Suppe für Franz: Neues Hilfsprojekt am Hauptbahnhof
Es ist kalt, aber Franz wirkt dennoch zufrieden. "Curry und Reis" schmeckt er aus der dampfend heißen Suppe heraus. Die erste warme Mahlzeit des Tages, die er sich soeben in einer roten Schüssel vom Canisibus der Caritas neben dem Hauptbahnhof geholt hat. Franz, 44, erzählt von seiner ersten Winternacht auf der Parkbank und von den Vorzügen des Bahnhofs, in dessen beheizten Toiletten er campiert hat. "Hauptsache warm. Eine Nacht im Freien wünsch’ i da ned."
Anna-Maria Viellehner und Gerald Köteles sind zwei der sechs Streetworker, die täglich von 20 bis ein Uhr in der Früh Unterstandslose vom Hauptbahnhof bis zum Keplerplatz aufsuchen. Hin und wieder ist es eine Suche.
So wie bei Julius, dem sie Winterschuhe versprochen und mitgebracht haben. In einem Warte-Bereich unter Anzeigentafeln mustern sie die voll besetzten Bänke. "Er ist nicht da. Wir kommen wieder", sagt Köteles. Im Rucksack haben sie warme Kleidung und "Streetworker-Tschick", um leichter ins Gespräch zu kommen. Bis zu 30 Personen treffen sie in ihrem Rayon an.
Viele psychisch krank
Begleitet werden sie von Susanne Peter, einem Urgestein der Caritas. "Niemand ist freiwillig auf der Straße", sagt sie. Den freiheitsliebenden Aussteiger hat sie in 28 Jahren noch nie getroffen. Nur Menschen, die Angst haben, Hilfe anzunehmen, weil es ihnen ihr Scheitern vor Augen führt. Und es gibt viele, die psychisch krank sind und auf der Straße landen, oder dort krank werden. Peter erzählt von einem Klienten, mit dem sie drei Jahre durch eine verschlossene Klotür geredet hat; das vierte Jahr von Angesicht zu Angesicht. Als er ihr eine Jacke zum Waschen mitgab, ging der Knoten aus Angst und Scham auf. Er nahm Hilfe an, vier Monate später hatte er Dokumente, ein Einkommen und eine Wohnung. Entscheidend seien drei Wörter, sagt Peter: "Angebot, Angebot, Angebot."
Der öffentliche Raum wird für Obdachlose zunehmend knapp. Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien: "Wir bemerken eine starke Verdrängung gleichzeitig aber auch eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung." Umso betroffener mache daher der Tod eines Obdachlosen in einer Wiener Öffi-Station vor wenigen Tagen – ein Tod, der stundenlang niemandem auffallen wollte. Schwertner: "Dieser tragische Tod macht deutlich: Wir alle sollten hin- und dürfen nicht wegsehen. Möglichkeiten wie Rettung und Caritas-Kältetelefon gibt es genug."
In Wien leben einige hundert Menschen auch dann auf der Straße, wenn es genügend Plätze in den Notquartieren gibt. Und die Zahl der Menschen, die in prekären Wohnverhältnissen leben oder die von akuter Obdachlosigkeit bedroht sind, ist allein in den vergangenen drei Jahren um 27 Prozent gestiegen. 8000 Menschen haben sich im Vorjahr hilfesuchend an die Caritas gewandt.
Die ÖBB finanzieren das Projekt. Christian Kern, ÖBB-Vorstandsvorsitzender: "Wir freuen uns, die Kooperation mit der Caritas ausbauen zu können. Die Arbeit der Caritas leistet einen enormen Beitrag für einen menschlichen Umgang in unserer Gesellschaft".
Franz gibt seine leere Suppenschüssel ab, bedankt sich bei den Caritas-Mitarbeitern für die mitgebrachten Handschuhe. Julius Winterschuhe packen sie wieder ein. Vielleicht treffen sie ihn morgen.
Seit November riefen 509 Personen am Kältetelefon der Caritas an, die Obdachlosen helfen wollten. Die Hotline ist sieben Tage die Woche rund um die Uhr unter Kältetelefon 01/480 45 53 oder kaeltetelefon@caritas-wien.at erreichbar.
Gruft-WinterpaketWer unbürokratisch helfen will, spendet ein Gruft-Winterpaket: Enthalten sind ein Schlafsack sowie eine Mahlzeit für einen obdachlosen Menschen. Caritas Spendenkonto: IBAN: AT163100000404050050; BIC: RZBAATWW; Kennwort: „Gruft Winterpaket“; mehr Infos auf www.gruft.at
WinterschuheBenötigt werden Winterschuhe ab Größe 42. Abgeben kann man sie direkt in der Gruft, Barnabitengasse 12a, 1060 Wien.
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