"Willst du Gras oder Koks?": Ein Lokalaugenschein am hippen Yppenplatz

„Willst du Gras?“ Es dauert keine zwei Minuten beim Lokalaugenschein im Park am Yppenplatz, bis das erste Angebot kommt. Auch Koks gibt es. Und Tabletten. Der junge Mann läuft rasch weg, als die Gegenfragen kommen. Über sein Geschäft will er sich nicht unterhalten.
Mit der Schutzzone und dem Waffenverbot rund um den Yppenplatz, die mit 1. August in Kraft treten, wird die Situation für manche Nutzer zumindest erschwert. Etwa für Drogendealer.
Und das passiert. Denn gerade setzt sich ein Mann zu einer Gruppe junger Leute, die Uno spielen. Die Hände bleiben unter dem Tisch, offensichtlich tauschen sie etwas.
Dann steht der Mann auf und zieht rasch wieder ab. Mitten im Park haben sich in der Zwischenzeit zwei junge Männer einen Joint gedreht, den sie genüsslich rauchen, der süße Duft erfasst den ganzen Bereich.

Die Hauskatze vom Yppenplatz.
Ein Mann aus Afghanistan, er sagt, er fährt manchmal für Foodora, vertreibt sich die Zeit mit Fußball. Ein Syrer spielt den Ball her, wir kommen ins Gespräch.
„Überall ist es gefährlich geworden in Wien“, sagt er auf ein mögliches Waffenverbot angesprochen. Er selbst? „Ich bin früher ein paar Mal verhaftet worden“, gibt er zu, „aber seit einem Jahr habe ich nichts mehr genommen. Das macht dich kaputt.“

Der junge Syrer erzählt seine Geschichte, seinen Namen sagt er nicht.
Er weiß: „Jetzt hat schon jeder kleine Dealer ein Messer einstecken.“ Das mache die Sache gefährlicher. Eigentlich ist er Mechaniker, aber seit einem Monat arbeitet er nicht mehr, sagt er: „Mein Körper braucht eine Pause.“
Drogen hat er in dem allgemeinen Kommen und Gehen keine angeboten. Der Afghane von vorhin kommt nochmals her, interessiert sich für die Notizen. „In Afghanistan habe ich Literatur studiert, jetzt wäre ich dort Lehrer", meint er.
Hier fällt ihm das Arbeiten schwer. Als ein anderer Afghane Drogen verchecken will und mit dem Syrer lautstark zu diskutieren beginnt, greift der verhinderte Lehrer deeskalierend ein.
Kinder ohne Berührungsängste
Davor hat auch er mit einem kleinen Mädchen mit dem Fußball gespielt. Sie ist mir ihrer Mutter und dem kleinen Bruder im Kinderwagen durch den Park spaziert. Berührungsängste? Keine.
Die hat auch die ältere Tirolerin nicht, die mit dem Enkerl auf einer Parkbank am Yppenplatz sitzt. „Ich hab da keine Angst, ich bin schon mit dem Kinderwagen hier spaziert“, erzählt die Frau in breitem Tirolerisch.

Am Yppenplatz.
Ihre Tochter wohnt in der Nähe, sie kümmert sich öfters um das Enkerl. Dass immer mehr Migranten im Park sind, stellt sie – wertfrei – fest.
An diesem Nachmittag herrscht buntes Treiben im Park. Kinder spielen Fußball, Neymar gegen Ronaldo, ein Austrianer, ein junger Mann mit dem Deutschland-Trikot von Marco Reus.
Melting-Pot von Ottakring
Auf der Seite sitzen, bunt gemischt, Österreicher mit Menschen aus gefühlt allen Nationen. Manche sind schon am frühen Nachmittag schwer betrunken, ein Einheimischer wirft eine Glasflasche Richtung einer Gruppe spielender Kinder. Die Flasche splittert, die Emotionen kochen hoch, dann beruhigt sich alles. Die Frau, die das WC betreut, weiß: „Der macht immer Probleme.“

Am Yppenplatz gibt es auch zahlreiche Geschäfte wie diesen schmucken Fahrradladen.
„Ob es ein Waffenverbot und eine Schutzzone braucht?“, wiederholt ein angrenzender Unternehmer die gestellte Frage, um sie erst dann zu beantworten: „Für die Polizei ist es dann vielleicht leichter.“ Er ist in der Nähe aufgewachsen, seit 2017 hat er sein Geschäft am Yppenplatz. „Ich sitze in der Loge“, schmunzelt er, „es ist oft sehr skurril hier, aber wir leben in einer Symbiose.“
"Welten prallen aufeinander"
Aber er weiß auch: „Hier im Park prallen Welten aufeinander.“ Während Corona sei hier alles gut gewesen. „Da waren viele Leute im Park, wenn es ein Problem gegeben hat, hat sofort wer eingegriffen“, erinnert er sich zurück.

Jetzt eskaliert es immer wieder. „Bestenfalls endet es mit einer Schlägerei, dann nimmt mal einer eine Flasche, aber auch Messer werden immer wieder gezückt“, plaudert der Unternehmer aus dem Nähkästchen. Auch an die Schüsse vom 14. Juli des Vorjahres erinnert er sich nur zu gut: „Das war dann aber eine größere Drogensache.“
Polizei ist stark präsent
Worüber man sich nicht beschweren könnte, ist jedenfalls die Polizeipräsenz. „Die sind jeden Tag sieben, acht Mal da“, berichtet der Unternehmer. Aber gegen die kleinen Dealer seien sie machtlos.
Was er unbedingt noch erzählen will, ist eine andere Geschichte. Die Geschichte von zwei syrischen Brüdern. „Sie sind in der ersten Flüchtlingswelle gekommen und haben sich hier im Park herumgetrieben“, erinnert er sich.
Der eine macht nächstes Jahr die Matura: „Der hat manchmal bei mir reingeschaut, ein bisschen mitgearbeitet und ganz schnell perfekt Deutsch gelernt. Das bekommt dann niemand mit.“
Speisen ohne Grenzen - grenzenloser Genuss
Nur wenige Schritte entfernt gibt es diese Beispiele auch. Im „Speisen ohne Grenzen“ etwa. Hier kochen Omid aus dem Iran, Fatima und Mahdi aus Afghanistan, Florence aus Uganda, Shireen aus Syrien, Halima aus Somalia, Abeba aus Äthiopien, Ibrahim aus dem Libanon, Nesa aus dem Kosovo sowie Tilli und Sebastian aus Wien ihre Lieblingssachen.

Vorspeisenplatte im Lokal "Speisen ohne Grenzen" mit Köstlichkeiten aus aller Welt.
Im Lokal ist seit Jänner dieses Jahres auch die Grätzlerei untergebracht, eines der Projekte, mit denen die Bezirksvertretung die Gegend sicherer machen will.
Über 1.000 Sitzplätze haben die Gastronomiebetriebe am Yppenplatz in Ottakring, bei Schönwetter sind sie alle voll – denn er ist hipp, der Yppenplatz. Ob mit Schutzzone und Waffenverbot oder nicht.
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