Wiens unsichtbare Stricher

Die Männer im Schweizergarten verschwinden, wenn sie sich beobachtet fühlen, aus Angst vor der Polizei sofort.
Sozialarbeiter kritisiert, dass es für männliche Prostituierte keine Anlaufstelle gibt.

Es dauert einige Zeit, bis sich nach Einbruch der Dunkelheit langsam etwas tut im Schweizergarten. Der Park im dritten Wiener Gemeindebezirk liegt unweit des Hauptbahnhofs und ist tagsüber gut besucht. Familien mit Kindern bevölkern die Spielplätze, Hundebesitzer gehen mit ihren Tieren Gassi.

Sobald es aber dunkel wird, finden sich dort Menschen ein, die sonst von der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden: männliche Prostituierte. Als der KURIER auf Lokalaugenschein gegen 23 Uhr im Park ist, verschwinden die jungen Männer sofort. Zu gefährlich ist es für sie, von der Polizei erwischt zu werden. Beamte, die sich mit dem Thema Prostitution beschäftigen, bestätigen, dass es sich bei den Männern um Stricher handelt.

Hauptsächlich stammen die Männer aus Bulgarien und Rumänien, nur selten würden auch Flüchtlinge, etwa aus Afghanistan, in der Hauptstadt anschaffen gehen.

Sich im Schweizergarten Befriedigung zu holen, kostet etwas mehr als auf den legalen Straßenstrichen, wo Frauen Sex gegen Geld anbieten. Laufhäuser, wie es sie für weibliche Sexarbeiterinnen gibt, stehen Männer nicht zur Verfügung. "Es gibt eigentlich nur ein Lokal in Wien, wo junge Männer sich Zimmer nehmen können. Dort mieten sie sich aber nur auf Stundenbasis ein", sagt David Köck. Der Sozialarbeiter setzt sich wissenschaftlich mit dem Thema Männer in der Prostitution auseinander – ein Thema, das in der Gesellschaft fast keinen Platz findet.

400 Männer

Köck fordert schon lange eine offizielle Anlaufstelle für männliche Prostituierte. Denn während es für Frauen etliche Adressen mit Hilfsangeboten gebe, blieben männliche Sexarbeiter auf sich alleine gestellt. "Das ist ein großes Problem. In deutschen Städten die mit Wien vergleichbar sind, betreuen die Organisationen um die 400 Männer. In Wien gibt es keine offiziellen Zahlen aber es gibt schätzungsweise genauso viele Sexarbeiter hier", sagt Köck.

Polizeilich gemeldet sind in Wien derzeit 68 männliche Prostituierte. Die meisten davon sind Transsexuelle. Nur etwa zehn Sexarbeiter, die homosexuelle Kunden haben, sind in Wien offiziell eingetragen und lassen sich auch regelmäßig untersuchen.

Dabei wäre es für männliche Sexarbeiter wichtig, betreut zu werden, denn auch für sie spielt – wie auch bei vielen weiblichen Prostituierten – Gewalt und vor allem Drogenmissbrauch eine Rolle, wie der Sozialarbeiter Thomas Fröhlich, der beim Gesundheitsdienst der Stadt Wien tätig ist, bestätigt: "Von Gewalt und Zwang sind auch männliche Sexarbeiter betroffen, da diese Themen ganz grundsätzlich in Abhängigkeitsbereichen der Prostitution vorkommen können. Außerdem gibt es die Gefahr von Drogenmissbrauch von Poppers (kurz wirkende Aufputschmittel, Anm.), Viagra und Ähnlichem sowie die Gefahr von Körper-Manipulationen, um die Erektionsfähigkeit zu steigern oder zu erhalten", sagt Fröhlich.

Sozialarbeiter Köck erklärt, dass die meisten Sexarbeiter aus Not anschaffen gehen. Viele von ihnen hätten bereits in sehr jungen Jahren Familien mit Kindern in ihren Heimatländern, die sie durch Prostitution finanziell versorgen.

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