Notizen vom Haus- und Hofberichterstatter

Insider: KURIER-Redakteur Uwe Mauch wohnt in einem Bau in Großjedlersdorf.
Ein KURIER-Redakteur erzählt über seine fünfzig Jahre im Gemeindebau.
Von Uwe Mauch

Die Brünner Straße führt vom Floridsdorfer Spitz in nördlicher Richtung aus Wien raus. Manche behaupten, sie wäre die hässlichste Stadtausfahrt, hässlicher noch als die Hadikgasse im Westen, die Triesterstraße im Süden oder die Simmeringer Hauptstraße im Osten. Darüber lässt sich streiten. Faktum ist, dass der traditionsreiche Straßenzug kein schönes Pflaster ist.Schnell wird klar: Wer dem Phänomen des Wiener Gemeindebaus näher kommen will, muss an den Rand, an die Grenzen der eigenen Wahrnehmung gehen bzw. in Gegenden und Räume der Stadt vorstoßen, die von den Immobilienhaien bisher noch nicht geortet, geschweige denn filetiert wurden.Ich bin dort zu Hause, wo Wien fast zu Ende ist. Doch keine Angst! Wer sich die Expedition ins urbane Outback nicht antun mag, dem gebe ich hier einen Überblick. Ich bin einer von den 500.000 Mietern.

Errichtet nach 1920

In Großjedlersdorf biege ich nicht links (zu den Heurigen), sondern rechts (zu den Gemeindebauten) ab. Laufkundschaft ist in meiner Gasse selten. Hier kann man preisgünstig wohnen, aber nichts kaufen. An das Milchgeschäft erinnern nur mehr ein paar vergilbte Buchstaben an der Hausfassade, auch das Gemüse- und das Zuckerlgeschäft sind schon lange zu. Geschichte. Geschlossen wurde auch unsere Anker-Filiale, weil sie zu wenig Umsatz brachte.Die ganze Gasse ist Gemeindebau, errichtet in den Jahren nach 1920. In Superblock-Bauweise. Was man von außen nicht sieht: Dass sich das Leben im Inneren der festungsartigen Wohnanlagen unaufgeregt, auffallend ruhig abspielt. Es wird gesagt, dass jeder Gemeindebau ein Universum für sich ist. Das gilt auch für meinen Bau (Grundstücks-Nr.: 595/19). Auf den ersten Blick wirkt er wie eine Burg, eine „Gemeindewohnburg“, wie der Schriftsteller Franz Schuh, ebenfalls Kind des Gemeindebaus, treffend angemerkt hat: Nur an einer Seite (in Richtung Süden) ist er offen zugänglich. Die Abschottung zur Welt passt gut zu Wien: Fremde müssen in dieser Stadt zunächst einmal selbst schauen, wie sie sich bei uns zurechtfinden.

„Wir waren alle jung“

Wer von der Brünner Straße kommt, betritt unseren Hof durch eine Art Burgtor. Links davon, am Eck: das Gasthaus „Zur Anka“, wo die Portionen noch groß sind, wo die Gäste um Stanniolpapier zum Einpacken des Schnitzels bitten, wo im Schankraum noch geraucht und über die politisch Korrekten gelacht wird. Einer Aufschrift an der Hauswand ist zu entnehmen, dass unser Bau bald nach dem Krieg, in den Jahren 1950 und 1951 errichtet wurde. Der Wohnkomplex, der in Wien als mittelgroß gilt, besteht aus 16 Stiegen und 149 Wohnungen.

Ich habe ältere Nachbarn gefragt, die bereits 1951 hier eingezogen sind und niemals woanders gewohnt haben, ob die Anlage feierlich eröffnet wurde. Sie konnten sich nicht erinnern. Die Hertha von der 13er-Stiege hat nur gemeint: „Wir waren alle jung und froh, dass wir endlich eine eigene Wohnung hatten.“ Den Hof mit seinen Wiesen, Bäumen, Sträuchern, Vögeln und dem Spielplatz schätzt sie bis heute.

Dennoch gibt es manchmal „Brösel“, wie unsere Hausmeisterin, die zauberhafte Frau Blümel, zu Problemen sagt. Doch wären diese Brösel laut Frau Blümel nicht größer als anderswo. Lieber erzählt sie von ihren Nachbarn, die gegenseitig auf ihre Hunde, Kinder, Blumen und/oder Postkastln aufpassen.

Die 8er-Stiege ist eine gute Stiege. Auch das sagt unsere Blümel. Hier können alle die Miete bezahlen. Nur die Kinder von den Arabern erregen den Unmut, wirft ein Nachbar von der Nebenstiege ein. Es gäbe bereits Beschwerden. Ich wohne oberhalb von den Arabern. Mein Einwand, dass die Araber gar keine Araber sind und dass die Kinder der vermeintlichen Araber nicht lauter sind als meine Kinder waren, als sie klein waren, verhallt im Hof des Gemeindebaus. Unerhört, ungehört.

Kommentare