Vorsicht bei der Unterschrift

Mitarbeiter der Stadt Wien kommen nie ohne Vorankündigung und haben immer einen Dienstausweis.
Sogenannte „Prozessfinanzierer“ versuchen, schnelles Geld zu machen – worauf zu achten ist.

In Altbauten, also in Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, sind die Mieten gedeckelt. Der Richtwertmietzins liegt in Wien exklusive etwaiger Zu- und Abschläge bei 5,81 Euro pro Quadratmeter. Viele Vermieter verlangen aber mehr, wie zuletzt die Recherche der MieterHilfe ergab. Insgesamt 40.000 Altbau-Wohnungsinserate wurden gescreent – mit dem Ergebnis, dass im Durchschnitt für die Wohnungen eine Nettohauptmiete von 10,20 Euro pro Quadratmeter verlangt wurde. Die überwiegende Mehrheit der Wohnungen wurde nur befristet vergeben, auf den Befristungsabschlag von 25 Prozent wurde dabei allerdings oft „vergessen“.

Aufgrund dieser Situation haben sich in den vergangenen Jahren die sogenannten Prozessfinanzierer etabliert, die Mieter zu Gerechtigkeit verhelfen. Oder ihnen das zumindest versprechen. Prozessfinanzierer sind Unternehmen, die anbieten, das gesamte Kostenrisiko eines Verfahrens auf Hauptmietzinsüberprüfung gegen eine Erfolgsbeteiligung zu übernehmen.

Prozessfinanzierer werben mit Null-Risiko. Null Aufwand. Null Kosten. Das hört sich gut an, aber ist es das wirklich? Ronald Schlesinger, Teamleiter bei der MieterHilfe, klärt auf.

Vorsicht bei der Unterschrift

Ronald Schlesinger, Teamleiter bei der MieterHilfe

KURIER: Warum gibt es immer wieder Probleme, wenn Mieter sich auf Prozessfinanzierer einlassen?

Roland Schlesinger: Es handelt sich um gewinnorientierte Unternehmen. Ihre Vertragsbedingungen sind oft intransparent und manchmal sehr benachteiligend für die Mieter. Sie wissen oft gar nicht, wozu sie sich verpflichten, wenn sie an der Haustüre einen Vertrag auf einem Mobiltelefon unterschreiben. Den Vertrag bekommen sie in der Regel auch nicht zu sehen.

Wie viel Provision bekommt ein Prozessfinanzierer?

Auch die Bestimmungen über die Provision sind oft intransparent. Üblicherweise werden 30 Prozent der Erfolgsprämie einbehalten. In manchen Verträgen beläuft sich die Prämie aber auf bis zu 48 Prozent. Bei der Prämienberechnung zählt aber nicht nur der Rückerstattungsbetrag für in der Vergangenheit zu viel bezahlte Miete, sondern auch ein Anteil an der zukünftig ersparten Miete. Es kann daher passieren, dass Mieter von dem Geld, dass ihnen die Schlichtungsstelle zuspricht, gar nichts sehen, weil alles vom Prozessfinanzierer einbehalten wird.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Gehen wir davon aus, dass sie beispielsweise 2.000 Euro im Rückzahlungstitel bekommen. 30 Prozent davon sind 600 Euro. Ist das der im Verfahren erzielte geldwerte Vorteil? Nicht ganz. Sie sparen ja ab jetzt auch Miete. Sagen wir 100 Euro im Monat. Und für die Provision werden auch 30 Prozent der kommenden 36 Monate oder die Zeit bis zum Ende des Mietvertrags einberechnet. Das wären dann also noch 3.600 Euro extra an Provision. Von den 2.000 Euro am Rückzahlungstitel sehen sie als Mieter also keinen Cent.

Was bedeutet die Bagatellgrenze für die Mieter?

In vielen Prozessfinanzierungsverträgen findet sich eine Klausel für ein Mindesthonorar. Es beträgt üblicherweise 1.500 bis 2.000€. Die Klausel sichert dem Prozessfinanzierer 100 Prozent des Erfolgsbetrags bis zur Prozent- Bagatellgrenze. Das bedeutet: Wenn der Reinerlös geringer ist als 2.000 Euro, dann bekommt der Prozessfinanzierer alles und die Mieter nichts. Bei kleinen Beträgen ist die Provision also viel höher als die oft beworbenen 30 Prozent. Wenn der Prozessfinanzierer 75 Prozent als Provision einsteckt, orte ich hier ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Fall des Prozessgewinns.

Kann der Prozessfinanzierer den Vertrag kündigen, wenn die Erfolgsaussicht sich verschlechtert?

Manche Verträge geben dem Prozessfinanzierer nicht nur weitgehende Rechte zur Kündigung, sondern erlauben ihm auch, die Verfahren unter Anspruchsverzicht zu beenden. Das bedeutet für die Mieter nicht nur, dass sie nicht im Regen stehen gelassen werden, wenn es eng wird, sondern auch, dass sie keine Chance mehr haben, ihre Mietzinsüberprüfung mit anderen, verlässlicheren Partnern durchzuführen. Wir halten solche Klauseln jedenfalls für gröblich benachteiligend und daher unwirksam.

Können Mieter den Vertrag kündigen, wenn sie es sich anders überlegt haben?

In manchen Verträgen wird den Mietenden die Möglichkeit einer Kündigung des Vertrages abgesprochen. Gleichzeitig wird mit Vertragsstrafen von bis zu 2.500 Euro gedroht. Eine solche Klausel suggeriert den Mietern, dass in keinem Fall, auch nicht aus wichtigen Gründen ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass eine außerordentliche Kündigung oder ein Rücktritt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes immer möglich ist. Der Ausschluss sämtlicher Kündigungsmöglichkeiten ist intransparent und daher unwirksam.

Kann eine Mietzinsüberprüfung auch Nachteile bringen?

Oft befürchten Mieter mit befristeten Verträgen, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird, wenn sie die Miete überprüfen. Da man den Vermieter nicht zu einer Verlängerung zwingen kann, sollte man sich das gut überlegen. Der Anspruch auf Rückzahlung verjährt jedoch nicht mit dem Auszug. Nach einem Wohnungswechsel kann es besonders interessant sein, ein Mietzinsüberprüfungsverfahren anzustreben. Dies ist bis zu sechs Monate nach Vertragsende möglich.

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