Workshop: Für einen Tag Flüchtling

Schülerin Valentina unterzieht sich einem "Asyl"-Interview.
Stigmatisierung, Bürokratiestau und ständige Ungewissheit, was die eigene Zukunft betrifft: Viele Österreicher wissen nicht, wie ein Asylverfahren überhaupt abläuft. Ein Workshop anlässlich des "Langen Tags der Flucht" will das ändern.

Es ist etwa 9.30 Uhr, in der Hagenmüllergasse 31 herrscht am Freitag bereits reges Treiben. Viele Schüler sind gekommen, um im Flüchtlingswerk Don Bosco im Rahmen des Workshops „Feel like a Refugee“ in die Rolle eines minderjährigen Asylwerbers zu schlüpfen.

Unter den vielen Interessenten befinden sich auch Sophie und Valentina aus dem BRG Diefenbach, die dem KURIER erlauben, sie bei ihrem „Asylverfahren“ zu begleiten. Zuerst bekommen die beiden ihre neuen Identitäten. Aus Sophie und Valentina aus Wien werden Mohammed aus Afghanistan und Ibrahim aus Somalia.

Die erste Station ist die Erstaufnahme. Hier müssen die Asylwerber mit ihren neuen Identitäten ein Formular zur Erfassung der persönlichen Daten ausfüllen und einen Fingerabdruck abgeben. Ähnlich wie viele Flüchtlinge im echten Leben können auch Sophie und Valentina nicht beweisen, dass sie minderjährig sind. Wenn dies der Fall ist, führt der Weg weiter zur zweiten Station: der Altersfeststellung.

Das Altersgutachten wird hier in einem separaten Raum mithilfe einer Tonaufnahme dargestellt. Die Anweisungen kommen auf Deutsch mit einem starken Akzent daher. „Ausziehen, Hände nach oben, Finger spreizen, beeil dich, es warten noch mehr!“ Obwohl die zwei Schülerinnen den Anweisungen natürlich nicht folgen müssen, können sie sich danach gut vorstellen, wie es einem Flüchtling dabei gehen muss: „Es ist beschämend, man fühlt sich wie ein Krimineller.“ Weiter geht es zum „Sprachkurs“, in diesem Fall einem Arabischkurs. Für mehr als „mein Name ist“ und „ich komme aus“ reicht die kurze Zeit aber nicht. „Es ist schon schwer, so ein ganz anderes Alphabet zu lernen“, berichten Sophie und Valentina.

Anschließend müssen die zwei Mädchen sich im Interview mit dem fiktiven Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) behaupten. Schnell wird dabei klar, dass der „Beamte“ sehr misstrauisch ist. „Sind Sie Mitglied der al-Shabaab Miliz? Wie sind Sie übers Meer gekommen? Die Widersprüche häufen sich.“ Nicht immer gelingt es den Protagonistinnen, alle Fragen schlüssig zu beantworten. Zum Schluss erhalten sie den Asylbescheid: „Abgelehnt“. Mohammed und Ibrahim dürfen nicht in Österreich bleiben. Sophie und Valentina, die sich ihrer Alter Egos entledigt haben, bekommen noch einen Gutschein über 5,50 Euro für das Buffet. So viel bekommt auch ein Flüchtling pro Tag für Verpflegung. Viel können sich die Mädchen davon aber nicht leisten.

„Die Schicksale der Flüchtlinge werden von der Politik oft bagatellisiert. Die Politiker sollten nüchterner argumentieren, wenn es um Flüchtlinge geht“, erklärt Eva Kern, Geschäftsführerin des Flüchtlingswerks Don Bosco. „Ich würde mir wünschen, dass man mehr den Menschen im Flüchtling, als den Flüchtling im Menschen betrachtet.“

Von Dennis Hader

Kommentare