Picasso, Chagall und die Cote d’Azur: Rendez-vous mit Heidi Horten
Heidi Horten ist für viele Menschen eine Ikone: Die österreichische Unternehmerin machte sich vor allem mit ihrer exklusiven Sammlung von über 500 Kunstwerken einen Namen. Nach dem Tod ihres Ehemannes, Unternehmer Helmut Horten, erbte sie ein beträchtliches Vermögen. Aus ihrer Vorliebe zu teuren Gemälden, Uhren, Villen, dem luxuriösen Lifestyle und ihren zahlreichen Reisen um die Welt machte sie kein Geheimnis.
Auch großzügige Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen und gemeinnützige Projekte prägten das Bild der Kunstsammlerin. Nach ihrem Tod im Juni letzten Jahres öffnete jetzt die zweite Ausstellung RENDEZ-VOUS in Hortens Privatmuseum „Heidi Horten Collection“ ihre Pforten. Sie liegt gegenüber der Albertina in Wien. Ich habe die persönliche Sammlung begutachtet.
Mein Date mit Picasso & Chagall
Als ich eintrete, frage ich mich: Wo ist denn jetzt mein Rendez-vous? Schnell aber wird mir klar: Es geht um viel mehr als nur ein Date mit romantischer Atmosphäre, wie sie bei einem Rendez-vous wohl entstehen sollte. Die Idee hinter dem Namen: Menschen sichtbar machen, in deren Schaffen Frankreich eine große Rolle spielte. Denn für Heidi Horten war Paris die Hauptstadt von Kunst und Kultur und somit eine wichtige Stadt in ihrem Leben. Gemeinsam mit ihrem Mann besaß sie eine Wohnung in der Avenue Foch, einem der exklusivsten Stadtviertel in Paris.
Das ist auch der Grund, warum der Fokus der Ausstellung auf den großen Künstlern Pablo Picasso, Marc Chagall und Yves Klein liegt. Ersterer kam schon mit 18 Jahren nach Frankreich und verbrachte dort einen großen Teil seines Lebens. Auch Chagall wanderte von Weißrussland nach Frankreich aus, ließ sich im Künstlerviertel Montmartre nieder. Klein wurde bereits in Nizza, Frankreich, geboren und gehörte bald zur künstlerischen Avantgarde in Paris.
Allerdings sind in der Ausstellung auch etliche Werke von anderen Künstler:innen zu sehen - insgesamt von rund 50, die einen zeitlichen Bogen von 1890 bis 1970 spannen. Für mich absolut beeindruckend: Wie können so viele unterschiedliche Kunstwerke von solch außergewöhnlichen Persönlichkeiten in so einer Harmonie miteinander verbunden werden? Im Erdgeschoss fühle ich mich sofort wohl: Es gibt zum Einstieg angenehme, leichte Sujets, spielerische Landschaften. Man taucht langsam, aber bestimmt, in die Welt von Heidi Horten ein und beginnt ganz unscheinbar, die Welt mit ihren Augen zu sehen.
Retro-Prunk mit Charme
Wie wohlhabend Heidi Horten wirklich wahr, wird mir allerdings erst klar, als ich die zahlreichen Bilder ihrer vielen Villen und Yachten erblicke, insbesondere die Villa Dubeau in Antibes. Kuratorin Véronique Abpurg erklärt: „Nach dem Tod ihres Mannes ließ Horten ihre Wohnsitze für ihre Bedürfnisse umgestalten.“ Während er es gerne reduziert hatte, liebte sie es üppig. Möbel aus dem 18. und 19. Jahrhundert mischte die Kunstsammlerin mit Stücken von Designer:innen des 20. Jahrhunderts.
Diese Kombination aus historischen und zeitgenössischen Elementen erkenne ich in der Ausstellung sehr gut: Viele Stücke wirken für mich als Laiin sehr antik, andere wiederum modern. Was mir sofort auffällt: Ich mag ihren Stil. Alleine durch die Bilder und Skulpturen kann man sich mit ein bisschen Fantasie vorstellen, wer Heidi Horten war. Ich mache mir also mein eigenes Bild: Diese Frau lebte in einer unbeschwerten Welt. Sie mochte das Traditionelle und sie liebte es, zu träumen. Aber genauso faszinierte sie das Neue, das Lebendige und das Tiefgründige. Vielleicht sogar das Dramatische.
Atmosphärenwechsel: Krieg, Drama und Werke mit ernstem Hintergrund
Wie sehr dieses Bild, das ich mir von Heidi Horten in kurzer Zeit ausgemalt habe, stimmt, zeigt mir das erste Obergeschoss der Ausstellung. Denn so leicht und sorglos die unterste Etage war, so viel Tiefgang hat plötzlich diese Ebene. Hier hängt ein Liebesbrief von dem Dichter Guillaume Apollinaire, der mir ins Auge fällt. Der französische Maler George Braque hat dazu Lithografien gemacht, eine davon ist in der Heidi Horten Collection zu sehen. Apollinaire schrieb ihn, kurz bevor er an die Front ging, und nahm seinen Tod schon vorweg. Tatsächlich kam er im Krieg ins Krankenhaus und erlag später seinen Verletzungen. Seine Werke berühren mich plötzlich mehr, als ich erwartet habe. In einem Gemälde von Jean Fautrier ist eine ermordete Geisel dargestellt - auch wenn man es vielleicht nicht gleich erkennt. Fautrier verarbeitete vor allem seinen Schmerz in den Bildern: Seine Werke sind somit nicht nur eine Darstellung des Krieges selbst, sondern vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit den verheerenden Auswirkungen auf die menschlichen Existenz.
Ebenso beeindruckend: Die Werke von Jean Dubuffet, mit denen er sich in Kriegszeiten gegen die Propaganda stellte. Statt bestimmten ideologischen Vorstellungen zu entsprechen, wandte er sich von diesen ab und malte Porträts mit einer sensiblen und empathischen Herangehensweise. Von Jean Séeberger ist ein Foto in der Ausstellung, das Paris wenige Tage vor seiner Befreiung im August 1944 zeigt. Er kommt aus einer Fotografendynastie, die in den 1930er Jahren die mondäne Gesellschaft fotografiert hat sowie für Modehäuser wie Chanel und Jean Patou gearbeitet hat.
Heutzutage würde man Jean Séeberger vielleicht sogar als High-Society-Fotografen bezeichnen.
Glanz und Gloria: Ein üppiger Traum von Luxus
Neben der Projektion, die Picasso beim Schaffen zeigt, ist auch das Schwammrelief in Blau von Yves Klein ein absolutes Ausstellungs-Highlight für mich. Er tauchte dafür Schwämme in Farbe, hauptsächlich in intensivem Blau, und drückte sie dann auf die Leinwand. Das Werk, das in der Heidi Horten Collection zu sehen ist, ist das erste dieser Arbeiten und deshalb etwas ganz Besonderes. Aber auch ein bestimmter Raum erregt meine Aufmerksamkeit: Er wurde danach gestaltet, wie Heidi Horten gelebt hat. Und er fasziniert mich. Nicht, weil hier teure Stücke zu sehen sind, die für mich unbezahlbar sind, sondern weil es einfach schön anzusehen ist. Und jene Dinge, die schon so viele Jahrzehnte alt sind, geben mir das Gefühl, an ihrer Geschichte teilhaben zu dürfen.
Heidi Horten hat die Dinge jeden Tag genossen und Freude an ihnen gehabt, erklärt Agnes Husslein-Arco, die Direktorin. Ihr Geschmack war einzigartig. Ob die zahlreichen Uhren, Spiegel, Bilderrahmen, vergoldete Muscheln und Co. kitschig sind? Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass Heidi Horten ein interessantes Leben geführt hat - und dass es sich lohnt, die Ausstellung zu besuchen.
RENDEZ-VOUS in der Heidi Horten Collection läuft noch bis 29. Oktober 2023.
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