekommt eine bestimmte Sache. Beispielsweise das Auto, einen bestimmten Geldbetrag oder die Wohnung. Der Erbe wiederum bekommt einen gewissen Anteil, zum Beispiel die Hälfte oder ein Drittel der Verlassenschaft. Der Erbe bekommt aber nicht nur die Vermögenswerte (Aktiva), sondern muss auch die Schulden (Passiva) tragen. Wenn nur Vermächtnisse angeordnet werden, ist somit unklar, was mit dem Rest des Vermögens passiert. Oftmals wird das Auto oder die Wohnung vermacht. Doch was passiert mit dem Schmuck oder dem Pensionskonto? Unklar bleibt auch, wer die Passiva, zum Beispiel die Begräbniskosten, bezahlen muss.
Apropos Schulden: Werden diese auch vererbt?
Ja, es geht um alle Aktiva und Passiva.
Muss man als Erbe eigentlich die Erbschaft antreten? Und was passiert damit, wenn man dies nicht tut?
Niemand muss ein Erbe antreten, wenn er nicht will. Gibt es keine anderen Erben, fällt die Erbschaft an den Staat.
Mittlerweile werden ja nicht nur greifbare Dinge vererbt, auch in der digitalen Welt sammelt sich zunehmend Vermögen an. Wie wichtig ist es, beim Testament daran zu denken?
Genauso wichtig wie in der analogen Welt. Grundsätzlich sind die eingesetzten Erben auch Träger digitaler Vermögenswerte. Daher sollten Erblasser für die Erben auflisten, was es davon gibt und wie die Zugangsdaten lauten. Dieses Thema wird mit der fortschreitenden Digitalisierung noch viel wichtiger. Wir Notare beschäftigen uns daher intensiv mit diesen Fragen, etwa, im Zusammenhang mit Verlassenschaftsverfahren. Wenn es um Geldwerte geht, muss die Bank einem Notar als Gerichtskommissär Auskunft erteilen. Eine Auskunft von einer Kryptobörse zu bekommen, ist ungleich schwieriger …
Braucht es eigentlich einen Testamentsvollstrecker?
Nein, dies ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Im Prinzip ist der Erbe der Testamentsvollstrecker. Nach Abgabe einer Erbantrittserklärung verwaltet und vertritt er die Verlassenschaft. Aber natürlich kann der Erblasser einen unabhängigen Testamentsvollstrecker einsetzen, wobei der Erbe diesen nicht akzeptieren muss.