"Wir fühlen uns hier wieder sicher"
Es riecht nach orientalischen Gewürzen, überall hört man verschiedene Sprachen, Menschen schlendern gut gelaunt zwischen den Verkaufsständen: Der Wiener Brunnenmarkt ist eine multikulturelle Institution, die in den vergangenen Wochen stark in Verruf geraten ist.
Nach dem Mord an der 54-jährigen Maria E. befand sich der Brunnenmarkt in einer Schockstarre. Die Wienerin wurde auf offener Straße von einem psychisch kranken Obdachlosen mit einer Eisenstange erschlagen. Nach dieser brutalen Tat klagten viele Anrainer, dass nicht nur dieses Ereignis das Problem in ihrem Bezirk sei. Auch viele Dealer, die ungeniert auf dem Platz auftraten, trugen zum schlechten Image des Brunnenmarktes bei.
Diese Situation änderte sich aber vor rund einem Monat, als die Wiener Polizei eine Sicherheitsoffensive startete. Es gab mehr Überstunden, die Beamten zeigten in Ottakring verstärkt Präsenz. Die Suchtgiftszene reagierte und tauchte unter. Kaum waren die Dealer aus dem Straßenbild verschwunden, kehrten die Kunden langsam zurück.
Multikulti als Bonus
Diese positive Entwicklung fällt vor allem jenen auf, die am Brunnenmarkt tagtäglich ihre Waren anbieten. Eisverkäufer Carlo Zennaro aus Venedig: "Man merkt, dass die Menschen nicht mehr so viel Angst haben, hierher zu kommen. Es wird sogar eher genossen, dass es hier so viele verschiedene Kulturen gibt."
Auch die junge Mutter Zeyne S. kommt mit Tochter Reyhan wieder mit gutem Gefühl zum Einkaufen: "Mit dem Kind habe ich mich vor ein paar Wochen gar nicht hergetraut. Seitdem die Polizei aber so stark kontrolliert, ist es angenehmer geworden. Wir fühlen uns hier wieder sicher."
Das Gefühl von Sicherheit kehrte nach dem Mord überraschend schnell auf den Brunnenmarkt zurück. Aus der Sicht des Kriminalsoziologen Reinhard Kreissl ist dieser Effekt aber nichts Ungewöhnliches: "Wenn ein Ereignis, wie dieser Mord, in den Köpfen der Menschen ist, dann kommen damit auch Ängste auf. Diese Ängste werden durch Medienberichte noch verstärkt. Wenn aber keine schlechten Meldungen mehr an die Öffentlichkeit dringen, verblasst das schlechte Image rasch."
Laut dem Experten kommt es darauf an, wie lange die Berichte über schockierende Ereignisse durch die Medien geistern. "Vor einem Jahr waren es Bettlerbanden, die für Aufregung gesorgt haben, jetzt sind es gerade eben die U6 und die Straßendealer. Es kommt darauf an, wie oft eine Geschichte wiederholt wird. In unserem Gehirn führt Wiederholung zum Lernerfolg", meint Kreissl.
Bald neue Hotspots?
Die Berichterstattung über kriminelle Bettlerbanden habe laut Kneissl recht schnell wieder aufgehört, weshalb die Problematik nicht mehr präsent ist.
Dass bedeutet laut dem Soziologen aber auch, dass ein neues Sicherheitsgefühl am Brunnenmarkt, Platz für neue Kriminalitäts-Hotspots schafft: "Man kann sich das wie eine Wellenlinie vorstellen. Jetzt gerade ist wenig los, aber es wird wieder irgendwo etwas passieren, worüber dann wieder intensiv berichtet wird. Die Öffentlichkeit konzentriert sich dann eben darauf. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es so weit ist."
Für die Straßendealer wird sich aber nicht so rasch eine Pforte öffnen. Die Polizei versucht, die positive Entwicklung auf dem Brunnenmarkt voranzutreiben. "Wir werden die intensive Überwachung rund um die U6-Stationen fortsetzen. Es gibt auch kein Datum, an dem die Maßnahmen beendet werden", erklärt der Wiener Polizeisprecher Paul Eidenberger.
Eisverkäufer Carlo Zennaro dankt es der Polizei und hat noch eine Nachricht: "Es kommen gerade weniger Einheimische. Aber es ist sicher hier, und wir Händler freuen uns, wenn sich die Österreicher selbst davon überzeugen würden."
"Der Run auf Waffen ist vorbei", sagt Robert Siegert, Branchensprecher der Waffenhändler. Die Zahl jener Menschen, die sich mit Faustfeuerwaffen, Flinten oder Pfefferspray eindecken, ist gesunken. Allerdings liegen die Verkaufsmengen nach wie vor deutlich über dem Niveau von 2015, berichten Fachhändler.
Mit 1. Juni weist die Statistik des Innenministeriums 280.436 Waffenbesitzer aus. Das sind um 24.115 mehr als vor Beginn des Booms im Oktober. Auch die Zahl der registrierten Waffen nahm zu: Von 901.917 im Oktober 2015 auf 952.991 Anfang Juni. "Die absolute Spitze war am Jahresende. Seit März nehmen die Zahlen wieder ab", sagt Siegert. Er erklärt den Rückgang mit einem gestiegenen Sicherheitsgefühl: "In der Vergangenheit hat sich bei den Menschen offenbar das Gefühl durchgesetzt, sie müssen sich selbst um ihre Sicherheit kümmern." Nun hätten Polizei und Politik aber vieles wieder richtig gemacht. Wolfgang Schnetz, der ein Waffengeschäft in Mödling betreibt, macht hingegen eine gewisse Marktsättigung verantwortlich. Ist das Sicherheitsgefühl höher? "Das glaube ich nicht." Laut Ludwig Wittgenstein vom Wiener Fachgeschäft "Johann Springers Erben" sorgt eher die Diskussion um die Verschärfung des Waffengesetzes dafür, dass immer noch ordentlich gekauft wird.
Wo sich alle einig sind: Pfefferspray ist nach wie vor ein Verkaufsschlager. "Wir bemerken zwar einen leichten Rückgang, verkaufen aber immer noch die vierfache Menge von früheren Jahren", berichtet Wittgenstein.
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