In den vergangenen Jahrhunderten habe es immer wieder solche Veranstaltungen gegeben, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung. „In den 1950ern war während des Kirtags ganz Mauer auf den Beinen“, so Mastny. Eigene Umzüge gab es etwa - mit Festwägen, die mit einer zum Bezirksteil passenden Deko versehen waren.
Hochkarätige Künstler
Weil auf der bei Mauer gelegenen Antonshöhe ein steinzeitliches Feuersteinbergwerk gefunden wurde, gab es etwa einen Wagen im Steinzeit-Design.
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Die früheren Feste lockten aber nicht nur Liesinger an, denn es gab auch eigene Festzelte, in denen hochkarätige Künstler auftraten. Etwa das Wiener Kabarett-Trio "Die Spitzbuam", die ab den 1950ern sehr beliebt waren und mit derben Witzen über Sex, Homosexualität und Alkohol auffielen.
Die Straßenbahnen konnten während der Kirtage nicht mehr fahren, erzählt Mastny. Polizisten sollen verzweifelt (und wohl meist auch erfolglos) versucht haben, den Verkehr neu zu regeln.
In den vergangenen Jahren lockte der Kirtag zwar immer noch Tausende an, allerdings gab es klare Regelungen. Trotzdem wird auch der eine oder andere Anrainer erleichtert sein, dass heuer kein Kirtag stattfinden wird.
Gewalt und Diebstähle
Denn auch Alkohol, Lärm und Kriminalität waren Teil des Kirtagstreibens. Einen guten Einblick bot ein Gerichtstermin im November. Zwei Angeklagte waren beim Kirtag 2022 auf einen Bekannten gestoßen, der eine Rolex-Uhr im Wert von 7.250 Euro trug. „Ich hab ihn gefragt, ob ich sie probieren darf“, erklärte der Beschuldigte beim Prozess. „Sonst werde ich dich fetzen“, ergänzt der Staatsanwalt die „Bitte“.
Der Kirtagsbesucher musste seine eigene Uhr schließlich um 500 Euro zurückkaufen.
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Laut Polizei ging es im Großen und Ganzen aber "immer recht ruhig zu". Der Inspektionsdienst sei meistens nur mit einer Handvoll Polizisten vor Ort gewesen. 2022 war aber ein verhältnismäßig wildes Jahr. Es gab Anzeigen gegen vier junge Männer - darunter die oben beschriebenen - wegen schweren Raubes mit Messer.
Vielerorts ist man trotzdem traurig, dass die Veranstaltung heuer nicht stattfinden wird. Nicht nur Familien und Kinder trifft es hart, sondern vor allem auch soziale Einrichtungen im Bezirk. Der Maurer Kirtag ist nämlich eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Erlöse kamen in den Jahren zuvor etwa dem Therapiezentrum für halbseitig Gelähmte oder den Pfadfindern zugute.
Keine Werbung für Blutspenden
Auch beim Roten Kreuz, die immer mit einem Blutspende-Bus vor Ort waren, zeigt man sich wenig erfreut. „Für uns sind Blutspendeaktionen bei Events sehr wichtig, da hier nicht nur viele lebensrettende Blutspenden gesammelt werden können, sondern der öffentlichkeitswirksame Auftritt vor allem Präsenz für so ein wichtiges Thema schafft“, heißt es auf KURIER-Anfrage.
Auch die längerfristige Zukunft des Kirtags ist noch unklar: „Wir sind natürlich bestrebt, den Kirtag 2024 wieder stattfinden zu lassen und arbeiten bereits daran“, heißt es beim Lions Club St. Stephan.
"Kirtag light" im Gespräch
Im Büro von Bezirksvorsteher Gerald Bischof (SPÖ) kann man sich sogar für heuer noch einen „Kirtag light“ in einer abgespeckten Form vorstellen - man würde darum gerne einen Runden Tisch mit den Veranstaltern abhalten.
Auch ein neues Konzept könnte man sich vorstellen. Der Subtext: Ein hochwertigeres Angebot bei den Verkaufsständen. Einige hochwertige Acts könnten sicher nicht schaden. Dass die Festwagen-Umzüge zurückkehren, ist aber unwahrscheinlich.
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