Das Grätzel hat, was die Familie braucht

Die vierköpfige Familie Kieck genießt ihre offene Wohnküche in der geförderten Mietwohnung.
Wohn-Projekte für Familien sind oft eine Herausforderung. Wie wird in Wien dieses Thema angegangen?

Konzentriert bastelt Greta an ihrem ersten eigenen Brettspiel. „Mäusemonopoly soll es heißen“, erzählt ihr Vater Martin am Küchentisch nebenan und blickt stolz zu seiner zehnjährigen Tochter.

„In unserer vorigen Wohnung haben wir nicht alle in der Küche Platz gehabt. Da war es immer ziemlich eng. Jetzt können die Kinder, während ich koche, neben mir im Wohnzimmer spielen und basteln. Wir haben dadurch mehr Gemeinschaft“, erzählt Mama Andrea, die neben ihrem Mann Platz nimmt.

Vor fünfeinhalb Jahren ist Familie Kieck in eine geförderte Maisonettewohnung ins Nordbahnviertel (siehe Kasten unten) gezogen – denn der Platz reichte in ihrer alten Wohnung nicht mehr aus. Nun misst ihre Wohnung 120 Quadratmeter – fünf Zimmer aufgeteilt auf zwei Stockwerke.

„Auf dem privaten Wohnungsmarkt ist es schwierig, eine leistbare Wohnung in dieser Größenordnung zu finden“, sagt die 40-Jährige im Hinblick auf ihre vierköpfige Familie – der vierte Kopf, Sohn Moritz (14) – stapft gerade die Treppe herunter.

Farbtupfer zum Wohlfühlen

Nun ist Familie Kieck vollständig in der lichtdurchfluteten Wohnküche versammelt. Schlicht und einfach ist diese eingerichtet. Die hellen Möbel lassen den Raum groß erscheinen.

Die Farbtupfer, wie die apfelgrüne Couch sorgen für die nötige Gemütlichkeit. Stilvoll würde man sagen, aber wen wundert es, die Eltern sind beide Architekten.

Das Grätzel  hat, was die Familie braucht

Die Wohnküche der Familie.

Park vor der Haustür

Bei der Wohnungssuche wichtig war für sie vor allem ein Balkon, damit sie und auch die Kinder nach draußen gehen können. Nun haben sie nicht nur einen, sondern sogar zwei, plus eine Dachterrasse und einen riesigen Park vor der Haustüre.

„Den Park haben wir zu Beginn gar nicht wirklich geschätzt, aber mittlerweile finden wir ihn super“, erzählt Andrea. Da keine Straßen durch die Parkanlage führen könne sie die Kinder alleine zum Spielen runtergehen lassen, ohne sich dabei Sorgen machen zu müssen.

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Greta zeigt ihrer Familie die Kaulquappen, die sie sonst oft alleine besucht.

Heute gehen sie aber gemeinsam ins Freie. Moritz setzt sich seine Kappe auf und Greta bindet sich ihre blauen Sneaker. Mit dem Lift geht es sechs Stockwerke nach unten ins Erdgeschoß.

Vorbei an Räumen für die Gemeinschaft. Hier finden Kinderwägen Platz und es gibt zahlreiche Stellplätze für Fahrräder. Draußen erstreckt sich dann die riesige Parklandschaft.

Spielplatz für die ganz Kleinen

Diese befindet sich in der Mitte mehrerer Wohnhausanlagen im sogenannten Nordbahnviertel – und hat sowohl für Jung als auch für Alt einiges zu bieten: Kinder können an diversen Spielplätzen schaukeln, rutschen und balancieren.

Letzteres macht vor allem Greta Spaß, erzählt sie. Für die ganz Kleinen gibt es einen eingezäunten Spielplatz – damit sie mit ihren Mini-Schritten ja nicht davonlaufen. Dieser Spielplatz hat auch eine große Sandkiste.

Bildungscampus

Für die etwas größeren Kinder beherbergt der Park eine Skateboardbahn. Mit Rollern, BMX-Rädern und natürlich Skateboards stehen vor allem Jungs um die Bahn. Familie Kieck sieht gerade einem Burschen mit schwarzem T-Shirt zu, der seine Tricks mit dem Rad vorführt.

Nebenan wirft ein Junge am Basketballplatz gerade Körbe. Zusätzlich gibt es im Park auch noch ein eigenes Volleyballfeld. „Ich spiele gerne Fußball“, erzählt Moritz.

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Die Familie spiel Fußball im Park.

Neben den großzügigen Grünflächen gibt es dafür im Viertel auch einen eigenen Fußballkäfig, dieser gehört zum Bildungscampus und wird übers Wochenende für die Anrainer – und Moritz – aufgesperrt.

Familie Kieck weiß diesen Bildungscampus zu schätzen. „Greta geht hier in die Schule. Oft kommt sie danach gar nicht gleich heim, sondern geht mit ihren Schulfreundinnen in den Park“, erzählt Mama Andrea, die mit uns gerade am Bildungscampus mit rot-grauer Fassade vorbeigeht.

Generell treffe der Bildungscampus auf große Beliebtheit. Fast ausschließlich Kinder der umliegenden Häuser gehen hier in die Schule.

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Die Nachbarschaft der Familie im Nordbahnviertel.

Der Bildungscampus hat neben der Volksschule mit Ganztagsbetreuung auch einen Kindergarten inkludiert. „Greta war noch sehr klein, als wir hierher gezogen sind. Sie wuchs mit dieser Umgebung auf, weshalb sie hier viel besser angekommen ist als Moritz“, sagt Andrea. Für Kinder sei es sehr wichtig, ein stabiles Umfeld zu haben, das sie gut kennen.

Projekte in Wien

Diese Ansicht teilen gemeinnützige Bauträger offenbar. Denn immer mehr Wohnprojekte sind auf die Bedürfnisse von Familien spezialisiert (siehe unten).

Bei diesen Projekten wird vor allem auf kurze Wege Wert gelegt: Alles, was Familien brauchen, soll möglichst nah sein. Besonders schulische Einrichtungen müssen leicht erreichbar sein:

So entsteht im Bezirk Meidling beim Wohnbauprojekt „Wildgarten“ zusätzlich zu 167 geförderten Wohnungen auch ein Kindergarten. Dieser betreut vier Gruppen.

Für die Freizeit danach gibt es in der Wohnhausanlage einen Kinderspielraum – der liegt gleich neben dem Waschraum, damit Eltern das Nützliche mit der Spielzeit für den Nachwuchs verbinden können. Eine autofreie Zone soll den Familien zudem mehr Sicherheit bieten.

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Das Projekt "Wildgarten" ist noch im Bau. Für Familien ist dort ein hauseigener Kindergarten geplant.

Das Bauprojekt in der Grundäckerstraße in Favoriten, das bereits seit Ende 2018 bewohnt ist, hat ein ähnliches Konzept: Im Erdgeschoß des Gebäudes befindet sich ein Kindergarten mit fünf Betreuungsgruppen.

In der Vorgartenstraße 110 bis 114 in Leopoldstadt können sich hingegen seit 2012 vor allem Jugendliche wohlfühlen: Dort gibt es einen wettergeschützten Jugendtreffpunkt. Zudem können all jene, die alt genug sind, um ihre erste eigene Wohnung zu beziehen, in den ersten drei Geschoßen des Gebäudes im Jugend- und Studentenwohnheim Wohn-Erfahrungen sammeln.

Mehr Geschäftslokale

Soweit sind Greta und Moritz noch nicht. Sie genießen die Zeit mit ihren Eltern. So zeigt ihnen Greta gerade die kleinen Kaulquappen in den Teichbecken des Parks. Mit der Entscheidung, hierher gezogen zu sein, sind die Kiecks sehr zufrieden.

Nur ein paar Geschäfte mehr würden sie sich in der Umgebung wünschen. Diese entstehen gerade eine Straße weiter in den Erdgeschoßen der nächsten Wohnhausanlagen, erzählen sie. Zudem sei ums Eck eine weitere Schule in Bau. Mit einem Gymnasium und einer Musikschule, um für Schüler im Mittelschulalter ein Angebot in der Nähe zu haben.

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Die Familie wünsche sich nur eines: Noch etwas mehr Lokale.

An die Schule denken muss die Familie Kieck aber gerade nicht. Sie haben sich vom Greißler neben dem Park ein Eis geholt und sitzen gemütlich in den Liegestühlen. Vielleicht fällt Greta dabei ja die nächste Brettspielidee ein.

Neue Wohnbauprojekte mit Familien-Fokus

Seit Anfang 2018 wird am Projekt „Wildgarten“ in Meidling gebaut. Insgesamt entstehen dort 167 Wohnungen – davon 59 sogenannte SMART-Wohnungen, diese sollen kompakt und dennoch hochwertig sein. Unter anderem ein  Kindergarten und eine autofreie Zone sollen  die Bedürfnisse von Familien erfüllen. Anfang 2020 soll das Projekt bezugsfertig sein.

31 neue Mietwohnungen, darunter 14 SMART-Wohnungen wurden Ende 2018  im Wohnbau „Grundäckergasse BPL 5“ in Favoriten bezogen. Mit einem Kindergarten inklusive eigenem Spielbereich ist das nun abgeschlossene Projekt für Familien ausgelegt. Auch flexible Grundrisse sollen Familien kurzfristig mehr – oder weniger – Raum verschaffen.

Das Projekt „Vorgartenstraße 110–114“ in der Leopoldstadt wurde bereits vor längerer Zeit fertiggestellt. Insgesamt beherbergt es 174 geförderte Mietwohnungen. Der Wohnbau hat sich unter anderem auf Jugendliche spezialisiert. So gibt es einen eigenen Treffpunkt für die Jugend. Zusätzlich befindet sich darin ein Jugend- und Studentenwohnheim mit 203 Heimeinheiten.

Das Viertel am Nordbahnhof

85 Hektar umfasst das größte innerstädtische Entwicklungsgebiet von Wien: Das Nordbahnhofviertel gehört zur Leopoldstadt und ist somit dem Zentrum sehr nah. Gebaut ist es am ehemaligen Areal des Nordbahnhofs, das namensgebend war.

Es erstreckt sich von der Innstraße bis zum Praterstern und entlang der Nordbahnstraße bis zur Vorgartenstraße. Noch sind einige  Wohnhausanlagen – geförderte und frei-finanzierte – Schulen, Geschäftslokale und Gewerbeflächen im Bau.

Das Grätzel  hat, was die Familie braucht

Das Nordbahnviertel wächst noch bis 2026.

Dennoch genießen bereits schon jetzt viele Bewohner die Vorzüge des Viertels und die neun Hektar Stadtwildnis inmitten des Gesamtprojekts. Bis 2026 soll alles fertig sein und eine Heimat für 40.000 Menschen entstehen. Details unter hier.

von Petra Hochstrasser

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