Wo Stadt und Land verschmelzen: Wiens beliebtester Eissalon baut aus
Zwei Sessel sind schon da. Sie sind rosa und blau gestrichen und stehen in einem großen Geschäftslokal, in dem es sonst noch an allem fehlt.
An den Wänden sind stellenweise die rohen Ziegel zu sehen, überall liegen Kabel, Platten und Rohre herum. Auf den kaputten Terrazzoboden ist ein Rechteck gezeichnet. Der Platz ist für die Eisvitrine reserviert: Das wichtigste Möbel hat schon seinen Platz.
Hier, auf dem Mergenthalerplatz, eröffnet die Eismacherei – laut Falstaff-Ranking vom Vorjahr der beliebteste Eissalon Wiens – bald eine neue Filiale. Das winzige Stammhaus, nur wenige Gehminuten entfernt in der Steigenteschgasse 143, ist zu klein geworden.
Doch das ist nicht alles: Mit dem neuen Geschäft will Inhaber Johann Langsteiner Probleme der Donaustadt lösen, die man vor allem vom Land kennt.
„Hier ist es wie in einem Dorf“, sagt Langsteiner. Er und seine Frau Michaela sind in diesem Winkel von Kagran aufgewachsen – zwischen den vielen, maximal einstöckigen Häusern mit Zwergen im Vorgarten.
Der Name Eismacherei ist hier das einzige Urbane: Ein Lokal mit diesem Namen würde man vielleicht eher im 7. Bezirk verorten.
Und nicht in jener Gegend, in die man nur aus zwei Gründen kommt: Entweder man lebt hier. Oder man besucht ein Kabarett im Orpheum. Aber auch Kagran kann hip sein.
Eis für Hund und Herrl
2019 eröffnete Johann Langsteiner in diesem kompletten Gegenteil einer Frequenzlage seine Eismacherei: Er hatte sich schon lange selbstständig machen wollen, zufällig wurde er auf das Lokal, ein ehemaliges Tschocherl, aufmerksam.
Direkt im Salon verarbeitet er in der Hochsaison wöchentlich 320 Liter Milch von einem niederösterreichischen Bauern in 420 Liter Milcheis. Dazu kommt etwa dieselbe Menge Fruchteis.
Bekannt ist die Eismacherei für Eigenkreationen wie Walnuss-Feige, Erdbeere-After-Eight oder Weiße Schokolade-Nutella. Und für ihr Hundeeis – zum Beispiel mit Leberwurst.
Auch so mancher Zweibeiner wählt diese Sorte, erzählt Langsteiner. Überleben könne man an einem derartigen Standort nur durch eines: „Qualität“ – egal ob für den Hund oder fürs Herrl.
Standorte in Innenstadt
Und diese überzeugt offenbar auch in der Innenstadt. Ab Mai wird das Eismacherei-Eis beim Theater im Park im Schwarzenberggarten verkauft. Und beim Alten AKH eröffnet bald ein Eiscafé, in dem Eismacherei-Eis zu allerlei Köstlichkeiten verarbeitet wird.
Um die gestiegenen Mengen produzieren und lagern zu können, braucht Langsteiner Raum. Am Mergenthalerplatz hat er diesen nun endlich gefunden.
Unterschriftenaktion
Das neue, 100 Quadratmeter große Geschäft gehört der Stadt. Am Platz befinden sich noch zwei Friseure, eine Fußpflege und ein Gasthaus – fast wie auf einem Dorfplatz. Das Lokal stand zuletzt leer, lange war unklar, was damit passiert.
Schließlich haben Stammkunden für die Eismacher mobil gemacht: „In einer Woche hatten wir eine Liste mit 400 Unterschriften an die Stadt beisammen“, sagt Michaela Langsteiner. Im Dorf, da halte man halt zusammen.
Ihr Mann will nun auch etwas für die Gemeinschaft tun – und einen Nahversorger schaffen.
In seinem neuen Geschäft wird er nicht nur Eis, sondern auch Lebensmittel von regionalen Produzenten anbieten: Brot, Gebäck, Schinken, Käse, selbst gemachte Aufstriche, etwas Obst und Gemüse.
„Bei uns fehlt es einfach an einer solchen Infrastruktur“, sagt Johann Langsteiner.
Sozialer Treffpunkt
Im Lokal sind fünf Tische geplant, dazu kommt ein Schanigarten: Dort wird man Frühstück und Brettljause essen können – so soll der Greißler auch zum sozialen Treffpunkt werden.
Das neue Konzept hätte mit Eissaisonbeginn starten sollen. Weil wegen Corona bei den Banken aber kaum Geld zu bekommen sei, verzögerte sich der Umbau. Und der Chef – gelernter Elektriker – macht vieles selbst.
Bis Mai will er fertig sein. Dann wird man in der neuen Eismacherei-Filiale nicht nur auf Sesseln sitzen können, sondern auch auf den breiten Fensterbrettern.
Ganz so, wie das in einem Lokal mit urbanem Namen üblich ist.
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